Eine Attraktion im Europapark Rust erntet Kritik: Die Dschungel-Floßfahrt soll rassistische Stereotype verbreiten. Ein Einzelfall ist das nicht, wie zahlreiche Beispiele zeigen.
Stuttgart/Rust - Als Heiko Wegmann vor einigen Tagen einen Blick in die Zeitung wirft, ist er verwundert. Der Freiburger Historiker und Kolonialismus-Experte liest einen Text, der die Rassismus-Kritik an einem Fahrgeschäft im Europapark Rust thematisiert. „Bereits vor Jahren haben wir diese Attraktion infrage gestellt, jetzt ist tatsächlich etwas passiert“, sagt Wegmann.
Wie von uns berichtet, steht die Dschungel-Floßfahrt des Freizeitparks wegen des Vorwurfs in der Kritik, die Attraktion bediene rassistische, koloniale Stereotype. „Afrika wird wieder einmal als ländliches Abenteuerland dargestellt“, erklärt Wegmann. „Viel Natur und weiße Kolonialisten-Figuren, zu denen Schwarze ehrerbietig aufsehen.“ Ein Einzelfall?
Die Kongo-Ne**r aus Emmendingen
Nein, sagt der Ethnologe Antony Pattathu von der Universität Tübingen. Ähnlich gelagerte Fälle rückten zunehmend in das Licht der Öffentlichkeit, unter anderem, weil sich mehr Menschen mit dem Thema Kolonialismus und dem damit einhergehenden Rassismus auseinandersetzten. Zwar könnten die Stimmen der Betroffenen heute nicht mehr so leicht ignoriert werden, so Pattathu.
Trotzdem: „In manchen Kirchen gab es zum Beispiel lange Zeit schwarze Figuren, die sich bedankt haben, wenn man Geld hineinwirft, zum Teil findet man diese leider heute noch.“ In Restaurants oder Geschäften könne man weiterhin hier und da Darstellungen von Schwarzen mit schwulstigen Lippen und schielenden Augen sehen, schildert der Ethnologe. „Hier werden eindeutig rassistische Stereotype schwarzer Menschen aus der Kolonialzeit reproduziert.“
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Auf der Südwest Messe in Villingen-Schwenningen gibt es das „afrikanische Dorf“, ergänzt Wegmann. „Oder in Emmendingen hält eine traditionsreiche Karnevalsgruppe weiter an ihrem Namen Kongo-Ne**r und den dazugehörigen Kostümen fest.“ Die Beispiele lassen sich beliebig weiterführen – auch über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus.
„Dort wird 0,0 Problembewusstsein gezeigt“
Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland nennt etwa einen Freizeitpark in Sachsen-Anhalt. In der dortigen „Kongo-Bongo-Gebimmelbahn“ stehen mitunter halbnackte Schwarze, die einen Weißen kochen. „Dort wird 0,0 Problembewusstsein gezeigt“, sagt Della. „Wir erleben in Deutschland eine geringe Sensibilität, was das Thema Kolonialismus angeht.“
Klar gebe es auch positive Beispiele: Die aktuelle Bundesregierung habe sich etwa in ihrem Koalitionsvertrag erstmals zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes in Deutschland bekannt, in Stuttgart setze man sich derzeit kritisch mit dem Begriff „Mohr“ auseinander. Und auch die Reaktion des Europaparks, sprich die Neugestaltung der umstrittenen Attraktion, finden Della, Pattathu und Wegmann in erster Linie gut.
Europapark reagiert auf die Kritik
Deutschlands größter Freizeitpark hatte auf Anfrage unserer Redaktion Verständnis für die Kritik geäußert, bereits einzelne Teile der Anlage abgeändert und angekündigt, die Attraktion komplett umbauen zu wollen. Dabei sei die Neugestaltung aber nicht ausschließlich auf die aktuelle Debatte zurückzuführen, sondern bereits „seit einiger Zeit“ geplant gewesen. Die Attraktion solle zudem „künftig nicht mehr auf dem afrikanischen Kontinent angesiedelt sein“.
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Attraktion mit Afrika-Fokus weg, also alles gut? Tahir Della äußert Bedenken: „Man sollte die problematischen Stellen nicht einfach verschwinden lassen.“ Um mehr für das Thema Kolonialismus zu sensibilisieren, sei zum Beispiel eine Infotafel an der neuen Attraktion möglich. Dort könne beschrieben werden, warum etwas geändert wurde, sagt Della. Sprecher des Europaparks wollen sich auf Nachfrage nicht näher zu dem Vorschlag äußern. Die Umgestaltung der Attraktion soll Anfang kommenden Jahres beginnen.