Die Spurensuche an der Köllestraße ist abgeschlossen. Die Explosion ist offenbar nicht auf einen Schaden an der Hausinstallation zurückzuführen. Doch was war dann der Grund für das Unglück?

Der Auslöser für die verheerende Gasexplosion vor einer Woche an der Köllestraße im Stuttgarter Westen ist gefunden – und er lag nicht im Haus. Damit ist ein Rätsel gelöst, das die Ermittler der Kripo eine Woche lang beschäftigt hat. In jener Nacht waren die Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei zu einem Brand gerufen worden, den sie wohl nie mehr vergessen werden. Schon die Erstmeldung „Explosion – Trümmerteile liegen auf der Straße“ klang dramatisch.

 

Große Teile des brennenden Gebäudes an der Köllestraße waren in sich zusammengestürzt. Die Detonation war so groß, dass auch an Nachbarhäusern die Scheiben zerbarsten. Eine 85-Jährige, die mit ihrer Familie unter einem Dach lebte, wurde erst 16 Stunden nach der Explosion unter den Trümmern des Hauses gefunden. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Wie durch ein Wunder konnte sich hingegen eine vierköpfige Familie, die in den unteren Stockwerken des eingestürzten Gebäudes lebte, aus den Trümmern retten. Die Eltern und ihre Kinder wurden nur leicht verletzt, konnten einen Tag später sogar das Krankenhaus wieder verlassen.

Stromkabel brannte zwei Stunden vor Unglück durch

Mittlerweile ist die Spurensuche vor Ort abgeschlossen – und die Ursache für die gewaltige Explosion offenbar gefunden. Sie liegt wohl nicht an der Hausinstallation. „Nach derzeitigem Wissensstand hat es rund zwei Stunden vor der Explosion einen Kurzschluss in einem Stromkabel im Gehweg vor dem Gebäude gegeben“, teilten die Netze BW GmbH und die Stuttgart Netze GmbH am Dienstagnachmittag schriftlich mit.

Durch die Hitze sei wahrscheinlich eine Gasleitung, die sich ebenfalls kurz vor dem Haus befindet, auf einer Länge von rund zehn Zentimetern zerstört worden. Dies sei bei einer Grabung am vergangenen Donnerstag erkennbar geworden, bei der Fachleute beider Unternehmen, die für das Gas- beziehungsweise das Stromnetz in Stuttgart zuständig sind, sowie Vertreter der Behörden anwesend waren. „Auch wenn noch viele Details des Hergangs zu klären sind, ist hier möglicherweise die Ursache für das Eindringen von Gas ins Gebäude zu suchen“, heißt es in der zweiseitigen Mitteilung. Wie sich das Gas-Luft-Gemisch in den Räumen entzündete, ist noch unklar.

In weiteren Untersuchungen müsse jetzt zudem geklärt werden, warum es zum Kurzschluss kam. Dabei solle auch untersucht werden, ob dieser möglicherweise dadurch entstanden ist, dass die Gasleitung so nahe an der Stromleitung lag. Dies könnte wiederum zur Beschädigung des Stromkabels geführt haben. In Abstimmung mit den Behörden werden Netze BW und Stuttgart Netze von diesem Mittwoch an weitere Aufgrabungen in der Köllestraße vornehmen. Dabei soll geprüft werden, ob die vorgeschriebenen Abstände beziehungsweise Schutzvorrichtungen an vergleichbaren Überschneidungen von Strom- und Gasleitungen eingehalten wurden. Geplant sind aktuell 14 dieser Überprüfungen.

Derzeit gehen die Fachleute von einem Einzelfall in der Köllestraße aus; besondere Sicherheitsvorkehrungen der Anwohnerinnen und Anwohner seien daher nicht notwendig. Die nach dem Unglück ohnehin laufenden Kontrollen der Gasleitung mit Spürgeräten werden planmäßig fortgesetzt. Die beiden Unternehmen haben die Anwohnerinnen und Anwohner des betroffenen Straßenabschnitts am Dienstag zunächst mit einem Schreiben und, wenn möglich, in persönlichen Gesprächen über den aktuellen Stand informiert.

Informationsveranstaltung für Anwohner

In den nächsten Tagen ist zudem eine Informationsveranstaltung geplant, bei der auch erste Erkenntnisse der Aufgrabungen vorliegen sollen. „Wir nehmen unsere Verantwortung als Betreiber des Stuttgarter Gasnetzes sehr ernst und arbeiten mit Hochdruck daran, den genauen Hergang zu klären“, sagt Christoph Müller, der Geschäftsführer der Netze BW GmbH. „Erste Priorität hat jetzt, jedes auch nur theoretische Risiko in der Köllestraße auszuschließen. Das sind wir den Betroffenen des Unglücks wie auch allen anderen Anwohnerinnen und Anwohnern schuldig.“ Arvid Blume, der Geschäftsführer der Stuttgart Netze GmbH, fügt hinzu, dass die beiden Unternehmen auch in diesem Fall eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. „Wir wissen, dass die laufenden Untersuchungen auch Unsicherheit erzeugen können. Des- halb möchten wir unseren aktuellen Wissensstand transparent machen, auch wenn wir und die Behörden noch nicht alle Fragen geklärt haben.“ Beispielsweise, wer am Ende für den Schaden aufkommt oder zur Verantwortung gezogen wird, schließlich kam bei dem Unglück ein Mensch ums Leben. „Dafür ist es noch viel zu früh“, sagt Hans-Jörg Groscurth, Sprecher der Netze BW GmbH. „Noch laufen die Ermittlungen.“

Das Gasnetz, das in Stuttgart rund 1100 Kilometer umfasst, wird in Intervallen zwischen zwei und vier Jahren kontrolliert. In der Köllestraße fand solch eine Überprüfung zuletzt im Mai 2022 statt. Auf Höhe der Hausnummer 72 wurde damals ein Schaden geortet und kurzfristig repariert – sie liegt rund 350 Meter von dem zerstörten Gebäude entfernt. Zur Sicherheit wurde damals die gesamte Straße mit Messgeräten, die schon bei kleinsten Gaslecks ausschlagen, geprüft – laut den Verantwortlichen ohne Auffälligkeiten.

Ähnliches Unglück im Jahr 1997

Die Explosion in der Köllestraße erinnert an ein anderes Gasunglück in Stuttgart, das 26 Jahre zurück liegt. Es ereignete sich am 12. Januar 1997, an einem kalten Wintertag im Untertürkheimer Stadtteil Luginsland. Damals wurde ein Gebäude am Nägelesäcker zerstört. Ursache war laut eines Karlsruher Gutachters eine gerissene Schweißnaht an einer Gas-Hochdruckleitung, die in 1,80 Meter Tiefe im Erdreich verlief. Wegen des gefrorenen Bodens konnte das Gas nicht entweichen und strömte in das Haus. Ein kleiner Funken reichte, um die Katastrophe auszulösen. Fünf Personen wurden verletzt, zwei davon so schwer, dass sie mit einem Hubschrauber in Unfallkliniken gebracht werden mussten. Ein 50 Jahre alter Mann erlitt jedoch so schwere Verbrennung, dass er wenige Tage nach dem Unglück in dem Krankenhaus verstarb.