Nach Skandalvideo in Backnanger Metzgerei Welche Mitschuld trägt das Veterinäramt?

Auf Missstände bei der Schweineschlachtung soll das Unternehmen reagiert haben, bei der Rinderverarbeitung nicht im ausreichenden Maß. Foto: dpa/Patrick Pleul

Landrat und Dezernent äußern sich vor Kreisräten zu Vorwürfen im Zusammenhang mit mutmaßlichen Missständen im Schlachtbetrieb der Backnanger Metzgerei Kühnle.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Knapp einen Monat nach der Enthüllung mutmaßlicher Missstände im Schlachthof der Backnanger Metzgerei Kühnle durch einen Bericht der ARD-Fernsehsendung Report hat der für das Veterinäramt des Rems-Murr-Kreises zuständige Dezernent Gerd Holzwarth Stellung zu möglichen Versäumnissen seiner Behörde bezogen. Vor Kreisräten im Ausschuss für Umwelt und Verkehr im Waiblinger Bürgerzentrum trat Holzwarth Unterstellungen entgegen, das Kreisveterinäramt habe seine Kontrollfunktion nicht wahrgenommen oder gar beide Augen zugedrückt.

 

Mängel seit Jahren bekannt

Demnach seien dem Kreisveterinäramt Mängel im Schlachthof nicht nur „seit Jahren bekannt“ gewesen, man habe deren Behebung auch eingefordert. Das Unternehmen habe darauf allerdings nur zögerlich reagiert. Während die Schweineschlachtung nach den behördlichen Vorgaben mittlerweile „deutlich“ verbessert worden sei, müsse die Rinderverarbeitung auch zuletzt noch als „mangelhaft“ bezeichnet werden, so die Einschätzung des Dezernenten.

Man habe nicht tatenlos zugesehen, wie Vorgaben oder Anordnungen nicht oder nur unzureichend umgesetzt wurden, so Holzwarth, allerdings sei man nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel in einem „gestuften Verwaltungsverfahren“ vorgegangen. Bereits „lange vor den Medienberichten“ seien in diesem Rahmen Zwangsgelder festgesetzt worden, betont der Dezernent. Und: „Eine Teilschließung wäre der nächste Schritt gewesen“ – angekündigt worden sei diese ebenfalls bereits vor der Veröffentlichung des Medienberichts.

Der Report-Bericht stützt sich im Wesentlichen auf heimliche Videoaufnahmen des Münchener Vereins Soko Tierschutz von Mai und Juli dieses Jahres. In Ausschnitten sind unter anderem Rinder zu sehen, die offenbar nach ihrer Betäubung noch Abwehrreaktionen zeigen. Zudem ist ein Mann zu sehen – mutmaßlich ein Veterinär des Landratsamts –, der Schlachthofmitarbeiter beim Eintreiben der Tiere unterstützt und damit seine neutrale Kontrollfunktion missachtet.

Örtliche Kreisräte wie Willi Härtner (Grüne) berichten, dass ihnen von mehreren Seiten zugetragen werde, dass in Sachen Schlachthof schlicht „das Veterinäramt gepennt“ habe. Die Metzgerei habe bis dato in Backnang keinen schlechten Ruf genossen, nun sei die Kontrollbehörde in eine Zwickmühle geraten und riskiere, ein gerade in diesem Bereich wichtiges Stück Regionalität zu verlieren. Aber auch von etwaigen Verquickungen oder gar Mauscheleien mit dem Amt sei gerüchteweise die Rede.

Der Landrat Richard Sigel mahnt hingegen dazu, fair mit den handelnden Personen umzugehen. Man werde sich die Sache „objektiv anschauen“, sagt der Verwaltungschef, aber nicht den derzeit laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vorgreifen. Gleichwohl räumt sein Dezernent ein, dass ein nicht näher definierter Behördenmitarbeiter in diesem Zusammenhang bereits eine schriftliche Ermahnung erhalten habe. Muss sich aber nicht die Behörde an sich den Vorwurf gefallen lassen, zu zögerlich Konsequenzen ergriffen zu haben? Auch der Landrat verweist auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel: „Wir können einen Betrieb nicht einfach gleich zumachen.“

Augenmerk auf 29 kleinere Schlachtbetriebe

Während die Metzgerei Kühnle den Betrieb nun mindestens bis Februar kommenden Jahres freiwillig ruhen lassen will, bis eigenen Angaben zufolge schon vor Veröffentlichung des Videos geplante bauliche Veränderungen im Schlachthof umgesetzt sind, ist der Blick des Veterinäramtes jetzt verstärkt auf die übrigen Schlachtbetriebe im Landkreis gerichtet. Man werde den 29 zumeist kleineren Betriebe ein Angebot zur Beratung machen, sagt Gerd Holzwarth – und in nächster Zeit auch verstärkt Kontrollen durchführen.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Backnang Schlachthof Rems-Murr-Kreis