Die Industrie- und Handelskammern befürchten neue Lasten auf die Wirtschaft zukommen. Die Verbände fordern einen Umbau der Energieversorgung und einen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.

Stuttgart - Die deutsche Wirtschaft hat mit Blick auf die Bildung einer neuen Regierung vor Steuererhöhungen gewarnt. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), sagte in Berlin, die Mehrheit der Bevölkerung sei gegen Steuererhöhungen. Dies habe das Wahlergebnis gezeigt, so Schweitzer. Allerdings entfällt auf die Parteien, die im Wahlkampf höhere Steuern verlangt haben, im künftigen Bundestag rechnerisch eine Mehrheit. Sowohl SPD, Grüne als auch Linke votieren für höhere Steuern. Aus diesem Grund befürchtet die Wirtschaft, dass die Union bei einer Regierungsbildung Steuererhöhungen zustimmt. Neue Belastungen führten zu Wohlstandsverlusten, sagte Schweitzer. Falls beispielsweise die Einkommensteuer angehoben wird, wäre davon die Mehrzahl der kleinen und mittleren Unternehmen betroffen. Rund 90 Prozent der Betriebe unterlägen der Einkommensteuer, sagte Schweitzer. Deshalb müsse aus Sicht des DIHK gelten: „Hände weg von Steuererhöhungen.“

 

Die Kammerorganisation wies darauf hin, dass die Staatseinnahmen nach allen Prognosen künftig weiter stiegen. In einer Umfrage unter Mitgliedern der Kammern stimmten 80 Prozent der Aussage zu, dass wichtige Zukunftsausgaben ohne Steuererhöhungen und ohne zusätzliche Neuverschuldung finanziert werden sollten. Schweitzer argumentierte, eine wachstumsfreundliche Politik führe zu vollen Staatskassen. Dies seien die Lehren der vergangenen Jahre. Drei von vier Unternehmen wünschen sich zudem ein einfacheres Steuersystem.

Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) sprach sich gegen höhere Belastungen der Unternehmen aus. „Auf jede Steuererhöhung ist zu verzichten“, sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo. Die Stiftung Familienunternehmen wünscht sich ein investitionsfreundliches Klima. „Die Familienunternehmen beobachten mit größter Aufmerksamkeit, ob die wirtschaftliche Freiheit erhalten bleibt, die Deutschland für seine Konkurrenzfähigkeit braucht“, sagte Vorstand Brun-Hagen Hennerkes. Es dürfe keine faulen Kompromisse geben.

Energiewende treibt die Wirtschaft um

Die deutsche Wirtschaft rief die Politik auf, mehr für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu tun. „Wir müssen aufpassen, dass wir aus der wohltuenden Lässigkeit nicht schnell in Mittelmäßigkeit abrutschen“, sagte DIHK-Präsident Schweitzer. Die aktuell stabile Wirtschaftslage in Deutschland sei kein Selbstläufer. Darauf müssten die Parteien bei der Regierungsbildung achten.

Ganz oben auf der Prioritätenliste der Wirtschaft steht auch die Energiewende. Die Unternehmen erwarteten, dass sich eine neue Regierung zügig an die Arbeit mache, sagte BDI-Chef Grillo. Bei der Energiewende solle die neue Regierung das Projektmanagement grundlegend überarbeiten. Die Wirtschaft ist unzufrieden, weil es mit dem Umbau der Energieversorgung langsam vorangeht. Der BDI schlägt vor, dass die neue Regierung in ihren ersten 100 Tagen zu einer Energiekonferenz unter Leitung des Kanzleramts einlädt. Dazu sollten alle wichtigen Gruppen eingeladen werden. Danach müsse die Politik einen verlässlichen Zeitplan für die energiepolitischen Entscheidungen vorlegen, sagte Grillo. Der DIHK verlangte eine grundlegende Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.

Auf die Agenda der Politik rücken nun zusätzliche Gelder zum Ausbau der Infrastruktur. Der Sanierungsstau bei Straßen, Schienen und Wasserwegen belaufe sich auf 45 Milliarden Euro, rechnet der DIHK vor. Die zusätzlichen Steuereinnahmen der kommenden Jahre sollten dazu genutzt werden, mehr Mittel für die Verkehrsinfrastruktur bereitzustellen. In der Union wird ein Programm zur Erhöhung der Verkehrsinfrastruktur für notwendig gehalten. Der DIHK appellierte an die Politik, für dieses Investitionsprogramm genügend Mittel bereitzustellen. Im Bundeshaushalt stehen zurzeit zehn Milliarden Euro jährlich für Investitionen in Verkehrswege des Bundes bereit. Der DIHK hält eine Aufstockung um fünf Milliarden Euro pro Jahr für notwendig. In der Union wird an ein kleineres Investitionsprogramm gedacht.