Zig Millionen Euro Steuern wurden mal zu viel, mal zu wenig abgeführt. Nach diesen schweren Pannen bekommt das Landesamt für Besoldung nun einen neuen Chef. Er soll die Behörde fit für die digitale Zukunft machen.

Stuttgart - Das von schweren Pannen erschütterte Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) erhält eine neue Spitze. Die bisherige Präsidentin der in Fellbach ansässigen Behörde, Lessli Eismann, kehrt zum Jahresende zurück ins Finanzministerium. Ihren Posten übernimmt Anfang 2019 der Personalchef des Ressorts von Edith Sitzmann (Grüne), Bernd Kraft. Dies wurde am Mittwoch bei einer außerordentlichen Personalversammlung bekannt gegeben. Sitzmann bestätigte den Wechsel am Nachmittag und betonte, das Landesamt solle „zukunftsfähig aufgestellt“ werden.

 

Aus Teilnehmerkreisen verlautete, Eismann habe bei ihrer Abschiedsrede mit den Tränen gekämpft. Dies wurde als Hinweis gedeutet, dass sie nicht auf eigenen Wunsch wechsele. Die Juristin stand seit 2014 an der Spitze der mehr als tausend Mitarbeiter zählenden Behörde, die die Bezüge von etwa 420 000 Beamten, Angestellten und Pensionären des Landes auszahlt. In ihrer Amtszeit wurden die wohl gravierendsten Pannen in der Geschichte des Amtes bekannt.

Schwere Versäumnisse bei der Kontrolle

Das Finanzministerium hatte im vorigen Jahr festgestellt, dass Steuern in Millionenhöhe nicht korrekt abgeführt worden waren. Von 2008 bis 2013 zahlte das LBV fast 96 Millionen Euro zu viel an die Finanzkasse, von 2001 bis 2007 hingegen 141 Millionen Euro zu wenig. Unterm Strich gingen dem Land dadurch wohl 50 Millionen Euro verloren. Eine Untersuchung durch das Finanzministerium ergab Fehler bei der Berechnung der abzuführenden Lohnsteuer als Hauptursache. Haushaltsrechtliche Vorgaben wie das Vier-Augen-Prinzip seien beim LBV nicht beachtet worden. Die fraglichen Konten seien in der Vergangenheit zudem offensichtlich nicht ordnungsgemäß überprüft worden, hieß es aus dem Ministerium.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte von einem „sehr, sehr gravierenden Fall“ gesprochen. Dieser sei geeignet, das Ansehen der Landesverwaltung zu erschüttern. Finanzministerin Sitzmann hatte verschiedene interne Konsequenzen gezogen, aber auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Diese nahm Ermittlungen wegen des Verdachts der schweren Untreue zunächst gegen Unbekannt auf. Später richteten sich diese gegen zwei ehemalige und zwei aktive LBV-Mitarbeiter. Hintergrund ist, dass der folgenschwere Fehler intern wohl schon früher bemerkt und abgestellt worden war, aber nicht gemeldet und offengelegt wurde. Dadurch sollen Ansprüche des Landes verjährt sein. Zum aktuellen Stand des Verfahrens war am Mittwoch zunächst nichts zu erfahren.

IT-Systeme werdeb aufgerüstet

Das Finanzministerium stellte in einer Pressemitteilung keinen direkten Zusammenhang zwischen den Pannen und dem Führungswechsel her. Es gehe darum, die Behörde „fit für die Zukunft“ zu machen, sagte Sitzmann – mit einer stärkeren Digitalisierung, einer personellen Stärkung und einer weiterentwickelten Organisation. Zu dieser Neuausrichtung, die Veränderungen und Umstellungen mit sich bringe, gehöre auch „eine personelle Neuausrichtung“, ergänzte eine Sprecherin. Ein neues, leistungsfähigeres IT-System solle Fehlzahlungen bei Steuern vermeiden. Auch bei der Beihilfe, wo noch 70 Prozent der Anträge in Papierform eingingen, werde ein umfassendes Software-System eingeführt. Man wolle die Bearbeitung und den Service verbessern. Zuletzt hatten sich Klagen über lange Wartezeiten und die telefonische Erreichbarkeit gemehrt. Mit dem Nachtragshaushalt hatte das Landesamt 30 zusätzliche Stellen erhalten, vor allem für IT-Experten.

Neuer Chef mit Digital-Expertise

Die Arbeit der bisherigen LBV-Chefin Eismann (Jahrgang 1959) wurde in der Mitteilung nicht ausdrücklich gewürdigt. Sie leitet im Finanzministerium künftig eine zentrale Stelle, die Umstellungen bei der Umsatzsteuer begleiten soll. Vom Landesamt selbst war keine Stellungnahme zu erhalten. Dem neuen Behördenchef Bernd Kraft (Jahrgang 1963), einem promovierten Juristen, bescheinigte das Ministerium, er sei erfahren bei der Einführung digitaler Prozesse.