Von Mittwoch an wird in Sachsen-Anhalt Schwarz-Rot-Grün sondiert – eine Premiere unter den Koalitionsmöglichkeiten. Welche Chancen hat die Kenia-Koalition?

Magdeburg - Bis spät in die Nacht haben die sachsen-anhaltinischen Grünen im Szenecafé Central von Magdeburg ihren Wiedereinzug ins Parlament gefeiert. Am Morgen danach steht fest, dass die FDP es nicht geschafft hat; die Fronten sind damit geklärt und die Möglichkeiten von Koalitionen begrenzt. Dem CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff stehen zur Bildung der gewünschten „stabilen Regierung aus der demokratischen Mitte“ nur die SPD und die Grünen zur Verfügung stehen.

 

Es sei denn, er will es mit den Linken probieren oder sich von ihnen tolerieren lassen, was aber einer Utopie gleicht, obwohl sich Linkenchef Wulf Gallert – der am Montagabend sein Amt als Landtagsfraktionschef nach zwölf Jahren hinwarf – über eine mögliche Tolerierung sibyllinisch geäußert hatte. Alle Zeichen weisen in Magdeburg in Richtung einer Koalition aus den Nationalfarben Kenias: schwarz, rot, grün. Es wäre die erste politische Formation dieser Art auf Landesebene, obwohl es in Thüringen schon einmal Geheimgespräche für „Kenia“ gegeben haben soll, als Schwarz-Rot dort eine knappe Mehrheit auf eine stärkere Basis stellen wollten. „Wir warten jetzt auf einen Anruf der CDU“, heißt es im Grünen-Landesverband in Magdeburg.

Triumphaler Aufstieg der AfD

Die Spitzenkandidatin Claudia Dalbert, eine in Halle lehrende Psychologieprofessorin aus Köln, hatte schon früh erklärt, dass sie ein Angebot „ernsthaft prüfen“ werde, dass es ihr aber auch wichtig sei, „grüne Inhalte“ einzubringen, die eine Legislaturperiode von fünf Jahren tragen würden. Welche das sein könnten, ist noch offen. Ein konkreter Streitpunkt könnte der Braunkohleabbau im Süden Sachsen-Anhalts sein, an dem die CDU festhalten will, den die Grünen aber aufgeben wollen.

Nach dem denkwürdigen Wahlsonntag mit dem triumphalen Aufstieg der AfD sortierten sich am Montag die Parteien noch neu. Das Angebot von AfD-Landeschef André Poggenburg, seine Partei könne auch Gespräche über eine mögliche Tolerierung diverser Koalitionen führen, wird ohne Echo verhallen. Zu stark wird die AfD als fremdenfeindlich von allen anderen Parteien eingeschätzt.

Haseloff: Komplizierte Regierungsbildung

Am Montagabend fanden die Landesvorstandssitzungen der Parteien in Magdeburg statt; bei der SPD wurde dabei ein Hauen und Stechen erwartet, denn die SPD-Spitzenkandidatin Katrin Budde hatte wegen ihres selbstkritischen Kurses gegen die bestehende Koalition von Schwarz-Rot und wegen des desaströsen Abschneiden ihrer Partei Unmut ausgelöst.

Die Christdemokraten sind in Magdeburg wieder die stärkste politische Kraft geworden, und da Reiner Haseloff am Montag in Berlin weilte, preschte CDU-Innenminister Holger Stahlknecht schon mal vor und enthüllte ein Geheimnis, das gar keines mehr war: „Wir werden die Grünen einladen zu Koalitionsgesprächen und mit einer stabilen Regierung dieses Land weiter regieren“, sagte Stahlknecht. Allerdings scheint dem Ministerpräsidenten Haseloff das Ganze noch unheimlich zu sein. Es werde eine komplizierte, aber doch realistische Regierungsbildung geben, die drei Parteien umfassen werde, sagte er wenig später nach Stahlknechts Erklärung in Berlin. Aber die Namen der Parteien zu nennen zierte sich Haseloff dann doch. Die Einladungen würden noch am Montag herausgeschickt, von Mittwoch an solle dann sondiert werden. Haseloff strebt eine stabile neue Mehrheit an. „Wir werden eine Regierung der Mitte bilden, und der Wähler hat uns ins Stammbuch geschrieben, wie diese Mitte derzeit auszusehen hat.“

Dem Katholiken und Physiker Haseloff werden durchaus Berührungspunkte mit einigen Ost-Grünen von Bündnis 90 nachgesagt. Haseloff war lange in der Vorwendezeit in Wittenberg tätig, wo der evangelische Pfarrer und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer wirkte. Vor zwei Jahren verlieh Haseloff ihm die Verdienstmedaille des Landes Sachsen-Anhalt.