Frankreichs Premier Manuel Valls geht davon aus, dass die IS-Terrormiliz bereits neue Anschläge in Europa plant. Unterdessen wurde bekannt, dass der Hintermann der Terroristen von Paris ein belgischer Dschihadist sein soll.

Paris/Berlin - Frankreich hat vor neuen, womöglich unmittelbar bevorstehenden Terrorakten des Islamischen Staats in Europa gewarnt. Die Terrormiliz bereitet nach den Worten von Premierminister Manuel Valls weitere Anschläge vor. Er könne Attentate in den kommenden Tagen oder Wochen nicht ausschließen, sagte Valls am Montagmorgen dem Sender RTL. Die Attentate in Paris seien von Syrien aus „organisiert“ und „geplant“ worden. Der Drahtzieher soll nach Medienberichten der belgische Dschihadist Abdelhamid Abaaoud sein. Der meistgesuchte Islamist Belgiens soll nach Medienberichten mindestens einen, wenn nicht zwei der Selbstmordattentäter gut gekannt haben.

 

Bei der minutiös geplanten Terrorserie am Freitagabend waren mindestens 129 Menschen getötet und über 350 verletzt worden. Zumindest ein Verdächtiger soll noch auf der Flucht sein. Die belgische Justiz hatte den 26-Jährigen international zur Fahndung ausgeschrieben. Befürchtet wird, dass eine ganze Gruppe abgetaucht sein könnte.

Ein Attentäter war bereits unter Verdacht

Einer der Selbstmordattentäter aus dem Rockclub „Bataclan“ stand schon einmal wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung unter Verdacht. Gegen Samy Amimour wurde wegen einer versuchten Reise in den Jemen 2012 ermittelt, teilte die Pariser Staatsanwaltschaft am Montag mit. Insgesamt sind damit nun fünf Terroristen identifiziert.

Valls sagte bei RTL: „Wir wissen, dass Operationen vorbereitet wurden und noch vorbereitet werden, nicht nur gegen Frankreich, sondern auch gegen andere europäische Länder.“ Er bekräftigte, Frankreich wolle den IS zerstören. Die französische Luftwaffe hatte die Terrormiliz am Sonntag in deren syrischer Hochburg Al-Rakka massiv angegriffen.

Der Islamist Abaaoud soll sich zuletzt in Syrien aufgehalten haben, berichtete die belgische Tageszeitung „De Standaard“ am Montag unter Berufung auf belgische Sicherheitsdienste. Der Sender RTL meldete ohne Angabe von Quellen, Ermittler hätten Abaaoud als Drahtzieher identifiziert. Früher lebte er in dem als Islamistenhochburg bekannten Brüsseler Stadtteil Molenbeek. Er soll auch Hintermann einer Terrorzelle gewesen sein, die in Belgien Anschläge gegen Polizisten plante. Bei einem Großeinsatz gegen die Gruppe im ostbelgischen Vervier waren im Januar zwei mutmaßliche Dschihadisten getötet worden.

Polizei durchsucht mehr als 150 Häuser

In einem landesweiten Anti-Terror-Einsatz durchsuchte die französische Polizei über 150 Häuser. Dabei nahmen die Ermittler mehrere Personen fest und sicherten Waffen. Bei einer Razzia in Lyon fand die Polizei unter anderem einen Raketenwerfer. Bei dem Einsatz dort in der Nacht auf Montag wurden fünf Personen festgenommen. Diese und andere Präventivmaßnahmen sollen aber nicht in direktem Zusammenhang mit den Terroranschlägen in Paris stehen.

In Frankreich sollen Moscheen und radikale Vereinigungen geschlossen werden, in denen „gegen die Werte der Republik verstoßen“ wird. Valls sagte bei RTL: „Wir handeln an allen Fronten mit der größten Entschlossenheit.

In einer bislang nicht verifizierten Erklärung hatte sich allem Anschein nach der IS zu den Anschlägen in Paris bekannt. Drei Terrorkommandos hatten nahezu gleichzeitig zugeschlagen: Sie schossen wahllos auf Menschen in Restaurants und im Konzertsaal „Bataclan“ oder sprengten sich während des Länderspiels Frankreich gegen Deutschland in der Nähe des Stade de France in die Luft.

Mindestens ein Deutscher unter den Opfern

Unter den Toten der Terrorserie ist mindestens ein Deutscher. Die Terroristen wollten auch ein Blutbad vor laufenden Kameras während des Länderspiels anrichten. Im Stadion saßen fast 80.000 Zuschauer, darunter auch Hunderte Deutsche.

Die Verteidigungsminister Frankreichs und der USA vereinbarten am Sonntag eine stärkere Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS und verständigten sich in einem Telefonat auf „konkrete Maßnahmen“. Kurze Zeit später griff die französische Luftwaffe Stellungen der Terrormiliz in Al-Rakka an und zerstörte eine Kommandostelle mit Waffen-und Munitionslager sowie ein Ausbildungslager.

Frankreichs Luftwaffe fliegt bereits seit September 2014 als Teil einer US-geführten Koalition Angriffe gegen IS-Stellungen im Irak. Seit diesem September bombardierte Frankreich mehrfach auch Positionen in Syrien. Die Terroranschläge könnten eine Reaktion des IS gewesen sein.

G20 wollen Terrorismus Geldhahn zudrehen

Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen dem internationalen Terrorismus den Geldhahn zudrehen und die Bewegungsfreiheit von Extremisten einschränken. Im Entwurf der Abschlusserklärung des G20-Gipfels in Belek bei Antalya heißt es, die Zusammenarbeit zur Austrocknung der Finanzkanäle von Terroristen solle ausgebaut werden. Um den wachsenden Strom von Extremisten einzudämmen, die nach Ausbildung und Kampf in Bürgerkriegsländern in ihre Heimat zurückkehren, sollen die Grenzen besser überwacht werden.

Bei den Pariser Anschlägen starben sieben Attentäter - doch befürchtet wird, dass gleich mehrere Komplizen abgetaucht sein könnten. Besonders im Fokus stehen dabei drei Brüder, von denen einer zu den Selbstmordattentätern im „Bataclan“ gehörte, ein zweiter am Samstag in Belgien festgenommen wurde und ein dritter am Sonntag zur internationalen Fahndung ausgeschrieben wurde.

Letzterer könnte Medienberichten zufolge schon längst hinter Gittern sitzen: Demnach stoppten Polizisten den 26-Jährigen Abdeslam Salah und zwei weitere Personen nur Stunden nach den Pariser Anschlägen nahe der belgischen Grenze in einem Auto, ließen sie aber schließlich weiterfahren. Zuvor waren die Grenzkontrollen verschärft worden.