Als einziges Euroland rangiert Griechenland bei der Kreditwürdigkeit immer noch im Ramschbereich. In diesem Jahr hofft das einstige Krisenland auf das begehrte Investment Grade. Aber es gibt noch eine große Hürde.

Für den griechischen Finanzminister Christis Staikouras sind die steigenden Leitzinsen ein gravierendes Problem. Sie verteuern die Kreditaufnahme. Als die PDMA, die staatliche Schuldenagentur Griechenlands, am 4. Januar mit Dreimonats-Geldmarktpapieren 1,5 Milliarden Euro aufnahm, betrug die Rendite 2,18 Prozent. Zum Vergleich: Vor einem Jahr lag der Zins für Dreimonatspapiere bei -0,4 Prozent. Wegen der Negativzinsen mussten Anleger dem Finanzminister also sogar etwas zahlen.

 

Eine „spekulative Anlage“

Das einstige Krisenland hatte sich zwar im August 2018 vom Tropf der Hilfskredite gelöst und finanziert sich seither wieder am Kapitalmarkt. Aber griechische Schuldpapiere werden von den großen Ratingagenturen immer noch als „nicht investitionswürdig“ eingestuft. Standard & Poor’s (S&P) benotet das Land mit BB+. Die Häuser Fitch und DBRS geben die Note BB, Moody’s stuft den Schuldner Griechenland mit Ba3 ein. Griechenland liegt bei S&P und DBRS noch eine Stufe unter dem Investment Grade. Bei Fitch sind es zwei, bei Moody’s drei Schritte. Damit gelten griechische Schuldpapiere als „spekulative Anlage“.

Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat den Aufstieg in die Liga der investitionswürdigen Schuldner für 2023 daher zum „nationalen Ziel“ erklärt. Ein Upgrade ins Investment Grade wäre nicht nur ein Prestigeerfolg für die Regierung, sondern griechische Staatsanleihen würden damit auch für Fondsmanager und Vermögensverwalter handelbar. Diese dürfen die Papiere wegen des Ramschstatus bisher nicht kaufen. Das Upgrade aber würde die Nachfrage nach den griechischen Staatsanleihen erhöhen, die Rendite drücken und die Refinanzierungskosten senken.

Der Staatshaushalt ist saniert

Für ein Upgrade spricht, dass Griechenland in den vergangenen vier Jahren wirtschaftlich ein erstaunliches Comeback geschafft hat. Um mehr als fünf Prozent wuchs die Wirtschaft im vergangenen Jahr – und anders als in vielen anderen Ländern droht auch 2023 in Hellas keine Rezession. Der Staatshaushalt ist saniert, die Schuldenquote sank von 206 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2020 auf aktuell 168 Prozent. Die Arbeitslosigkeit liegt auf dem niedrigsten Stand seit zwölf Jahren. Der britische „Economist“ gab jetzt Griechenland unter 34 bewerteten Staaten das Prädikat „Top Performer 2022“.

Dennoch könnte sich die Rückkehr in die Liga der investitionswürdigen Schuldner verzögern. Das liegt nicht nur am Krieg in der Ukraine, der Inflation und dem wirtschaftlichen Abschwung, der sich für dieses Jahr in der Eurozone abzeichnet. Größter Risikofaktor sind die griechischen Parlamentswahlen, die voraussichtlich im April stattfinden werden. Der seit 2019 amtierende konservative Premier Mitsotakis gilt bisher als Garant für eine solide Wirtschaftspolitik und Strukturreformen. Aber die Regierung spürt Gegenwind. Die Inflation und die Energiekrise drücken auf die Stimmung in der Bevölkerung, und Premier Mitsotakis muss sich gegen Abhörvorwürfe verteidigen. Zudem werden drei Regierungsabgeordneten dubiose Finanzgeschäfte zur Last gelegt.

Die Ratingagenturen sind vorsichtig geworden

In den Umfragen liegt die konservative Regierungspartei zwar rund acht Prozentpunkte vor dem radikalen Linksbündnis Syriza des früheren Premierministers Alexis Tsipras. Doch ob Mitsotakis seine absolute Mehrheit verteidigen kann, ist fraglich. Die Abstimmung könnte zu einem politischen Patt und weiteren Wahlgängen führen.

Vor der Finanzkrise hatte Griechenland überraschend gute Noten erhalten. Fitch und S&P bewerteten das Land noch im April 2010, als das Schuldendesaster längst abzusehen war, mit BBB als „durchschnittlich gute Anlage“. Moody’s vergab sogar die Note A3, die für eine „sichere Anlage“ steht. Nach diesen Fehleinschätzungen sind die Agenturen jetzt umso vorsichtiger bei den Heraufstufungen. Die Analysten der Schweizer Großbank UBS erwarten deshalb, dass die Ratingagenturen mit einem Upgrade bis nach den Wahlen warten. Morgan Stanley rechnet sogar damit, dass Griechenland frühestens 2024 das Investment-Grade-Gütesiegel bekommt.

Eine Frage der Zeit

Doch auch wenn sich die Kreditaufnahme jetzt verteuert: Eine neue Schuldenkrise droht dem Land nicht. 75 Prozent der griechischen Staatsschulden liegen bei öffentlichen Gläubigern wie dem Eurostabilitätsfonds ESM. Die durchschnittliche Laufzeit beträgt 19,8 Jahre und der kalkulatorische Zinssatz 1,3 Prozent. Entsprechend gering ist der Refinanzierungsbedarf der kommenden Jahre. Finanzminister Staikouras hat überdies Rücklagen von 31 Milliarden Euro. Das reicht, um die die Refinanzierung für drei Jahre zu bestreiten, ohne an den Markt zu gehen.