Der grüne Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn spricht nach der Bundestagswahl von einer Klatsche und sieht bei Schwarz-Grün nun Angela Merkel am Zug.

Stuttgart - Die Prozentzahlen lügen nicht, und so lässt die Einschätzung des Wahlergebnisses der Grünen durch Oberbürgermeister Fritz Kuhn auch nichts an Deutlichkeit vermissen. „Wir haben eine deutliche Klatsche bekommen – und damit wollen uns die Wähler etwas mitteilen“, sagt der erste grüne Rathauschef einer Landeshauptstadt. Diese Kernbotschaft lautet für den erfolgreichen OB-Wahlkämpfer, dass die Grünen die Mitte der Gesellschaft ins Visier nehmen sollten. „Wenn wir das vernachlässigen, dann wird es schwierig“ – so schwierig, wie es bei der Wahl am Sonntag für die Grünen geworden ist.

 

Dass nun ein personeller Neuanfang auf Bundesebene gemacht werden soll, begrüßt Kuhn ausdrücklich. Dabei müsse bereits eine Rolle spielen, wer zum personellen Angebot für die nächste Bundestagswahl 2017 gehören könne. Eine Debatte über Schwarz-Grün hält Kuhn für nicht angezeigt. „Wir haben so schwer eins auf den Deckel bekommen, da sollten wir nicht damit anfangen“, meint Kuhn. Mit diesem Thema sollten sich die Grünen erst dann beschäftigen, wenn die Wahlsiegerin Angela Merkel das Bündnis für möglich halte.

Vorrangig ist für Kuhn, dass die strategischen Fehler aufgearbeitet werden. Die Grünen müssten die Themen wieder von ihrem Kernthema Ökologie aus denken. Nur über die Höhe von Steuersätzen zu diskutieren, gehe nicht; Grüne müssten dies in ein Programm zur ökologischen Modernisierung einbinden. Die Debatte um den Veggie-Day habe das Klischee genährt, dass sich die Grünen in alles einmischten. Dabei gehe es doch darum, dass in Kantinen besser und gesünder gegessen werde. „Wir müssen dafür ein Angebot machen, wie ich es in Stuttgart will“, sagt Kuhn, „die Stadt kann aber nicht einfach nur Fleisch verbieten wollen.“ Der dritte strategische Fehler sei gewesen, dass die Grünen versucht hätten, die SPD und die Linke links zu überholen. „Wir können aber nur in der Mitte gewinnen, nicht links“, sagt Kuhn.

Der Oberbürgermeister erlebte das grüne Wahldebakel am Sonntagabend im Rathaus mit – und traf dort auch die Parteifreundin Birgitt Bender, die ahnte, dass sie ihr Mandat verlieren würde. „Das ist eine Schwächung“, sagt Kuhn. „Eine solche hervorragende Gesundheitspolitikerin hätten wir auch in einer Oppositionsfraktion gut brauchen können.“ Dass Cem Özedmir das Direktmandat verfehlt hat, war für Kuhn nahe liegend. „Das kann nur gelingen, wenn die Grundstimmung da ist, und man auf dieser Welle nach oben getragen wird.“ Ob auch vor Ort Fehler gemacht wurden, müsse die Partei in Ruhe analysieren.

Mit mehr Gegenwind bei den beginnenden Etatberatungen rechnet Kuhn nicht. Zwar agiere die CDU mit „stolzgeschwellter Brust“, doch jeder Kommunalpolitiker wisse, dass bei Wahlen nur der gut abschneide, der an das Wohl der Stadt denke – „und nicht an das seiner eigenen Farben“.