Katrin Altpeter (SPD) verliert Ministeramt und Mandat. Mit dem AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen stellt der Wahlkreis Backnang einen dritten Abgeordneten. Sieben der neun Landesparlamentarier aus dem Kreis bleiben dieselben.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Rems-Murr-Kreis - Überraschung, Freude, blankes Entsetzen – letztlich ist alles vertreten in den Reaktionen auf das Landtagswahlergebnis und die Resultate in den drei Rems-Murr-Wahlkreisen. Eine Übersicht.

 

Wahlkreis Waiblingen: Halder kann es kaum glauben

Willi Halder kann es am Tag nach der Wahl noch immer kaum glauben. Als Sahnehaube auf seiner politischen Karriere und ein Ergebnis, das er sich in seinen kühnsten Träumen nicht erhofft hätte, bezeichnet der Grünen-Politiker den Gewinn des Direktmandats im Wahlkreis Waiblingen. Dieses ist seit den 1970er-Jahren ein Wanderpokal gewesen, der ausschließlich innerhalb der Christdemokraten weitergereicht wurde. Halder erhielt nun 27,8 Prozent der Wählerstimmen, sein Hauptkonkurrent Siegfried Lorek 26,2, was fürs Zweitmandat reicht.

„Die Menschen haben Winfried Kretschmann als Ministerpräsident gewählt“, sagt der lokale Wahlsieger Halder bescheiden. Doch der 52-Jährige weiß auch, dass die Grünen selbst als nunmehr stärkste Kraft in Baden-Württemberg nicht automatisch die Regierung stellen. An diesem Mittwoch werde man in der Fraktion die Lage diskutieren. „Ich hoffe auf eine Erleuchtung – bei allen Beteiligten“, sagt Halder. Denn das Wahlergebnis signalisiere auch: „Wir brauchen eine starke Regierung.“ Welchen Platz er selbst dabei einnehmen werde, sei nebensächlich: „Ich habe keine ambitionierten Ziele und übe mich in Demut und Bescheidenheit.“

Ulrich Goll (FDP) hält noch am Wahlabend eine schwarz-rot-goldene Regierungskonstellation für einen gangbaren Weg. Er selbst ist mit seinen 11,4 Prozent und dem Ergebnis seiner Partei im Land höchst zufrieden. Die Liberalen hätten sich fulminant aus der „heftigsten Krise seit Bestehen des Vereins“ befreit und hätten durchaus wieder Ambitionen, nicht nur von der Oppositionsbank aus mitzuwirken.

Am Boden zerstört ist hingegen Katrin Altpeter. Mit nur 13,8 Prozent ist die Sozialministerin raus aus dem Parlament, in dem die SPD seit 1976 per Zweitmandat ununterbrochen einen Waiblinger Wahlkreiskandidaten sitzen hatte.

Wahlkreis Backnang: Klenk verliert und gewinnt

Wilfried Klenk (CDU) ist neben Nicole Razavi im Wahlkreis Geislingen der einzige Kandidat seiner Partei in der Region Stuttgart, der ein Direktmandat errungen hat. Mit 27,7 Prozent lag Klenk am Ende sogar noch recht klar in Führung, obwohl auch er Stimmenverluste von gut 13 Prozent hinnehmen musste. Über das Direktmandat freue er sich natürlich, sagt Klenk am Tag nach der Wahl – „mit dem Ergebnis bin ich trotzdem nicht zufrieden.“ Bemerkbar habe sich gemacht, dass er in seinem Wahlkreis einen Spitzenkandidaten gegen sich gehabt habe. „Ob es uns gefällt oder nicht“, sagt der noch amtierende Landtagspräsident: „Es wurde demokratisch gewählt und entsprechend werden wir uns den Mitgliedern der neuen Fraktion im Landtag gegenüber verhalten.“

„Ein dramatischer Wahlabend liegt hinter uns“, schreibt Gernot Gruber (SPD) noch am Wahlabend auf seiner FacebookSeite. Bis zuletzt hat der Mathematiker aus Backnang um seinen Sitz im Parlament gebangt. Nachdem die Verteidigung des Zweitmandats klar ist, kann er sich trotz des desaströsen Ergebnisses seiner Partei über einen persönlichen Erfolg freuen: „2011 war ich auf Platz 13 im SPD-Ranking in Nord-Württemberg, und jetzt ziehe ich als Viertbester wieder in den Landtag ein.“

Zu den Gratulanten Grubers zählte auch Reinhold Sczuka, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Rems-Murr-Kreistag. „Wir brauchen in den nächsten Jahren starke Demokraten“, schreibt Sczuka mit Blick auf das Wahlergebnis der AfD im Wahlkreis 17. Dort hat diese 19,7 Prozent der Stimmen eingefahren, das beste Ergebnis der AfD in der Region Stuttgart. In Spiegelberg, der mit 1657 Wahlberechtigten kleinsten Kommune im Rems-Murr-Kreis, ist die AfD mit 26,6 Prozent sogar vor den Grünen und der CDU stärkste Partei geworden. Die 19,7 Prozent im Wahlkreis Backnang verhelfen Jörg Meuthen, dem Spitzenkandidaten der Rechtspopulisten, zum Zweitmandat im Landtag. Meuthen hatte auch im Wahlkreis Bretten zur Wahl gestanden.

Wahlkreis Schorndorf: Häffner spricht von vergiftetem Sieg

„Es ist eine Riesenfreude, das Direktmandat erreicht zu haben – was ich für die Grünen eigentlich für unmöglich gehalten habe“, sagt Petra Häffner am Morgen nach der Wahl. Knapp war es, 1,3 Prozentpunkte Vorsprung, aber immerhin fast 900 Stimmen Differenz zwischen Grün und Schwarz. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren hatte Claus Paal bei 39,2 Prozent noch 16,4 Punkte oder knapp 11 500 Stimmen Vorsprung gehabt.

Trotzdem sei das Gesamtergebnis der Wahl „ein vergifteter Sieg“, sagt die Siegerin. Ein Grund zur Trauer ist für sie, dass Grün-Rot nicht weiterregieren könne – trotz Regierungserfolg und Zufriedenheit der Bevölkerung. Dass andererseits die AfD in derartiger Stärke ins Parlament einziehe, das zeige, „dass Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus in der Gesellschaft in einer Größe präsent sind, die ich erschreckend finde“.

Die Populisten, so sieht dies Claus Paal, hätten CDU und SPD viele Stimmen gekostet. Das sei eine sehr bedenkliche Entwicklung – auch angesichts der gut 22 Prozent für die AfD in Rudersberg, wo einst auch NPD und Republikaner ihre Hochburgen hatten. Für sich selbst sagt Paal: „Ich habe ein Mandat und damit einen Auftrag durch die Wähler, den ich erfüllen werde.“ Auf das Ergebnis habe er sich im Vorfeld durchaus vorbereitet. „Ich bin frohen Mutes, ich werde meine Projekte weiterführen können.“

Grund zur Freude hat auch Jochen Haußmann. Schließlich hat der FDP-Mann nicht nur sein vor fünf Jahren errungenes Zweitmandat verteidigt. Er hat im einstigen Reinhold-Maier-Wahlkreis mit 12,6 Prozent das beste Ergebnis der Liberalen im Regierungsbezirk Stuttgart und das zweitbeste landesweit eingefahren. Ihn, sagt er, rufe am Tag nach der Wahl zunächst aber die ebenfalls wichtige Verpflichtung im Verwaltungsausschuss des Kreistags.