Nach der Wahl in Bad Boll Breitseite gegen Kandidatin und Bürgermeister Bührle

Sonntagabend in Bad Boll: Bürgermeister Hans-Rudi Bührle gibt das Wahlergebnis bekannt – und wehrt sich gegen Vorwürfe, die ihn selbst treffen. Foto: Giacinto Carlucci

Eine Gemeinderätin der Grünen, Mitglied des Wahlausschusses, macht Werbung für den Kandidaten Ozasek, kritisiert Ann Kathrin Traub und verliert daraufhin das Amt.

Die Bürgermeisterwahl in Bad Boll wurde begleitet von Ereignissen, die es so wohl noch nicht gegeben hat. Es hagelte Vorwürfe gegen die Kandidatin Ann Kathrin Traub, die nach dem ersten Wahlsonntag in Führung liegt. Damit nicht genug: Ein Mitglied des Gemeindewahlausschusses wurde abberufen, und das Gremium war damit gar nicht mehr vollständig, weil die Stellvertreterin weggezogen ist. Vorwürfe, die per Mail verbreitet wurden, gingen noch über den Wahlkampf hinaus und richteten sich gegen Bürgermeister Hans-Rudi Bührle und seine Verwaltung. Das will der Schultes sich nicht bieten lassen, er stellt sich vor seine Mitarbeiter. Er lasse dies auf seine zivilrechtliche oder strafrechtliche Relevanz prüfen.

 

Kandidatin in ein schlechtes Licht gerückt

Was ist geschehen? Drei Tage vor der Wahl hat die Grünen-Gemeinderätin Claudia Stursberg in einer Mail, die sie zur Weiterverbreiten empfahl, für den Kandidaten Christoph Ozasek geworben und Ann Kathrin Traub in ein schlechtes Licht gerückt. Sie erlebe, so schrieb die Gemeinderätin und Mitglied des Gemeindewahlausschusses, „Filz und Mauscheln in und ums Rathaus“. Dies würde weitergehen, wenn Ann Kathrin Traub gewählt würde, weil die Kandidatin ganz offen von den Freien Wählern (UWV), zu denen auch Bürgermeister Bührle gehöre, und von der CDU unterstützt werde. „Dies sogar, wenn die Kandidatin Regeln und Gesetze verletzt.“

Stursberg zielt auf die Integrität der Kandidatin, erhebt den Verdacht des bewussten Rechtsverstoßes. „Wohlgemerkt, sie ist Juristin, meint aber wohl, die Regeln seien nicht ernstzunehmen“, heißt es in der Mail. Gleichzeitig wirbt Stursberg für den „hochqualifizierten Kandidaten“ Christoph Ozasek, führt das auch aus, und verweist mit einem Seitenhieb auf Traub: Ozasek führe den Wahlkampf „engagiert, aber fair.“

Daraufhin verlor Claudia Stursberg ihr Amt im Gemeindewahlausschuss. Sie habe eindeutig gegen ihre besondere Neutralitätspflicht verstoßen, sagt Bührle. Er teilte diesen Umstand am Wahlabend mit und sagte, dies sei in Abstimmung mit dem Kommunalamt geschehen. Bührle widersprach gegenüber unserer Redaktion dem Vorwurf, dass er zuvor schon ein Mitglied des Gemeindewahlausschusses abberufen habe, was Claudia Stursberg auch behauptet hat. Vielmehr habe er eine Mitarbeiterin der Gemeinde, die für den Wahlvorstand der Briefwahl eingeteilt, aber noch nicht berufen worden sei, wieder herausgenommen. Weil es den Anschein hätte geben können, dass sie für den Kandidaten Ozasek warb.

Kommunalamt hat sechs Beschwerden abgewiesen

Wegen Stursbergs Brief hatte sich auch Ann Kathrin Traub ans Kommunalamt gewandt mit der Frage, ob die Wahl unter diesen Umständen überhaupt stattfinden dürfe. Das Kommunalamt befand: Ja. Das Kommunalamt hatte auch sonst zu tun. Laut einem Schreiben, das unserer Redaktion übermittelt wurde und das Datum 7. Oktober trägt, hat das Amt sechs Beschwerden nach Rücksprache mit der Gemeinde und der Feuerwehr als erledigt betrachtet oder abgewiesen. Grund der Beschwerde waren Bilder, die die Kandidatin Traub und übrigens auch Steffen Länge am Bauhof der Gemeinde und mit der Feuerwehr gemacht hatten. Ersteres: eine Nachlässigkeit bei der Gemeinde. Der Bauhof ließ es zu, hatte keine Anweisung vom Rathaus zu diesem Fall. Hinterher wusste man: „Das hätte uns nicht passieren dürfen.“

Keine Weisungsbefugnis

Das Bild bei der Feuerwehr: Die Feuerwehr war dazu bereit, hier hatte Bührle keine Weisungsbefugnis, sagt er. Nur hat man bei der Feuerwehr nicht gewusst, dass man als Einrichtung aus öffentlichen Mitteln keinen Kandidaten unterstützen darf. Keinen Fehler sah das Kommunalamt darin, dass die Kandidatin für den Bauernmarkt warb an dem Schild, das am Ortseingang steht. Der Beschwerdeführer sah damit keinen seiner Punkte hinreichend beantwortet und reichte einen zweiten Beschwerdebrief ein. Auskunft des Landratsamts am 8. Oktober: Die Beschwerden werden geprüft. Am Wahlabend sagte Wahlleiter Bührle: „Frau Traub hat keinen Fehler gemacht.“ Er betrachtet diese Vorwürfe als geheilt. Es handle sich nicht um Wahlanfechtungsgründe.

Er selber verwahrt sich gegen „Filz und Mauschelei“ – ein Vorwurf, der ihm von dritter Seite auch bei der jetzigen Bürgermeisterwahl gemacht wird. Die Verfasser jenes Briefes zum Weiterleiten sprechen auch von „langjährigem Stillstand in der Verwaltung“. Der scheidende Bürgermeister und Wahlleiter appelliert, „verbal abzurüsten“. Er betont: „Bad Boll ist ein Ort der demokratischen Kultur.“

Beide Kandidaten sprechen sich für Mäßigung aus

Das wünschen sich auch die beiden Kandidaten, die in die Stichwahl am 2. November gehen. Ann Kathrin Traub sieht die Wahl geradezu überschattet „von einer Kampagne, die Bad Boll nicht verdient hat.“ Wer auch immer gewinne: „Die größte Herausforderung wird sein, die tiefen Gräben in unserer Gemeinde zu überwinden. Wir werden über die Vorwürfe und das Geschehene sprechen, aufeinander zugehen und wieder zueinander finden müssen.“

Christoph Ozasek stellt klar: Mit den Briefen im Internet habe er nichts zu tun. Er finde es bedauerlich, dass es sich jetzt so parteipolitisch zuspitze und Einzelne Wunden der Vergangenheit noch mal aufrührten. „Das hat nichts mit der Bürgermeisterwahl zu tun.“ Er sei auch nicht der Kandidat von Gemeinderäten: „Ich trete unabhängig an.“ Das künftige Gemeindeoberhaupt müsse schauen, wie man die Wogen glätte und eine gute demokratische Kultur lebe.

Anfechtung Kann die Wahl überhaupt angefochten werden, wenn es eine Stichwahl gibt, also sowieso neu gewählt wird? Laut dem Kommunalamt geht das. Jeder Wahlberechtigte und jeder Bewerber könne Einspruch gegen die Wahl erheben, teilte das Amt auf Anfrage mit. Ob dann Gründe vorliegen, die eine Wahlanfechtung rechtfertigen, werde von der Rechtsaufsicht geprüft.

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