„Upskirting“ galt lange als Ordnungswidrigkeit. Dank einer Initiative aus Ludwigsburg ist das Fotografieren nun strafbar. Das hat der Bundestag am Freitagmorgen beschlossen.

Stuttgart - Wenn eine Frau mit einem Rock in einer vollen Bahn steht, muss sie fürchten, dass womöglich jemand ungewollt eine Kamera darunter hält, ein Foto schießt und es verbreitet. Wer sogenanntes Upskirting betreibt, macht sich aber in Zukunft strafbar: Der Bundestag beschloss am frühen Freitagmorgen ein Gesetz, das eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vorsieht. Gelten soll es voraussichtlich ab dem Herbst. Das Gesetz geht auf eine Initiative aus Baden-Württemberg zurück.

 

„Einer Frau unter den Rock oder in den Ausschnitt zu fotografieren, ist eine schamlose Verletzung ihrer Intimsphäre“, sagt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Solche Grenzüberschreitungen seien nicht hinnehmbar.

„Diese Aufnahmen sind demütigende Eingriffe in die Intimsphäre und werden nun strafrechtlich verfolgt“, sagte Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU). Die betroffenen Frauen würden auf diese Weise als bloßes Objekt der Begierde herabgewürdigt. „Noch schlimmer ist es, wenn in der Folge solche Aufnahmen regelmäßig über das Internet einem unbegrenzten Kreis von Personen zugänglich gemacht werden.“ Die Strafbarkeitslücke sei nun geschlossen.

Upskirting in großen Menschenmengen

Vor allem in großen Menschenmengen finde Upskirting statt, sagt Nils Pickert von der feministischen Organisation Pinkstinks - in Bus und Bahn, auf Festivals, in Clubs und Bars. „Es gibt Leute, die verteilen winzige Kameras auf öffentlichen Toiletten, um damit Frauen abzufilmen.“ Die Fotos seien oft für den persönlichen Gebrauch - würden aber auch häufig mit Bekannten oder im Internet geteilt.

Neben dem Upskirting sei auch das sogenannte Downblousing weit verbreitet, sagt Pickert - das heimliche Fotografieren in den Ausschnitt. „Zum Beispiel wenn ich Ihnen auf einer gegenläufigen Rolltreppe entgegenkomme, so tue, als würde ich auf meinem Handy etwas lesen, in Wahrheit aber Ihre Brust fotografiere oder filme.“

Hanna Seidel aus Ludwigsburg bei Stuttgart freut sich über das neue Gesetz. „Das ist ein ganz großes Symbol für Justiz, Politik und Gesellschaft. Die Symbolkraft sollte nicht unterschätzt werden.“ Es sei wichtig zu zeigen, dass nicht erst bei Berührungen in die sexuelle Selbstbestimmung eingegriffen werde. Die 29-Jährige hatte zusammen mit Ida Marie Sassenberg aus München mit der Petition „Verbietet Upskirting in Deutschland!“ die Debatte über das Thema in Gang gebracht. Mehr als 100 000 Unterzeichner schlossen sich an.

Kein Kavaliersdelikt

Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und das Saarland nahmen sich des Themas an und starteten eine Gesetzesinitiative im Bundesrat. Seidel sagt, das Gesetz löse nicht gänzlich das Problem: „In der Gesellschaft muss noch viel passieren. Aber es ist ein richtiger und sehr wichtiger Schritt.“

Das findet Pickert auch. Das Fotografieren von insbesondere Frauen im öffentlichen Raum gegen ihren Willen sei kein Kavaliersdelikt: „Es ist übergriffig, es ist eine Form von sexualisierter Gewalt und so sollte man damit auch umgehen.“ Zwar sei grundsätzlich immer die Frage, ob Strafen Menschen davon abhielten, etwas zu tun. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass es Upskirting und Downblousing immer noch geben wird.“ Das Gesetz aber sei richtig: Sexualisierte Gewalt müsse als Thema ernst genommen werden und genau das müsse sich auch im Strafmaß widerspiegeln.

Die Essener Rechtsanwältin Jenny Lederer sieht das Gesetz hingegen kritisch. „Es gibt keine validen Zahlen, wie häufig dieses Problem vorkommt. Deshalb hat das Gesetz aus meiner Sicht nur Symbolcharakter.“ Natürlich sei es unangemessen und ungehörig, heimlich fotografiert zu werden und die Gesellschaft müsse sensibilisiert werden, sagt die Fachanwältin für Strafrecht. Ein einzelnes Phänomen aber zielgerichtet als Straftatbestand auszugestalten, sei problematisch: „Strafrecht muss wirklich das letzte Mittel sein, um auf etwas Unerwünschtes zu reagieren. Das ist wirklich ein scharfes Schwert, um mit dem Problem umzugehen.“

Schrecken härtere Strafen ab?

Lederers Meinung nach hätte es ausgereicht, Upskirting weiter als Ordnungswidrigkeit zu führen - die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. „Es ist aus meiner Sicht der falsche Weg, darauf mit Strafrecht zu reagieren.“ Auch ob die härteren Strafen abschreckend wirken, sei fraglich, meint Lederer und sieht große Beweisprobleme. „Aus meiner Sicht ist das Problem nicht gelöst.“

Nicht nur, wer heimlich intime Fotos von Frauen macht, wird künftig härter bestraft - ebenso, wer tote Unfallopfer fotografiert. Wer schwer verletzte Unfallopfer oder gar Tote aus reiner Sensationsgier fotografiert, verletze jeden menschlichen Anstand, sagt Ministerin Lambrecht. „Oft werden dabei auch noch Rettungskräfte behindert, die alles tun, um Leben zu retten.“ Bislang ist das Fotografieren von Toten nicht strafbar. „Diese Lücke schließen wir jetzt. Den Angehörigen müssen wir das zusätzliche Leid ersparen, dass Bilder ihrer verstorbenen Eltern oder Kinder auch noch verbreitet werden.“