Woran liegt es nur, dass der VfB Stuttgart die letzten Spiele immer verloren hat? Das Team startet immer sehr verheißungsvoll in die Partie – und geht am Ende doch leer aus. Sportpsychologe Thomas Schneider ist gefordert.

Stuttgart - Im theoretischen Unterricht hat Thomas Schneider offenbar gut aufgepasst, vielleicht kann er sich auch einfach gut hineinversetzen in die Köpfe anderer. Jedenfalls schloss er während seiner Fußballlehrerausbildung das Fach Sportpsychologie „mit einer glatten Eins“ ab, wie der VfB-Trainer nach dem 1:2 (1:0) bei Bayer Leverkusen berichtet. Gut so, denn auf diesem Feld ist Schneider nun besonders gefordert, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Sein erster Trick: „Ich lasse das Wort Abstiegskampf verbal außen vor.“

 

Genau dort jedoch befindet sich der VfB fünf Monate nach Schneiders rasantem Aufstieg vom B-Jugendtrainer zum Bundesligacoach. Der Trend ist in höchstem Maße besorgniserregend, von den letzten sieben Spielen hat der VfB sechs verloren. Und es schlägt zusätzlich aufs Gemüt, dass die Stuttgarter nun binnen acht Tagen dreimal mit 1:0 in Führung lagen – und stets kurz vor dem Spielende den Gegentreffer zum 1:2-Endstand hinnehmen mussten: gegen Mainz (87.), gegen die Bayern (93.), in Leverkusen (84.). „Das war eine unglaubliche Woche“, sagt der VfB-Manager Fredi Bobic, „leider im negativen Sinne.“

Die Suche nach den Ursachen für die Niederlagen

Liegt es an der Kraft, der fehlenden Konzentration, der Unerfahrenheit der Mannschaft mit einem Altersdurchschnitt von 23 Jahren? Oder doch an der Psyche, die im Abstiegskampf bekanntermaßen eine entscheidende Rolle spielt? Vermutlich von allem ein bisschen. Tatsache ist, dass zwar kein anderes Team in der Liga in den ersten 15 Spielminuten mehr Tore als der VfB erzielt hat, nämlich zehn. Genau so viele Tore mussten die Stuttgarter aber in der Schlussviertelstunde hinnehmen, was ebenfalls ein bundesweiter Spitzenwert ist. Von Pech und dummen Zufällen kann also spätestens nach der vergangenen Woche niemand mehr sprechen.

Doch was tun, um das zu ändern und zu vermeiden, dass den Spielern in den letzten Minuten künftig die Knie erst richtig schlottern? Thomas Schneider empfiehlt eine Einzelfallbetrachtung und stellt, ganz Psychologe, das Positive heraus. Das Mainz-Spiel gibt dafür nichts her, gegen die Bayern und in Leverkusen aber hat der VfB-Trainer viel Gutes gesehen: „Es war nicht zu erwarten, dass wir gegen die beiden Topmannschaften der Liga bis zum Schluss so gut mithalten würden“, sagt Schneider: „Das sollte uns Zuversicht geben.“

Eigentlich zeigt der VfB keine schlechtes Spiel

Gegen die Bayern hat der VfB ein ganz starkes Spiel gemacht; und auch beim Tabellenzweiten aus Leverkusen gab es am Samstag keinen Anlass, am Auftritt der Stuttgarter Mannschaft Grundsätzliches in Frage zu stellen. Sie ging mit 1:0 in Führung, hatte danach alles unter Kontrolle, verlor zwar nach dem Ausgleich vorübergehend etwas den Überblick, fand aber nach der Pause wieder zur Stabilität zurück, freilich ohne nach vorne zu glänzen. Ein Konter führte zum 1:2, nachdem zuvor Alexandru Maxim zu Fall gekommen war. Der Rumäne beteuerte, gefoult worden zu sein, der Schiedsrichter sah eine Schwalbe – und Schneider eine „sehr unglückliche Entscheidung“.

Auch Fredi Bobic haderte mit Felix Zwayer– noch mehr jedoch damit, dass „der eine oder andere“ zu wenig gebracht habe. Das werde er „intern klar ansprechen“. Damit dürfte insbesondere Martin Harnik gemeint sein. Vehement hatte der Österreicher nach dem Bayern-Spiel darüber geklagt, dass sein Team nur zweimal pro Saison an das Leistungslimit gehe. Ausgerechnet von ihm war in Leverkusen bis zu seiner Auswechslung fast nichts zu sehen.

Die Aussetzer bleiben ein Rätsel

Auch der Rechtsverteidiger Gotoku Sakai gibt mit regelmäßigen Aussetzern Rätsel auf. Wer am Samstag auf der anderen Seite Roberto Hilbert hat spielen sehen, fragt sich unweigerlich, warum der VfB im Sommer nicht ernsthaft über eine Rückkehr des 29-Jährigen nachgedacht hat. Hilbert wäre gerne gekommen – genau wie nun der ablösefreie Hoffenheimer Andreas Beck. Jedoch besteht auch an seiner Rückkehr kein Interesse – aufgrund angeblicher Schwächen im Defensivverhalten.

15 Spiele bleiben dem VfB in dieser Saison noch, um das Schlimmste zu vermeiden. Von gewaltiger Bedeutung für alle Beteiligten sind die nächsten beiden gegen Augsburg und in Hoffenheim. „Mannschaften auf Augenhöhe“ nennt Schneider diese Gegner (wenngleich Augsburg inzwischen neun Zähler Vorsprung hat): „Da sind wir in der Pflicht, da gilt es, Punkte einzufahren.“ So sieht es auch der Torschütze Moritz Leitner – der im Notfall auf externe Unterstützung setzt und nach dem Spiel in die Reporterrunde ruft: „Habt Ihr vielleicht einen guten Psychologen für uns?“ Immerhin: noch kann Leitner dabei lachen.