Tore entstehen im Fußball aus Fehlern, das ist keine neue Erkenntnis – Nach der Niederlage in Berlin kennt VfB-Trainer Armin Veh deshalb keine Gnade: „Wir sind in der Bundesliga“, faucht Veh, „da darf man solche Fehler nicht machen.“

Berlin/Stuttgart - Pünktlich zu den Feierlichkeiten der deutschen Einheit entfaltet die Hauptstadt ihre ganze Pracht. Auch am Tag danach legt sich die Sonne schon morgens über Berlin, die Touristen sitzen vor den Cafés beim Frühstück, und auch die Gäste aus Stuttgart sind sehr zeitig in den Tag gestartet. Durch den Tiergarten joggen die Spieler des VfB – doch ihre Stimmung passt so gar nicht zu diesem schönen Vormittag. Noch schlechtere Laune als sie hat nur einer: ihr Chef Armin Veh, der Trainer des Fußball-Bundesligisten.

 

Veh wird noch eine Weile benötigen, bis er die völlig unnötige 2:3-Niederlage bei Hertha BSC verarbeitet und abgehakt hat. So stinksauer wie am Freitagabend jedenfalls hat man den 53-Jährigen selten erlebt. Weit nach dem Schlusspfiff war er noch immer sichtlich aufgebracht, maßlos enttäuscht ist er auch noch am Tag nach dem Spiel. Und so ist es für einzelne Spieler des VfB-Teams sicher nicht das Schlechteste, dass sie vorerst hinaus in die Welt flüchten dürfen, um es für ihre jeweiligen Nationalmannschaften besser zu machen.

Sven Ulreich flog nach einem Fehler aus der Mannschaft

Carlos Gruezo beispielsweise spielt mit seinen Ecuadorianern in den USA. Antonio Rüdiger tritt mit der deutschen Auswahl in Polen an. Martin Harnik reist zum Spiel der Österreicher nach Moldawien. Sie sind es gewesen, die mit ihren Fehlern vor den drei Gegentoren das Spiel in Berlin vergeigt haben. Und sie werden heilfroh sein, dass sie keine Torhüter sind wie Sven Ulreich, der nach seinem Fehler in Dortmund aus der Mannschaft flog und fürchten muss, künftig auf der Ersatzbank zu versauern. Ihnen bleibt immerhin die Hoffnung, dass sich bei ihrer Rückkehr der Ärger des Trainers, der die Fehler so „unerklärlich“ wie „rätselhaft“ fand, ein bisschen gelegt hat.

Tore entstehen im Fußball aus Fehlern, das ist keine neue Erkenntnis – in diesem Falle aber kennt Armin Veh keine Gnade. Den bedauernswerten Gruezo, der einen Elfmeter verschuldet hatte, holte er schon nach 27 Minuten vom Feld, würdigte ihn dabei keines Blickes und stellt den 19-Jährigen danach an den Pranger („Der war völlig neben der Kappe“). Nicht viel besser geht es Rüdiger und Harnik, die mit haarsträubenden Ballverlusten im Mittelfeld zwei Berliner Tore eingeleitet haben. „Wir sind in der Bundesliga“, faucht Veh, „da darf man solche Fehler nicht machen.“

Durchaus kultiviertes Spiel nach vorne

In Berlin haben sie dazu geführt, dass der VfB ein Spiel verlor, das er niemals hätte verlieren dürfen. Denn die Stuttgarter, das ist die gute Nachricht aus der Hauptstadt, waren die bessere Mannschaft. Vor allem in der Anfangsphase, aber auch über weite Strecken der zweiten Hälfte boten sie eine gute Leistung und spielten durchaus kultiviert nach vorne. Im Vergleich zum Saisonbeginn waren klare Fortschritte erkennbar – auch Veh entging trotz allen Ärgers nicht, „dass wir inzwischen viele Dinge gut machen und und auch immer besser ins letzte Drittel des Spielfelds kommen“.

Das Problem jedoch ist altbekannt: beides zusammen – hinten sicher stehen und trotzdem munter nach vorne spielen – funktioniert beim VfB nur in den seltensten Fällen. Mehrere Trainer haben sich daran schon abgearbeitet. Bruno Labbadia und Thomas Schneider wollten eigentlich ebenfalls gerne offensiv spielen lassen – und konnten nicht verhindern, dass Abwehrfehler vieles zunichtemachten. Huub Stevens wiederum verzichtete lieber gleich ganz auf eine gute B-Note und erkämpfte in der Vorsaison mit strikter Defensivtaktik die nötigen Punkte im Abstiegskampf. Schön anzusehen war das nicht.

Der Berg an Arbeit wird nicht kleiner

Nun hat also auch der Fußballästhet Veh gemerkt, dass der Berg an Arbeit nicht entscheidend kleiner wird. Es mag zwar zuversichtlich stimmen, dass in Berlin allein individuelle Fehler an der Niederlage schuld waren. Auf der anderen Seite jedoch macht es die Arbeit nicht leichter, wenn sich solche Fehler regelmäßig wiederholen. Trainieren lässt sich so etwas kaum. Rüdiger etwa hat in dieser Saison schon öfter gepatzt, genau übrigens wie sein Nebenmann Daniel Schwaab. Was nützt alle spielerische Weiterentwicklung, wenn dem Gegner das Toreschießen so leicht gemacht wird?

Ein vernünftiges Training ist in den nächsten zehn Tagen ohnehin kaum möglich – die halbe Mannschaft ist auf Länderspielreisen. Anschließend kommt im nächsten Heimspiel Bayer Leverkusen nach Stuttgart, ein Team, das mindestens eine Klasse besser ist als Berlin. Armin Veh schwant schon jetzt Böses: „Ich will gar nicht daran denken, was passiert, wenn wir gegen die wieder solche Fehler machen.“