Die ehemalige Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheusser ist über die Umsetzung der Reformen gestürzt. Ihr Nachfolger Andreas Stoch setzt auf den Sachverstand der Ministerialen.

Stuttgart - Bildungsgerechtigkeit ist die alte und – wie der designierte Kultusminister Andreas Stoch sagt – auch die neue Überschrift über allen Reformen der grün-roten Landesregierung. Am Ende soll das baden-württembergische Schulsystem auf zwei Säulen stehen: die eine ist das Gymnasium, die andere könnte die Gemeinschaftsschule werden. Das Ziel ist anspruchsvoll und der Weg dorthin voller Tücken. Auch wenn die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer gescheitert ist, kann man ihr doch keinesfalls Untätigkeit vorwerfen. Unter ihrer Führung wurde die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft, Eltern können nun frei wählen, auf welche weiterführende Schule sie ihre Kinder schicken. Das längere gemeinsame Lernen ist für die Gemeinschaftsschulen Programm. Die ersten 42 haben im Herbst 2012 offiziell ihre Arbeit aufgenommen, 120 weitere warten in diesen Tagen auf ihre Genehmigung.

 

Die Ansätze werden von breiten Schichten in der Bevölkerung geteilt, das hat die SPD erst am Montag bei der Präsentation von Andreas Stoch erneut betont. Doch Warminski-Leitheußer ist an der Umsetzung der Reformen gescheitert. Auf jeder der zahlreichen bildungspolitischen Baustellen gab es handwerkliche Fehler zu bemängeln. Die Ministerin wirkte überfordert und häufig nicht gerade umfassend informiert.

Bei der symbolträchtigen Abschaffung der Grundschulempfehlung wurden die Auswirkungen auf die weiterführenden Schulen entweder nicht bedacht, oder Warnungen aus der Verwaltung wurden missachtet. Die freie Schulwahl hat den Werkrealschulen so schnell das Wasser abgegraben, dass die Schulverwaltung mit der Lehrerzuweisung nicht mehr hinterherkam und beispielsweise an den Realschulen die Versorgung knapp wurde.

Ein Thema kam vollkommen zu kurz

Nach welchen Kriterien die künftigen Gemeinschaftsschulen genehmigt werden, blieb lange im Verborgenen. Inzwischen haben die Kommunen und das Ministerium ein mehrstufiges Verfahren für Zweifelsfälle ausgetüftelt, das durchaus noch Verbesserungspotenzial birgt. Der Ganztagsbetrieb, der für alle Schularten angestrebt wird, könnte in absehbarer Zeit allenfalls schrittweise an den Grundschulen Wirklichkeit werden.

Vor lauter Reformeifer kam ein großes Thema vollkommen zu kurz. Der gemeinsame Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern in den Regelschulen, die Inklusion, bleibt ein Wunschziel. Faktisch hat sich nichts getan.

Stolpersteine gab es bisher schon genug, sie bleiben aber auch eine Herausforderung für ihren Nachfolger. Gestürzt ist Warminski-Leitheußer über ihr Verhältnis zu den Betroffenen und zu ihren Mitarbeitern. Die Kultusministerin mit der kommunalen Erfahrung hat ausgerechnet mit den Vertretern von Städte- und Gemeindetag keine Basis gefunden, auf der das sensible Thema Entwicklung der Schullandschaft hätte zufriedenstellend geklärt werden können. Die unpopuläre Aufgabe, Schulen zu schließen, bleibt. Das Geld wird nicht mehr, nur weil es bald einen neuen Kultusminister gibt, darauf hat der Finanzminister Nils Schmid kühl hingewiesen.

Unpopuläre Aufgaben bleiben

Sie habe Bildungspolitik eher für den Finanzminister gemacht als für die Betroffenen, wird Warminski-Leitheußer vorgeworfen. Dass in den nächsten Jahren Tausende von Lehrerstellen gestrichen werden, wird ihr als Schwäche ausgelegt. Mit den Eltern und Lehrern hat sie es sich so verdorben.

In der Kultusverwaltung ist sie zudem nie richtig angekommen. Sie installierte neue Stabsstellen, ein „Raumschiff“ im Haus, wie es Mitarbeiter nannten, und verschmähte offenbar den Sachverstand der Ministerialen. Daraus hat ihr Nachfolger gelernt. „Ich gehe nicht mit Misstrauen an das Haus heran“, sagt Andreas Stoch. Er wolle den Sachverstand zum Nutzen Baden-Württembergs einsetzen.