Nach dem gelöschten Tweet von Parteikollegin Beatrix von Storch kritisiert die Führungsriege der AfD den Kurznachrichtendienst und die Kölner Polizei. Der Bundesvorsitzende Meuthen sieht sogar die Meinungsfreiheit in Gefahr.

Stuttgart - Jörg Meuthen wirft Twitter Zensur vor. Der Kurznachrichtendienst hatte einen Tweet der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch gelöscht. Meuthen sieht dadurch die Meinungsfreiheit in Gefahr, die ein „extrem hohes Gut ist“. Dafür verantwortlich sei das „Zensurgesetz“ von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), sagte er gegenüber unserer Zeitung.

 

Die Polizei twittert auf Arabisch

Von Storch hatte sich auf Twitter darüber aufgeregt, dass die Kölner Polizei ihre Grüße und Informationen zum Silvesterabend nicht nur in deutscher, französischer und englischer, sondern auch in arabischer Sprache veröffentlicht hatte. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende stellte die Frage, ob es der Polizei wohl darum gehe, muslimische „Männerhorden“ zu besänftigen. Twitter löschte den Eintrag und sperrte ihren Account mit Verweis auf einen „Verstoß gegen Regeln über Hass-Inhalte“ für zwölf Stunden.

Auch der AfD-Co-Vorsitzende Alexander Gauland sieht nach dem gelöschten Tweet seiner Parteikollegin Beatrix von Storch die Meinungsfreiheit in Gefahr. „Das Zensurgesetz von Heiko Maas zeigt schon am ersten Tag des neuen Jahres seine freiheitsbeschneidende Wirkung. Diese Stasi-Methoden erinnern mich an die DDR“, empörte sich Gauland. Der Parteichef ist selbst nicht auf Facebook und Twitter aktiv. Er rief dennoch alle Nutzer sozialer Medien auf, den gelöschten Kommentar der Bundestagsabgeordneten von Storch „immer und immer wieder zu veröffentlichen“.

Kritik an der Kölner Polizei

Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Jürgen Braun, kritisierte die Kölner Polizei scharf: „Ich finde, die Strafanzeige ist eine Frechheit“, sagte Braun unserer Zeitung. „Ich frage mich, ob die eigentlich nichts besseres zu tun haben.“ Es entstehe bei ihm der Eindruck, der Polizei gehe es um politisch opportunes Verhalten. Er wundere sich nicht, dass einem politisch wachen Menschen wie Beatrix von Storch auffalle, wenn zwei Jahre nach den Ereignissen von Silvester in Köln die Polizei auf Arabisch Neujahrsgrüße twittere. „Für mich zeigt die Polizei damit eine Unterwürfigkeit des Rechtsstaates“, sagte Braun. „Da sehe ich, dass sich unser Land verändert, und das besorgt mich.“

Schwere Vorwürfe gegen Twitter

Meuthen kann die Aufregung um den Tweet seiner Parteikollegin nicht verstehen. „Das ist kein Hasspost. Das ist natürlich eine sehr kräftige Sprache, aber die Aussage ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt.“ Twitter habe wegen der neuen Gesetze darauf mit „vorauseilendem Gehorsam“ reagiert. Das seit dem 1. Januar geltende Netzwerkdurchsetzungsgesetz aus dem Haus von Bundesjustizminister Maas verlangt von Diensten wie Facebook, Twitter oder YouTube, klar strafbare Inhalte binnen 24 Stunden nach einem Hinweis löschen. In weniger eindeutigen Fällen haben sie eine Woche Zeit. Den Betreibern der sozialen Netzwerke drohen empfindliche Geldstrafen.

Strafanzeige gegen von Storch

Inzwischen sind bei der Kölner Polizei wegen des islamfeindlichen Tweets zahlreiche Strafanzeigen gegen die AfD-Politikerin eingegangen. Bis zum Dienstagvormittag sei die Zahl der Anzeigen wegen Verdachts auf Volksverhetzung auf bis zu 90 angewachsen – bei weiter steigender Tendenz, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn. Auch die Kölner Polizei hatte Anzeige gegen von Storch erstattet.

Würde gegen von Storch weiterermittelt, müsste der Bundestag zunächst die Immunität aufheben. Von Storch wäre dann seit der Wahl im September die dritte AfD-Abgeordnete, deren Immunität wegen strafrechtlicher Ermittlungen aufgehoben würde.

Keine Frage der Immunität

Im Fall des Tweets würde der Abgeordneten auch nicht helfen, dass sie als Parlamentarierin unter einem besonderen Schutz der freien Rede steht. Alle Parlamentarier genießen neben der Immunität die so genannte Indemnität im deutschen Bundestag – sie besagt, dass ein Abgeordneter nicht für eine Aussage strafrechtlich verfolgt werden kann, die er im Bundestag oder dessen Ausschüssen getätigt hat, außer es handelt sich um Verleumdung. Diese Indemnität kann nicht aufgehoben werden. Eine Äußerung im Internet fällt allerdings nicht unter diesen Schutz.

Widerstand gegen die AfD

Die Linke hingegen hat unterdessen zu einem breiten gesellschaftlichen Engagement gegen solche Äußerungen aufgerufen. Die von der Kölner Polizei erstatte Anzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung sei zu begrüßen, sagte Linken-Chef Bernd Riexinger. „Den rechten Hetzern und ihren menschenverachtenden Parolen muss mit allen vorhandenen, staatlichen Mitteln beigekommen werden.“ Aber auch die Politik und die Zivilgesellschaft müssten „klare Kante“ zeigen, fügte Riexinger hinzu. „Mobil machen an allen Fronten ist jetzt die Devise.“