Der künftige Kultusminister Andreas Stoch ist bisher nicht als Bildungsexperte hervorgetreten. Doch die grün-rote Koalition verlangt von ihm kein Detailwissen – das kann er sich aneignen –, sondern politischen Takt und vor allem Durchsetzungsfähigkeit.

Stuttgart - Nach langem Anlauf geht am Ende alles ganz schnell. Am ersten Arbeitstag nach den Weihnachtsferien trommelt der SPD-Landeschef Nils Schmid die Parteispitze zusammen, informiert den Ministerpräsidenten – und das politische Schicksal von Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer ist besiegelt. Nun sitzt Schmid zusammen mit SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel im Mosersaal des Stuttgarter Landtags und präsentiert den Mann, der die grün-rote Bildungspolitik aus der seit Monaten anhaltenden Dauerkritik holen soll: Andreas Stoch, 43, Rechtsanwalt aus Heidenheim an der Brenz. Der künftige Kultusminister ist Vater von vier Kindern im Alter zwischen sieben und 13 Jahren.

 

Darin erschöpft sich allerdings auch schon weitgehend seine bildungspolitische Erfahrung. Schon mäkelt die CDU, Stochs Kinder besuchten die Waldorfschule, was ein bezeichnendes Licht darauf werfe, welchen Stellenwert der künftige Schulminister dem staatlichen Schulwesen beimesse. Der Gescholtene erwidert leicht genervt, sein Nachwuchs sei eingeschult worden, als in den Schulen noch nach schwarz-gelben Vorgaben sortiert worden sei.

Einfach wird das also nicht in dem neuen Amt. Stoch weiß das. Nur ganz kurz, beim Platznehmen, gönnt er sich ein Lächeln, das ansatzweise Stolz und Freude verrät. Dann fixiert er mit zusammengekniffenen Augen einen imaginären Punkt am anderen Ende des Saales, als suche er dort Antwort auf die Frage, was ihm die Zukunft wohl bringen mag: einen Höllenritt ins politische Verderben oder einen festen Platz in der vordersten Reihe der Landespolitik. „Hast du dir auch genau überlegt, was du dir da antust?“ So habe seine Frau auf die Botschaft von der neuen Aufgabe reagiert.

Stoch verfügt über keine Verwaltungserfahrung

Derweil versuchen Schmid und Schmiedel zu erklären, weshalb die Kultusministerin, die noch vor wenigen Wochen im Landtag einen Entlassungsantrag der Opposition überstanden hat, nun doch gehen muss. Sie habe allen politischen Rückhalt verloren, sagt der Parteichef. Nicht nur den der Fraktion, ergänzt der Fraktionschef, sondern auch den der „gesellschaftlichen Kräfte“. Gemeint sind damit vor allem die Lehrerverbände, aber auch die Kommunen, auf welche die grün-rote Koalition bei der Umsetzung ihrer zahlreichen Reformvorhaben dringend angewiesen ist.

Schon vor Weihnachten war in Landesparteichef Schmid die Erkenntnis gereift, dass es so nicht weitergehen kann. Zu diesem Zeitpunkt ventilierte auch Stoch bereits die Frage, ob er die Nachfolge der erkennbar gescheiterten Kultusministerin antreten solle. Als parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion war er über die schier ausweglose Lage Warminski-Leitheußers ganz gut im Bild. Zudem trat er immer vehementer selbst als ihr Kritiker hervor. Auf die Ministerin angesprochen, trübten sich seine Gesichtszüge regelmäßig ein. Das mahnende „So darf es nicht mehr weitergehen“ verwandelte sich in ein definitives „So geht es nicht mehr weiter“. Kritiker sagen, Stoch habe sich den Weg fürs eigene Fortkommen frei geschossen. Er bestreitet das.

Es ist ja nicht nur so, dass Stoch bisher kaum Gelegenheit gehabt hat, als Bildungsexperte hervorzutreten. Er verfügt auch über keinerlei Verwaltungserfahrung. Doch Stoch kann mit anderen Vorzügen punkten: Er ist in der Landtags-SPD fest verankert, und er hat sich in den Reihen der Opposition Respekt erworben. Er gilt als guter Analytiker, der es auch schafft, um zwei Ecken herum zu denken. Außerdem zählt er zu dem eher raren Typus von Politikern, die für den langfristigen Erfolg auch einmal auf die schnelle Schlagzeile verzichten.

Deutlicher kann die Kritik an der Vorgängerin kaum ausfallen

Bei der Pressekonferenz versucht Stoch deutlich zu machen, was sich künftig ändern soll in der Schulpolitik. Die grün-roten Reformvorhaben stehen nicht zur Disposition. Aber die Umsetzung soll besser werden – „das Handwerkliche“. Im Kultusministerium solle „jeder Mitarbeiter das Gefühl haben, dass er in die Entscheidungsabläufe einbezogen“ werde. Kurzum: als „Teamplayer“ wolle er auftreten. In der Bevölkerung erkennt er einen „großen Rückhalt für die bildungspolitischen Ziele“ der Landesregierung. Nur müsse man diese Politik auch „verstehbar und akzeptabel machen, so dass sie auch als richtig empfunden wird“. Wenn bei den Betroffenen das Gefühl entstehe, „dass sie nicht oder nur am Rande wahrgenommen werden, dann entsteht ein gewisser Unwille.“

Deutlicher kann die Kritik an der Vorgängerin kaum ausfallen. Doch ob ein Plus an Sozialkompetenz ausreicht für einen Klimawechsel in der Bildungspolitik, steht dahin. Die Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann erwartet vom neuen Minister Durchsetzungskraft und einen „klaren Plan“. Misslich für Stoch: am Lehrerstellenabbau wird nicht gerüttelt. 11 600 Stellen sollen bis zum Jahr 2020 wegfallen. „Da gibt es nichts Neues unter der Sonne“, sagt SPD-Landeschef Schmid, der ja auch Finanzminister ist.

Stoch geht also durchaus ein Risiko ein, doch locken auch Chancen. Gelingt es ihm, Stringenz und auch Akzeptanz in die grün-rote Schulpolitik zu bringen, wird ihm seine Partei nicht nur Dankeshymnen singen, er steigt dann auch zu einem Machtfaktor in der Landes-SPD auf, an dem niemand mehr so schnell vorbeikommt. Versemmelt er seine Chance, bleibt also die Schulpolitik der Schwachpunkt der Koalition, dann wird nicht nur seine politische Karriere abrupt enden, sondern womöglich die grün-rote Regierung nach der nächsten Landtagswahl. Am Ende der Pressekonferenz spricht sich der künftige Schulminister Mut zu: „Das ist keine Aufgabe, vor der man weglaufen muss.“