Seit Porsche unter dem Dach des VW-Verbunds angesiedelt ist, verlieren die Städte und Gemeinden mit Porsche-Fabriken in der Region Millionen an Gewerbesteuer-Einnahmen. Vor allem kleine Kommunen können das kaum kompensieren.

Stuttgart - Seit Anfang des Jahres ist Porsche unter dem Dach des VW-Verbunds angesiedelt – und was diese Umstrukturierung bedeutet, bekommen die Finanzbürgermeister und Kämmerer von Städten und Gemeinden mit Porsche-Fabriken in der Region anhand von aktuellen Steuerbescheiden jetzt schwarz auf weiß auf den Schreibtisch.

 

In Stuttgart, Weissach (Kreis Böblingen), Bietigheim-Bissingen, Sachsenheim, Tamm und Hemmingen (alle Kreis Ludwigsburg) wird mit millionenschweren Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer gerechnet. Vor allem die kleineren Kommunen können das kaum kompensieren, schon ist die Rede von Steuer- und Gebührenerhöhungen.

Die Situation in Stuttgart

Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) schweigt sich mit dem Verweis auf das Steuergeheimnis zum Rückgang der Gewerbesteuerzahlung von Porsche aus. In der Vergangenheit sind aber immer wieder Zahlen genannt worden, die nicht dementiert wurden. So ist davon auszugehen, dass der Automobilbauer im vergangenen Jahr rund zwölf Prozent am Gesamtgewerbesteueraufkommen der Stadt in Höhe von etwa 600 Millionen Euro beigetragen hat. Von den rund 75 Millionen könnten Stuttgart von diesem Jahr an 50 Millionen Euro entgehen. Die Veränderungen würden „keine Notmaßnahmen im Haushalt auslösen“, war Föll zitiert worden, und OB Fritz Kuhn (Grüne) hob hervor, dass Porsche ein herausragender Arbeitgeber in der Stadt bleiben werde. Allerdings entgehen der Stadt auch noch durch ihr Engagement bei der Landesbank Baden-Württemberg jährlich bis auf Weiteres rund 40 Millionen Euro. Für das Jahr 2013 rechnet Föll mit rund 560 Millionen Euro Gewerbesteuer.

Als 2009 die Übernahme von Porsche durch VW diskutiert wurde, ging Föll noch davon aus, rund 90 Prozent des Gewerbesteueraufkommens an Wolfsburg zu verlieren. Damals war von einem Gesamtaufkommen von 100 bis 120 Millionen Euro die Rede gewesen. Besonders der Umstand, dass es sich nicht um eine temporäre Absenkung, sondern einen Dauerzustand handeln würde, machte Föll schon damals zu schaffen.

Die Situation in Weissach

Auch in Weissach bricht die Gewerbesteuer dramatisch ein. „Wir rechnen mit 70 Prozent weniger“, sagt Horst Haindl, der Kämmerer der 7500-Einwohner-Gemeinde im Kreis Böblingen. Im vergangenen Jahr hatte Haindl noch 43,2 Millionen Euro eingenommen, in diesem Jahr werden es kaum 20 Millionen Euro sein. In den besten Jahren hatte der Sportwagenbauer 80 und einmal sogar 220 Millionen Euro gezahlt, was Weissach zeitweilig den Ruf als reichste Gemeinde Deutschlands einbrachte.

Das Entwicklungszentrum im Weissach mit 4500 Mitarbeitern war für die Kommune in den vergangenen Jahren damit ein echter Goldesel. Die gut verdienenden Ingenieure brachten eine hohe Lohnsumme im Vergleich zum restlichen Porsche-Konzern zusammen, dementsprechend hoch war der Anteil der Gemeinde am Steuerkuchen. Doch im großen VW-Konzern wiegt das Gehalt der Weissacher Mitarbeiter nicht mehr so viel. Für die kleine Gemeinde sind zwar knapp 20 Millionen Euro immer noch viel Geld, die große Nachbarstadt Leonberg mit 45 000 Einwohnern hat kaum mehr. „Wir haben uns aber einige Bonbons geleistet, die jährlich viel Unterhalt kosten“, sagt Haindl. Zwar hat Weissach vorgesorgt und 80 Millionen Euro auf der hohen Kante, der Gemeinderat diskutiert jedoch bereits über Einsparungen.

Die Situation im Kreis Luwigsburg

Im Kreis Ludwigsburg sind vier Kommunen Standorte von Porsche. Anders als in der Landeshauptstadt ist der Sportwagenbauer für Bietigheim-Bissingen, Sachsenheim, Tamm und Hemmingen jedoch einer der wichtigsten Gewerbesteuerzahler – wenn nicht der wichtigste. Am stärksten betroffen von dem Rückgang ist Tamm. Die 12 000-Einwohner-Gemeinde verliert in diesem Jahr mehr als die Hälfte ihrer Gewerbesteuereinnahmen. Rechnete Kämmerin Franziska Wunschik zu Jahresbeginn noch mit zehn Millionen Euro, ist dieser Wert auf 4,5 Millionen korrigiert. „Das können wir durch Streichen nicht mehr kompensieren“, sagt Tamms Bürgermeister Roland Zeller. Die Gemeinde müsse Steuern und Gebühren massiv erhöhen sowie neue Schulden aufnehmen.

Die Debatte über die Gewerbesteuer

Die Gewerbesteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Bezahlen müssen sie alle gewerblichen Unternehmen, die in einer Gemeinde ansässig sind. Ausgenommen sind Freiberufler wie etwa Ärzte und Anwälte. Im vergangenen Jahr flossen den Kommunen in Deutschland auf diese Weise 42 Milliarden Euro zu. Die Höhe der Gewerbesteuer richtet sich im Wesentlichen nach dem Gewinn der Firmen, jede Kommune legt einen eigenen Hebesatz fest. Auf Kritik der Unternehmen stößt, dass in die Berechnung der Steuer auch Kosten wie Mieten und Zinsen einbezogen werden. Dies soll starke konjunkturelle Schwankungen verhindern. Die Kommunen argumentieren, sie müssten die Infrastruktur für die Unternehmen unabhängig von den Schwankungen in der Wirtschaftsentwicklung unterhalten.

Die Autobauer Porsche und VW

Beteiligung Die Verbindungen zwischen Porsche und Porsche sind gekappt – genauer: zwischen der Dachgesellschaft Porsche Holding und dem Sportwagenbauer Porsche AG, der in der Region unter anderem Standorte in Stuttgart-Zuffenhausen und Weissach hat. Bereits im vorigen Jahr hatte die Holding ihre restlichen Anteile an der AG in Höhe von 50,1 Prozent an VW verkauft; seitdem halten die Wolfsburger 100 Prozent der Anteile an der Porsche AG. Die Holding ist nicht mehr direkt an der AG beteiligt, sondern nur noch mittelbar; sie hält 50,7 Prozent an VW.

Einheit Die VW-Hauptversammlung ging am 25. April einen Schritt weiter. Sie billigte eine Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag rückwirkend zum 1. Januar 2013. Die Folge ist, dass die Porsche AG mit ihren Standorten in den VW-Verbund eingeht, der körperschaft- und gewerbesteuerlich eine Einheit ist.

Berechnung Bei der Gewerbesteuer wird der Gewerbeertrag beziehungsweise der daraus abgeleitete Steuermessbetrag nach der Lohnsumme auf alle Städte aufgeteilt, in denen der Konzern mit Standorten vertreten ist.

Geschäftsverlauf Die Porsche AG mit gut 17.800 Beschäftigten hat in den ersten drei Monaten 2013 einen Umsatz von 3,3 Milliarden Euro und einen Gewinn von 0,6 Milliarden Euro verbucht.