„Vorsätzliche Lüge“ werfen Porsche und VW einem Richter vor, das Vertrauen in die Justiz habe er dadurch erschüttert. Nun reagiert das Landgericht darauf: die massive Kritik basiere auf einer falschen Grundlage.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Das Landgericht Stuttgart stellt sich schützend vor den „Diesel-Richter“, der von der Porsche Holding und Volkswagen massiv angegriffen wird. Ein Sprecher wies gegenüber unserer Zeitung die Darstellung als falsch zurück, auf die beide Unternehmen den Vorwurf der Lüge stützen. Entgegen deren Behauptung habe der Richter ein Urteil, mit dem Aktionären der Porsche SE erstmals Schadenersatz wegen der Dieselaffäre zugesprochen worden war, der Pressestelle des Gerichts keineswegs aufgedrängt. Diese habe vielmehr um „Übersendung der zu verkündenden Entscheidung gebeten, damit etwaige Presseanfragen beantwortet werden können“. Tatsächlich war das Ende Oktober ergangene Urteil von den Medien bundesweit aufgegriffen worden.

 

Die Porsche Automobil Holding SE hatte Anfang Dezember beantragt, den Richter Fabian Richter Reuschle als befangen abzulehnen. Sie begründete dies mit zahlreichen gravierenden Verfahrensverstößen, aber zugleich mit „vorsätzlicher Lüge“. Im Rahmen der mündlichen Urteilsverkündung habe er die Prozessvertreter des Unternehmens „angelogen“ und damit „jedes professionelle und sachliche Vertrauensverhältnis … nachhaltig zerstört“.

VW macht sich Porsches Vorwürfe zu eigen

Dies bezieht sich auf einen Wortwechsel zwischen dem Anwalt Markus Meier und Richter Reuschle über die Veröffentlichung des Urteils; gegen diese hatte Meier Bedenken. „Die Pressestelle hatte mich angefragt, ob ich es zur Verfügung stelle“, sagte der Richter laut dem Protokoll. Im Nachhinein habe sich dies als unwahr herausgestellt, rügte der Anwalt: „Es war der abgelehnte Richter selbst, der das Urteil der Pressestelle aufdrängte“; dies habe die Pressestelle der Porsche SE schriftlich bestätigt. Meiers Fazit: Der Vorgang zeige, dass Richter Reuschle „als in den Medien gefeierter Dieselaufklärer … auch vor einer Lüge nicht zurückschreckt“.

Volkswagen hatte sich die Vorwürfe von Porsche in einem weiteren Befangenheitsantrag zu eigen gemacht. Nicht die Pressestelle des Gerichts habe „auf eine zügige Urteilsveröffentlichung gedrungen“, Richter Reuschle selbst habe diese veranlasst. Ein so agierender Richter „erschüttert das Vertrauen in die baden-württembergische Justiz ... bis ins Mark“, folgerten die VW-Anwälte; er belege damit „seine Ungeeignetheit als Justizperson“.

Gericht weist die Darstellung zurück

Das Landgericht ließ diese Darstellung nun durch einen anderen Mediensprecher zurückweisen. Dies deckt sich mit einer gerichtsinternen Mail, die Klägeranwälte im Zuge der Akteneinsicht erhielten. Darin bittet der Sprecher für Zivilsachen den Richter darum, ihm und seinem Vertreter etwaige Entscheidungen „rechtzeitig in Kopie zur Verfügung zu stellen“.

Zu den Befangenheitsanträgen selbst wollte sich das Gericht nicht äußern. Diese würden von der zuständigen Zivilkammer in richterlicher Unabhängigkeit beantwortet. Klägeranwälte hatten die massiven Vorwürfe als beleidigend und womöglich strafrechtlich relevant bewertet. Die „vollkommen unqualifizierte und unsachliche Wortwahl“ erfülle „streckenweise den Tatbestand der üblen Nachrede“, sagte Andreas Lang von der Kanzlei Nieding Barth. Die Frage, ob im Rahmen der Fürsorgepflicht eine Strafanzeige erwogen werde, ließ das Gericht offen. Von dem Richter wird nun eine Stellungnahme zu den Ablehnungsgesuchen erwartet.