Die SPD braucht wohl Zeit, sich mit der neuen Koalitionsperspektive anzufreunden. Doch schon werden in ihren Reihen umfangreiche Forderungen für einen Koalitionsvertrag aufgestellt.

Berlin - Führende CDU-Politiker wollen die SPD bei einer möglichen Neuauflage der großen Koalition nicht unter Zeitdruck setzen. Sie gehen daher davon aus, dass Verhandlungen frühestens im neuen Jahr beginnen können. Unterdessen gibt es bereits Streit um Forderungen aus der SPD für eine künftige Steuer-, Sozial- und Gesundheitspolitik in einer neuerlichen schwarz-roten Koalition.

 

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner sagte am Montag im ARD-„Morgenmagazin“, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. Aber im neuen Jahr „sollte es überall grünes Licht geben, dass man über eine Koalition verhandelt“. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warb dafür, die SPD nicht unter Zeitdruck zu setzen. „Aber dann brauchen wir schnell eine Regierung“, sagte er in der „Bild“-Sendung „Die richtigen Fragen“. Die SPD habe sich zu früh falsch festgelegt und versuche nun einen Weg zu finden, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Neue Gespräche im Schloss Bellevue

SPD-Vize Ralf Stegner warb seinerseits um mehr Zeit. Klar sei aber auch: „Wir können nicht bis Ostern warten“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“. Er bekräftigte, seine Partei werde nur mit der Union koalieren, wenn gewisse Bedingungen erfüllt würden. „Wir verkaufen nicht einfach unsere Inhalte und am Ende entscheiden bei uns die Mitglieder“, unterstrich Stegner. Vor allem die Jusos hatten sich als „Bollwerk gegen große Koalitionen“ positioniert.

Um nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen einen Ausweg aus der politischen Hängepartie zu suchen, hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Montag eine neue Runde von Gesprächen mit Spitzenpolitikern anberaumt. Geplant waren Treffen mit den Fraktionschefs von Grünen, Union und Linkspartei. Für Donnerstag hat Steinmeier Bundeskanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer ins Schloss Bellevue eingeladen.

Die ausgehandelten Inhalte und Kompromisse der gescheiterten Jamaika-Gespräche sind nach Klöckners Worten nicht brauchbar für mögliche Sondierungsgespräche mit der SPD. „Wir gehen zurück und wir werden sicherlich auf beiden Seiten unser Wahlprogramm als Grundlage nehmen“, sagte sie.

Nordrhein-westfälische SPD formuliert Kernforderungen

Die nordrhein-westfälische SPD formulierte für mögliche Sondierungsgespräche Kernforderungen an die Parteispitze. Dazu gehörten „eine paritätisch finanzierte Bürgerversicherung“ und eine Rentenreform mit dem Ziel, das Rentenniveau zu sichern und perspektivisch auf rund 50 Prozent anzuheben, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ (Montag) aus einem Brief des mitgliederstärksten Landesverbands an Parteichef Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles.

Gefordert werde zudem eine Reform der Einkommensteuer, „die untere und mittlere Einkommen sowie Familien entlastet und zugleich aufkommensneutral ist“. Mit einer „deutlich höheren“ Besteuerung besonders hoher Vermögen solle ein Investitionsprogramm in zweistelliger Milliardenhöhe „für die Bereiche Bildung, Kommunen und Wohnen“ finanziert werden.

Große Koalition?

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sagte im Deutschlandfunk, ihn irritiere, „dass scheinbar nur CDU/CSU regieren wollen in diesem Land“. Die CDU sei bereit zu Gesprächen mit der SPD. Der erste Schritt sei jetzt, ernsthaft über eine große Koalition zu reden. „Das heißt auch, dass niemand Forderungen aufbaut, die der andere nicht erfüllen kann. Wenn das nicht geht, muss man auch über andere Optionen reden.“

Auch Klöckner sagte: „Es wäre nicht gut, wenn wir uns jetzt öffentlich rote Linien vor die Füße kippen.“ Paul Ziemiak, Vorsitzender der Jungen Union, hält die große Koalition nicht für die einzige Option. „Scheitern die Gespräche, müssen wir so schnell wie möglich eine Minderheitsregierung anstreben“, sagte er im SWR.