Oberbürgermeister Wolfgang Schuster schweigt beharrlich – persönlich aber ist der Rathauschef vom Ministerpräsidenten bitter enttäuscht.    

Stuttgart - Als Wolfgang Schuster am Mittwochabend, etwas verspätet, den Großen Ratssaal betritt, wo vierhundert Bürger versammelt sind, um mit ihm zu hören, wie man in Zürich die aktuellen Probleme der Stadtplanung löst, da wirkt der Oberbürgermeister müde und angespannt zugleich. Nur wenige Stunden zuvor ist er mit den harschen Anwürfen des Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden Stefan Mappus konfrontiert worden. Seinem Pressesprecher Markus Vogt hat Schuster lediglich eine kurze Stellungnahme diktiert: "Ich kommentiere die Spekulationen nicht. Im Januar 2012 werde ich, wie angekündigt, erklären, ob ich noch einmal antrete." Am Donnerstag heißt es aus dem OB-Büro: "Der Chef gibt keine Interviews - er wird sich auch in den nächsten Wochen nicht zu dieser Sache äußern."

 

Wolfgang Schuster ist restlos bedient. Der 61-Jährige, der seit dem Ausscheiden seines Vorgängers und politischen Ziehvaters Manfred Rommel Ende des Jahres 1996 an der Spitze des größten Rathauses von Baden-Württemberg steht, fühlt sich jetzt zum Sündenbock gestempelt und knapp zwei Jahre vor der nächsten OB-Wahl in die Defensive gedrängt.

Im Rathaus, im Gemeinderat aber auch in "seiner" Kreis-CDU ist es schon lange kein Geheimnis mehr, dass das Verhältnis zwischen dem neuen Ministerpräsidenten und dem ersten Mann am Stuttgarter Marktplatz ein Unverhältnis ist; einen Gesprächsfaden, gar eine gemeinsame Wellenlänge gibt es zwischen dem reinen Bauchmenschen Mappus und dem technokratischen Visionär Schuster nicht.

Mappus lässt seinem Unmut freien Lauf

Einer, der Wolfgang Schuster lange kennt, seinen Namen in dieser vertrackten Situation aber nicht öffentlich nennen mag, sagt: "Ein Meister der Kommunikation ist unser Oberbürgermeister bekanntlich nicht, außerdem ist er durch seine internationalen Ehrenämter sehr viel weg. Aber was unser Ministerpräsident jetzt macht, das ist nicht fair. Für Wolfgang Schuster ist es die Höchststrafe, wenn nun seine politischen Gegner - wie etwa der Grünen-Chef Werner Wölfle - für ihn quasi eine Ehrenerklärung abgeben."

Im Übrigen habe der Oberbürgermeister seine Verdienste - in der Kommunalpolitik, aber auch für die Stuttgarter CDU: "Immerhin hat er zwei OB-Wahlen für die CDU gewonnen, wenn auch unter einigen Schwierigkeiten." Und in der Stadt habe er im Laufe dieser Jahre viele Projekte angestoßen und durchgesetzt. Das könne man nicht so einfach wegdiskutieren. Auch aus CDU-Parteikreisen wird nun kolportiert, der Ministerpräsident habe mit einer gehörigen Wut im Bauch am Dienstagabend den großen Wahlkampfauftritt mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Liederhalle verlassen - und wenig später auf seinem Dienstsitz in der Villa Reitzenstein gegenüber eigens eingeladenen Journalisten seinem Unmut freien Lauf gelassen.

Dabei wisse doch Mappus sehr genau, dass er als Ministerpräsident keinerlei Möglichkeiten habe, in die Stadtpolitik, gar in die Entscheidungen des Gemeinderats hineinzuregieren. Nach der Niederlage seiner Kreis-CDU bei der Kommunalwahl vor zwei Jahren sei deren Ratsfraktion ja nur noch die zweitstärkste hinter den Grünen.

Schuster und Mappus sind Verlierer dieser Tage

Für Wolfgang Schuster, so zeigt sich nun, rächt sich gegen Ende seiner Amtsjahre ein Wesenszug, den viele an ihm schätzen, der aber im heftigen Getümmel des politischen Tagesgeschäfts seine Nachteile hat: Der OB sieht sich als diplomatischen Sachwalter seiner Stadt, der laute Worte, gar die offene verbale Feldschlacht mit Gegnern und Kritikern scheut, ihr konsequent aus dem Wege geht.

Beispiel Stuttgart 21: Als die Deutsche Bahn, die Berliner Politik und auch die hiesige Landespolitik das Projekt über Jahre hinweg aufs Eis legten, war der Oberbürgermeister der einzige Politiker, der beharrlich daran festhielt. In diesen schwierigen Jahren haben ihn die eigenen Parteifreunde ein ums andere Mal im Stich gelassen.

Selbst der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger sah es seinerzeit nicht ungern, dass die Pfeile der Projektgegner nur auf Schuster zielten, den sie in der Öffentlichkeit unwidersprochen als den vermeintlichen Bauherrn dieses ungeliebten Vorhabens anprangern konnten. Bei der Schlichtung unter Heiner Geißler hat sich im vergangenen Herbst gezeigt, dass der Stuttgarter Oberbürgermeister bei S21 gar nicht in die erste Reihe gehört, sondern "nur" eine Art von Juniorpartner ist. Trotzdem musste er in der Hochphase der Auseinandersetzungen auf den Straßen der Landeshauptstadt für sich Personenschutz in Anspruch nehmen.

Wolfgang Schuster bleibt bei seiner Linie - und schweigt. Zumindest bis zur Landtagswahl am 27.März will er sich nicht weiter äußern. Doch ganz gleich, wie diese Wahlen auch ausgehen - der Oberbürgermeister bleibt für den Rest seiner Amtszeit ein einsamer Mann. Sein Verhältnis zu Stefan Mappus wird sich nicht mehr kitten lassen. Dabei sind beide in vielen Bereichen der Politik aufeinander angewiesen. Beide sind die Verlierer dieser Tage.