In der Union gibt es große Vorbehalte gegen Koalitionsverhandlungen mit den Grünen. Doch die Kanzlerin Angela Merkel mahnt zur Gelassenheit.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - So viel Union war selten im Deutschen Bundestag – im Reichstagsgebäude noch nie. Nur kurz nach der Wende hatten CDU und CSU mehr Abgeordnete. Im Bonner Wasserwerk saßen während der 12. Legislaturperiode 319 Parlamentarier der C-Parteien. Jetzt sind es immerhin 311. Sie trafen sich erstmals am Dienstag nach der Wahl, kürten Volker Kauder erneut zum Fraktionschef und Michael Grosse-Brömer zu ihrem Geschäftsführer. Es gab vor allem ein spannendes Thema zu besprechen – auch wenn dieses Thema offiziell gar nicht auf der Tagesordnung stand: Wer regiert künftig mit ihnen?

 

Seehofer hat eine „klare Präferenz für die Große Koalition“

Mit den Grünen mag CSU-Chef Horst Seehofer gar nicht erst reden. Er „werde solche Gespräche nicht führen“, sagte er dem „Spiegel“ und fügte hinzu: „Damit hat sich das.“ Später will er diese Abfuhr dann doch nicht ganz so betonfest gemeint haben. Nach einem Treffen mit den 56 Abgeordneten, die seine Partei fortan in Berlin vertreten werden, sprach der bayerische Ministerpräsident von einer „klaren Präferenz für die Große Koalition“, wollte aber ansonsten gar nichts ausschließen. Er stehe nicht für eine Politik des Ausschließens. Er werde nun abwarten, ob mit der SPD „der Faden an die Spule kommt“, so drückte sich Seehofer aus. Mit dem Spitzenpersonal, das die Grünen im Wahlkampf vertreten habe, wolle er sich nicht an einen Tisch setzen. Während er so sprach, wurde eine Rücktrittserklärung nach der anderen gemeldet, so dass sich seine Vorbedingungen gewissermaßen nebenbei erledigten.

Seehofer betonte, dass zunächst nur mit der SPD verhandelt werde. „Weitere Fragen stellen sich für uns vorerst nicht“, sagte er. Die Chefin der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, sprach sich hingegen dafür aus, alle Koalitionsoptionen offenzuhalten. Auch sie sagte aber, die Politikentwürfe und das führende Personal der Grünen seien „vom Wähler eindeutig abgestraft“ worden. Auf dieser Basis lasse sich keine stabile Regierung gründen.

Schwarz-Grün lässt sich schwerlich als Liebesheirat verkaufen

Hasselfeldts Position findet auch bei den Christdemokraten aus Baden-Württemberg starken Rückhalt. Schwarz-Grün lasse sich im Südwesten „nicht als Liebesheirat verkaufen“, sagte der Abgeordnete Thomas Bareiß aus dem Zollernalbkreis, ein führender Kopf des konservativen Berliner Kreises. Gesprächen dürfe man sich allerdings nicht verschließen. „Für uns ist wichtig, diese Option offenzuhalten“, sagte der CDU-Mann Axel Fischer, ebenfalls ein Konservativer. Fraktionschef Kauder spottete nach Berichten von Teilnehmern vor den versammelten Abgeordneten: „Bei den Grünen wüssten wir im Moment ja nicht einmal, mit wem wir verhandeln sollten vor lauter Rücktritten.“

Kanzlerin Angela Merkel mahnte in der konstituierenden Sitzung der Fraktion zu Gelassenheit. Es gebe überhaupt keinen Zeitdruck, wird sie zitiert. Falls SPD und Grüne zögern sollten, werde ihre Regierung geschäftsführend weiter im Amt bleiben. In Anwesenheit Seehofers betonte Merkel, dass die Union sehr geschlossen in mögliche Koalitionsgespräche gehen werde. Präferenzen ließ sie dabei nicht erkennen. Seehofer selbst hatte zuvor betont, dass er auf dem Weg in eine neue Regierung mit Merkel „jeden Schritt“ abstimme. Er gehe mit der Kanzlerin „Seite an Seite“. Das Verhältnis sei „eingespielt, vertrauensvoll, freundschaftlich“, so der CSU-Chef.

Union will SPD und Grünen „Zeit zum Sortieren“ gönnen

„Wer diese Kanzlerin verhindern will, die alle wollen, macht sich nicht beliebter“, spottet ein CSU-Stratege aus Seehofers Umfeld. „Wir setzen darauf, dass die Grünen sich neu aufstellen“, sagt ein CDU-Minister, der mit Schwarz-Grün liebäugelt. Wer in den Ruch gerate, Neuwahlen zu riskieren, weil er sich einer Koalition verweigere, der habe schon verloren, urteilt ein anderer CDU-Mann aus dem Kabinett. Sowohl Grüne als auch Sozialdemokraten benötigten jetzt „Zeit zum Sortieren“, heißt es in der Unionsfraktion. „Wir haben es jedenfalls nicht nötig, über irgendwelche Stöckchen zu springen.“