Der Supreme Court mischt sich eigentlich nicht ins politische Tagesgeschäft von Präsidenten ein, und der Präsident nicht in die Arbeit von Richtern. Doch unter Trump ist alles anders. Davon zeugt sein beispielloser Streit mit dem Obersten Gerichtshof.

Washington - US-Präsident Donald Trump hat mit seinem Vorwurf der angeblichen Voreingenommenheit von Teilen der amerikanischen Justiz einen offenen Streit mit dem Obersten Gerichtshof vom Zaun gebrochen. Der Vorsitzende Richter des Supreme Courts, John Roberts, wies eine Aussage Trumps scharf zurück, wonach ein „Obama-Richter“ sein Dekret zur Asylverschärfung gestoppt habe. Zugleich verteidigte der Jurist die Unabhängigkeit der US-Richter. Trump legte prompt mit neuer Kritik nach.

 

Es war das erste Mal, dass der Oberste Richter dem Präsidenten direkt widersprach. Bis zur Ära Trump galt es zudem als äußerst unüblich, dass ein Präsident bestimmte Bundesrichter für Urteile kritisiert, die ihm nicht gefallen.

Das jüngste Drama nahm seinen Lauf, als ein Bundesrichter Jon Tigar in San Francisco zu Wochenbeginn eine einstweilige Verfügung gegen eine Anordnung Trumps erließ, wonach illegal über die Südgrenze einreisende Menschen fortan keinen Asylantrag mehr stellen dürften. Damit gab der Richter einer Klage von Bürgerrechtsgruppen statt. Der Präsident erklärte daraufhin - und dies nicht zum ersten Mal -, das Berufungsgericht in San Francisco sei ihm gegenüber voreingenommen.

Trump stellt Unabhängigkeit der Bundesrichter infrage

Nachdem der Vorsitzende Supreme-Court-Richter vorangegangene Attacken Trumps unkommentiert gelassen hatte, streifte er seine Zurückhaltung am Mittwoch ab. „Wir haben keine Obama-Richter oder Trump-Richter, Bush-Richter oder Clinton-Richter“, schrieb Roberts auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AP. „Was wir haben, ist eine außerordentliche Gruppe von engagierten Richtern, die ihr Äußerstes tun, all jenen, die vor ihnen erscheinen, gleiches Recht widerfahren zu lassen.“ Einen Tag vor dem amerikanischen Thanksgiving-Fest ergänzte Roberts: „Die unabhängige Justiz ist etwas, für das wir alle dankbar sein sollten.“

Trump stellte indes erneut die Unabhängigkeit von Bundesrichtern infrage, die von seinem Vorgänger Barack Obama nominiert und vom Senat bestätigt worden waren. „Sorry Vorsitzender Richter John Roberts, aber wir haben tatsächlich „Obama-Richter“, und die haben eine ganz andere Meinung als jene, die mit der Sicherheit unseres Landes betraut sind“, twitterte er von seinem Feriendomizil in Florida aus. Besonders vehement griff der Präsident den Neunten Berufungsgerichtsbezirk in Kalifornien an.

Wenn die Richter dort unabhängig seien - „warum behandeln sie so viele Fälle mit gegensätzlichen Ansichten über Grenzschutz und Sicherheit?“, schrieb Trump. „Bei jedem im Neunten Gerichtsbezirk eingereichten Fall werden wir geschlagen.“ Am Ende müsse seine Regierung vor den Obersten Gerichtshof ziehen - wie etwa bei seinem Einreiseverbot für Bürger bestimmter muslimischer Länder - „und wir gewannen.“ Zur Entscheidung über sein jüngstes Asyl-Dekret erklärte er zudem erneut: „Das war ein „Obama-Richter“. Und ich sage euch, so etwas wird nicht mehr passieren.“ Was er konkret damit meinte, war unklar.

Erbitterter Kampf um Richterkandidaten Brett Kavanaugh

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Kläger juristisch gegen eine Aktion Trumps vor Gerichten vorgehen, von denen sie ausgehen, dass sie ihnen Recht geben werden. Konservative Gruppen etwa gingen gegen Maßnahmen aus der Obama-Ära in Texas in Berufung, das formal zum Fünften Berufungsgerichtsbezirks in New Orleans gehört. Der Neunte Berufungsgerichtsbezirk deckt die US-Staaten Alaska, Arizona, Kalifornien, Hawaii, Idaho, Montana, Nevada, Oregon und Washington ab und damit bei weitem der größte.

Der Oberste Gerichtshof der USA stand zuletzt besonders im Fokus, da sich an der Berufung von Trumps umstrittenen Richterkandidaten Brett Kavanaugh im Spätsommer ein erbitterter politischer Kampf entzündete. Letztlich setzte der Präsident den mit Vorwürfen der sexuellen Nötigung konfrontierten Juristen als neuen Richter am Supreme Court durch. Seitdem bemühen sich der Vorsitzende Richter Roberts und seine Kollegen, den Eindruck zu zerstreuen, dass das höchste Gericht des Landes nur eine weitere politische Institution sei. Im neunköpfigen Obersten Gerichtshof stehen mit der Berufung Kavanaughs inzwischen fünf als konservativ geltende Richter einem Block aus vier als liberal eingestuften Richtern gegenüber.