Seit den Überschwemmungen im Juli wird über eine Zwangslösung diskutiert. Zwei von drei Bürgern wären dafür.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Nach der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist eine Mehrheit der Bundesbürger für die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. 59 Prozent von 1000 Befragten sprachen sich in einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Forsa für eine Pflichtversicherung aus, wie die Verbraucherzentrale Sachsen als Auftraggeberin der bundesweiten Umfrage mitteilte.

 

Bei den 450 Haus- und Wohnungseigentümern unter den Befragten – sie wären von einer Versicherungspflicht unmittelbar betroffen – lag die Zustimmungsquote bei 57 Prozent. Aktuell sind laut Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bundesweit 46 Prozent aller Wohngebäude gegen Hochwasser, Starkregen und andere Naturkatastrophen versichert. In Baden-Württemberg sind es über 90 Prozent, weil es hier bis Mitte der 90er Jahre eine entsprechende Versicherungspflicht gab. Die Pflicht wurde aufgehoben, als aufgrund einer EU-Richtlinie die staatlichen Monopolversicherer abgeschafft wurden. Frankreich dagegen habe trotz Abschaffung der Monopolversicherer an der Pflichtversicherung gegen Elementarschäden festgehalten, erklärte der Juraprofessor Markus Roth in einem Online-Pressegespräch der Verbraucherzentrale Sachsen.

Pflichtlösung ist politisch umstritten

Während die sächsischen Verbraucherschützer schon seit dem Oderhochwasser 2002 für eine Versicherungspflicht kämpfen, hatte sich der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) im August für eine Widerspruchslösung ausgesprochen : Grundsätzlich sollten Wohngebäudeversicherungen stets mit einer Abdeckung von Schäden durch Naturkatastrophen angeboten werden. Verbraucher sollten aber weiter die Möglichkeit haben, der Elementarschadenversicherung zu widersprechen – und damit Kosten zu sparen. Nur wenn dieses Verfahren nicht ausreiche, um die Verbreitung der Elementarschadenversicherung auf „mindestens 80 Prozent“ zu erhöhen, sei eine Pflichtlösung erforderlich, so der VZBV.

Selbst ein Verbreitungsgrad von 95 Prozent wäre unzureichend, argumentiert dagegen Professor Gert Wagner, Mitglied des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen beim Bundesjustizministerium. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter den verbleibenden fünf Prozent der Hauseigentümer ausgerechnet die schweren Fälle befinden, ist sehr hoch.“ In Hochrisikolagen könnten die Beiträge für eine Elementarschadenversicherung 500 bis 1000 Euro im Jahr erreichen, in einigen Fällen sogar mehr, sagte Wagner in der Online-Diskussion. Dies könne auf Hausbesitzer, die bereits für eine Gebäudeversicherung zahlen, abschreckend wirken.

Zwar sollten auch bei Einführung einer Versicherungspflicht Eigentümer in Risikolagen höhere Beiträge zahlen als andere – darin zeigten sich alle Diskussionsteilnehmer einig. Für die am stärksten gefährdeten Haushalte müsste es aber eine Entlastung geben, meinte Wagner. Er plädierte dafür, Eigentümern mit sehr hohen Versicherungsbeiträgen staatliche Zuschüsse zu gewähren, allerdings in Abhängigkeit von Einkommen und Vermögen der betroffenen Haushalte. Klar müsse sein: „Wenn Neubauten in Hochrisikogebieten gebaut werden, darf es keine Zuschüsse geben.“

Entlastung für besonders gefährdete Haushalte gefordert

Die Justizministerkonferenz der Länder soll im November über das Thema beraten. Noch 2017 hatte sie sich aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken dagegen ausgesprochen, eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden einzuführen. Der Jurist Roth wies am Mittwoch indes darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in den 70er Jahren die Versicherungspflicht in Baden-Württemberg gebilligt habe.

Jüngstes Hochwasser kostet Versicherungen rund sieben Milliarden Euro

Der Versicherungsverband GDV steht einer Pflichtlösung skeptisch gegenüber. Man werde im Herbst „Ideen vorlegen, wie sich die Verbreitung der Naturgefahrenversicherung zu risikogerechten Preisen signifikant erhöhen lässt“, erklärte der Verband . „Die Versicherungslösung muss aber Teil eines Gesamtkonzepts sein. Dazu gehören Aufklärung und verbindliche Maßnahmen zur privaten und staatlichen Prävention.“ Eine Pflichtlösung würde den Versicherern mehr Beiträge einbringen, sie müssten aber in Zukunft auch mehr Schäden begleichen.