Krawallmacher sind unerwünscht: Nach gewalttätigen Auseinandersetzungen vor einem Eishockeyspiel bekommen mehrere Anhänger der Bietigheim Steelers Stadionverbote. Ob diese ungewöhnliche Maßnahme etwas bewirkt?

Bietigheim-Bissingen - „Gewalt sollte keinen Platz bei Eishockey-Fans haben“, sagt Volker Schoch, Geschäftsführer der Bietigheim Steelers. Ein vergebliches Credo, wie die Ausschreitungen vom 19. Januar in Heilbronn zeigen. Dort steuerte eine Gruppe von streitlustigen Anhängern der Bietigheimer Zweitligisten ein Fanlokal der Heilbronner Falken an – die Kontrahenten in der für diesen Tag angesetzten Eishockeypartie. Mit Stühlen der Außengastronomie bewaffnet wollten sie auf die Fans der Gegner losgehen, die in der Wirtschaft saßen – und zertrümmerten das Fenster der Gaststätte. Die Heilbronner Polizei brachte die Situation mit einem Großaufgebot an Kräften unter Kontrolle und beförderte 47 Bietigheimer Fans mit Hilfe der Bundespolizei per Bahn nach Bietigheim zurück.

 

Jetzt hat die Deutsche Eishockey Liga 2 gegen die 47 Fans bundesweite Stadionverbote bis zum Ende der übernächsten Saison verhängt. „Gewalt und Anfeindungen gehören nicht zum Eishockey. Bei Vergehen dieser Art kann es keine Toleranz geben“, heißt es in einem Statement der Liga dazu. „Personen, die im Rahmen des Spielbesuches anderen Personen mit körperlicher Gewalt begegnen oder dies absichtlich provozieren, sind keine Eishockeyfans und haben in den Arenen der DEL 2 nichts zu suchen.“

Emotionen und Leidenschaft ja – Gewalt nein

Auch die Steelers selbst bemühen sich auf ihrer Homepage um Schadensbegrenzung: „Wir sprechen uns klar gegen Gewalt im Rahmen unseres Sports aus. Wir distanzieren uns von Fan-Ausschreitungen jeglicher Art“, positioniert sich der Verein. „Sorgt auch in Zukunft für Gänsehaut-Atmosphäre und seid unser siebter Mann auf den Rängen“, ruft er seine Fans auf – mit dem Hinweis: „Emotionen und Leidenschaft ja – Gewalt nein!“

„Man ist nicht gerade stolz darauf, am Standort 47 Stadionverbote zu haben“, sagt Volker Schoch zu der wenig imageförderlichen Maßnahme der Liga. Diese Fans, die er zum harten Kern zählt, lebten ihre eigene Fankultur, auf die man als Klub nicht viel Einfluss habe. Einige der Anhänger, die von dem Verbot betroffen seien, fühlten sich allerdings ungerecht behandelt, berichtet der Geschäftsführer, der die Sanktionen jedoch grundsätzlich begrüßt.

Heftige Debatten in den sozialen Medien

Die Strafe hat heftige Debatten ausgelöst, auch in den sozialen Medien. Auf den Facebook-Seiten der Steelers und der Liga heißen viele Eishockey-Begeisterte die Entscheidung gut und halten sie für „längst überfällig“, bezweifeln aber, dass die Verbote konsequent durchgesetzt werden. Andere kritisieren, wenige Rädelsführer hätten den Krawall angezettelt und etliche Unbeteiligte müssten durch die Kollektivstrafe nun die Suppe auslöffeln.

Es stehe jedem offen, meint Volker Schoch dazu, individuell juristisch gegen das Stadionverbot vorzugehen. Er sei auch schon von anderen „Standortverantwortlichen“ angerufen worden, was denn in Bietigheim los sei. Dass die Fans nun generell in schlechtem Licht dastehen, hofft Schoch nicht: „Wir haben 1500 Dauerkartenbesitzer und das waren 47 Fans, die sich nicht an die Regeln gehalten haben.“

Das zarte Pflänzchen „alternative Fankultur“

Positiv stimmt ihn, dass junge Fans als (friedliche) Stimmungsmacher nachkommen. Das sei ein zartes Pflänzchen anderer Fankultur, das es zu hegen und pflegen gelte. Darüber würden sich wohl nicht nur die Fans freuen, die nicht mit den rufschädigenden Krawallbrüdern in einem Atemzug genannt wollen. Auch für die Polizei gibt es Ersprießlicheres, als sich mit marodierenden Fan-Horden auseinandersetzen zu müssen. In Heilbronn hatten rund 30 Beamte der Bereitschaftspolizei sowie Einsatzkräfte vom Polizeipräsidium zu der Kneipe ausrücken müssen, um die Situation in den Griff zu bekommen, berichtet Rainer Köller, Sprecher des Heilbronner Präsidiums.

Für das Ludwigsburger Präsidium erzählt Peter Widenhorn: „In letzter Zeit stellten die Kollegen eine Zunahme provokanter Aktionen im Vorfeld von Begegnungen fest.“ Fangruppen reisten Stunden vor der Begegnung an und versuchten die gegnerischen Fans durch öffentlichkeitswirksame Auftritte aus der Reserve zu locken, berichtet der Sprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg.

Tiefer Graben in der Fan-Szene

In Bietigheim-Bissingen war es in den Spielzeiten 2017/18 und 2018/19 bei zwei Spielen gegen Heilbronn sowie bei Partien gegen gegen Ravensburg, Landshut und Nauheim zu größeren Ausschreitungen der rivalisierenden Fangruppierungen gekommen. Die Folgen, so Peter Widenhorn: mehrere gefährliche Körperverletzungen, Widerstandshandlungen und Beleidigungen. In der aktuellen Spielzeit 2019/20 habe es hingegen noch keine gravierenden Vorkommnisse in Bietigheim gegeben.

„Wir waren früher auch keine Waisenknaben“, sagt Harald Bosch, der Fanbeauftragte der Steelers. „Bei uns war aber irgendwann eine Grenze erreicht. Wir haben uns auf das Verbale beschränkt.“

Wer sich daneben benimmt, soll die Konsequenzen spüren

Jeder sei letztlich selbst für das verantwortlich, was er tue, und müsse dann auch die Konsequenzen tragen. Bosch sagt aber auch: „Die ganze Geschichte hat in der Fan-Szene einen sehr tiefen Graben gerissen. Das hat uns weh getan.“

Die Polizei begrüßt es, dass das Verhalten der Bietigheimer Fans nicht folgenlos geblieben ist. „Stadionverbote sind hilfreich“, kommentiert der Sprecher des Heilbronner Präsidiums Rainer Köller. „Wer sich daneben benimmt, soll auch Konsequenzen spüren.“ Gingen die Abgestraften dennoch ins Stadion, „dann kann gegen sie wegen Hausfriedensbruch ermittelt werden“.