Mal wurden zig Millionen Euro zu viel, mal zu wenig gezahlt: „sehr, sehr gravierend“ findet Ministerpräsident Kretschmann die Pannen beim Besoldungsamt. Der Ruf der Verwaltung stehe auf dem Spiel.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Nach den Millionenpannen beim Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) sorgt sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) um das Ansehen der baden-württembergischen Verwaltung. Die Vorgänge um falsch abgeführte Steuern in Millionenhöhe passten „schlecht“ zum bisher guten Ruf der Behörden, sagte Kretschmann. Über den „sehr, sehr gravierenden Fall“ habe Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) im Kabinett berichtet. Neben dem Fehlverhalten einzelner Personen gelte es nun auch die Strukturen zu untersuchen, damit sich Derartiges nicht wiederholen könne.

 

Die für die Landesbediensteten zuständige Behörde hatte zunächst gut 140 Millionen Euro Steuern zu wenig, später dann gut 95 Millionen Euro zu viel abgeführt. Weil der 2013 entdeckte Fehler nicht weitergemeldet wurde und Ansprüche verjährten, dürften dem Land dauerhaft mehr als 50 Millionen Euro verloren gehen. Die von Sitzmann informierte Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen des Verdachts der schweren Untreue gegen unbekannt.

Steuerzahler vermissen Kontrolle

Der Bund der Steuerzahler warf unterdessen die Frage auf, ob aus einer früheren Millionenpanne beim Landesamt ausreichende Konsequenzen gezogen worden seien. In der Denkschrift 2014 hatte der Landesrechnungshof berichtet, dass die Behörde es in zahlreichen Fällen versäumt habe, bei einem Wechsel von Beamten frühere Dienstherren an den Pensionsausgaben zu beteiligen. Infolge der Prüfung hätten 13 Millionen Euro gerettet werden können, zwei Millionen seien verloren gewesen. „Man hätte eigentlich erwarten können, dass das Landesamt seither unter besonderer Beobachtung des Finanzministeriums stand“, sagte der Landeschef des Steuerzahlerbunds, Zenon Bilaniuk. In der gleichen Denkschrift habe der Rechnungshof festgestellt, dass die Behörde keineswegs unterbesetzt sei, sondern beim Personal erheblich gespart werden könne. Ein Sprecher von Finanzministerin Sitzmann sagte, man habe den betroffenen Bereich damals neu organisiert.

Schulung für Steuerberater im Visier

Nach Auskunft des Landes wurden derweil „personalrechtliche Schritte“ gegen Beamte der Oberfinanzdirektion Karlsruhe und Professoren der Beamtenhochschule Ludwigsburg eingeleitet. Erst jetzt habe man erfahren, dass diese Gesellschafter einer Firma sind, die Steuerberater schult, hieß es auf Anfrage der Landtags-FDP. Dafür sei keine Genehmigung beantragt worden. Zugleich rügt das Finanzministerium einen „Interessenkonflikt“, weil die Firma mit der Diskrepanz zwischen dem geschriebenen und dem praktischen Steuerrecht werbe. Dies widerspreche einer Vorgabe für solche Nebenjobs. Zwischen der Beamtenhochschule und dem Landesamt für Besoldung gibt es viele Verflechtungen. So sitzt die Behördenchefin in Ludwigsburg im Hochschulrat. Bei den rechtswidrigen Zulagen hatten sich Professoren auf eine angebliche Auskunft des LBV berufen.