Den Vorwürfen des Republikaners Donald Trump, eine Agentin der Hochfinanz und ein Mitglied der von vielen verhassten Politelite von Washington zu sein, konnte Hillary Clinton wenig entgegensetzen.

Washington - Hillary Clinton ist dann mal weg. Sie wandert jetzt angeblich durch die Wälder rund um ihren Wohnort Chappaqua im Bundesstaat New York und versucht so, den Schmerz der Wahlniederlage zu lindern. Zur selben Zeit steht in diesen Tagen ihre Partei allerdings vor einem heftigen Richtungsstreit.

 

Es zeichnet sich zumindest mal fürs Erste ab, dass die US-Demokraten ihr Heil jetzt erst einmal in der Flucht nach links suchen werden. Es gilt, darin sind sich fast alle Überlebenden des Trump-Sturms einig, wieder attraktiv zu werden für die Menschen aus der unteren Mittelschicht. Diese Wählergruppe, auf die sich die Demokraten viele Jahre lang verlassen konnten, ist desertiert und zum Erstaunen der Parteioberen zu einem Milliardär aus Manhattan übergelaufen, der sich zum Sprecher der kleinen Leute erklärt hat.

Die Partei ist beherrscht von Wall Street

Die Basis murrt. Michael Decan, Co-Direktor der einflussreichen Industrial Areas Foundation, eines Netzwerks lokaler Bürgerorganisationen, hat das Problem der Demokraten jetzt in einem Essay mit einer provokanten These beschrieben. Die Partei sei beherrscht von der Wall Street und von Silicon Valley. Die Helden der Partei seien Finanzakrobaten und Hightech-Gurus,  berühmte Sportler und Künstler. Selbst ernannte Rockstars seien das, so Decan: „Wenn die Demokraten als Partei wieder zu Kräften kommen und relevant werden wollen, dann müssen sie sich wieder der Mehrheit der Amerikaner verschreiben, die keine Rockstars sind.“

Das klingt nach einem Frontalangriff auf Hillary Clinton, und so ist es auch gemeint. Kaum war Trumps Gegenkandidatin nach ihrer Niederlage ins Private abgetaucht, stellten sich bereits zwei ihrer schärfsten Kritiker ins Scheinwerferlicht. Bernie Sanders, der Held der jungen Leute aus dem Vorwahlkampf, und Elizabeth Warren, die linksgerichtete Senatorin, die sich erst im fortgeschrittenen Wahlkampf an der Seite Clintons postiert hatte.

Sanders, den die demokratische Parteizentrale während der Vorwahl-Entscheidungen nicht immer gut behandelt hat, ließ mit ätzender Kritik aufhorchen. Der Tenor seiner Worte: Man müsse sich nicht über eine Wahlniederlage wundern, weil die Partei nicht den Mut aufgebracht habe, sich mit der Wall Street und der Milliardärskaste anzulegen.

Üppig honorierte Reden vor Bankern

Zwar rückte Clinton, als sie offiziell zur Präsidentschaftskandidatin gekürt wurde, in manchen Programmpunkten nach links. Den Angriffen von Trump-Republikanern, sie sei in gewisser Weise eine Agentin der Hochfinanz und zudem ein Mitglied der verhassten Washingtoner Politelite, konnte sie aber wenig entgegensetzen. Schließlich hatte sie tatsächlich üppig honorierte Reden vor Bankern gehalten. Und ihr über Jahrzehnte hinweg gepflegtes Netzwerk in der Politik erwies sich ebenfalls als Nachteil bei einer Wahl, die viele Wählerinnen und Wähler als Gelegenheit nutzten, es dem Establishment einmal so richtig zu zeigen.

Ähnliche Worte wie Sanders fand auch Senatorin Elizabeth Warren. Die Wähler aus der unteren Mittelschicht hätten allen Grund, zornig zu sein, sagte sie jetzt in einer Rede vor Gewerkschaftern in Washington. Trump habe eben klar erkannt, dass diese Menschen sich von Regierung und Wirtschaft verlassen fühlten. Dieses Gefühl habe Trump adressiert. Der Hinweis war deutlich: Warren glaubt, dass Clinton dieses Problem nicht erfasst hat.

Der Urlaubsort von Präsidenten

Tatsächlich hat sich die Spitze der US-Demokraten nach Ansicht von Wissenschaftlern von den sogenannten kleinen Leuten immer weiter entfernt. Aus der Partei von Decatur (eine von der Wirtschaftskrise schwer getroffene Industriestadt in Illinois) sei die Partei von Martha’s Vineyard (mondäner Urlaubsort zahlreicher Präsidenten) geworden, argumentiert der Politikwissenschaftler Thomas Frank. Die einzige Antwort der Demokraten auf ökonomische Probleme sei gewesen, diesen Menschen zu empfehlen, sich doch zu bilden und damit den Aufstieg zu schaffen.

Ein Blick auf die Machtverteilung in den USA zeigt, dass die Niederlage Clintons auch eine Niederlage der gesamten demokratischen Partei ist. Das Weiße Haus ist verloren gegangen. Nur noch in 16 der 50 Bundesstaaten regieren Gouverneure der Demokraten. Als Barack Obama vor knapp acht Jahren das Amt als Präsident antrat, waren es noch 29 Gouverneure. Beide Kammern des US-Parlaments sind fest in republikanischer Hand.

Das erklärt den Wunsch nach einem programmatischen Linksruck, den jetzt viele US-Demokraten empfinden. Das löst aber noch nicht das Personalproblem, das die Demokraten jetzt haben. Bernie Sanders ist schon 75 Jahre alt. Elizabeth Warren, die mit Sanders in einen Wettbewerb um die Gunst der zornigen Arbeiter steht, ist nur acht Jahre jünger.