Es hatte sich bereits im Vorfeld angedeutet. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nach dem Sieg beim Referendum davon gesprochen, die Todesstrafe diskutieren zu wollen.

Istanbul - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich seinen Landsleuten als Sieger des Verfassungsreferendums präsentiert. Der Vorsprung der Befürworter eines Präsidialsystems liege bei 1,3 Millionen Stimmen, sagte Erdogan am Sonntag und berief sich auf inoffizielle Ergebnisse. Die Beteiligung habe bei 86 Prozent gelegen. Zuvor hatte er seinem nationalistischen Verbündeten zum Abstimmungserfolg gratuliert. Die Opposition erhob Fälschungsvorwürfe und kündigte Einsprüche an.

 

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Das Endergebnis lag zu diesem Zeitpunkt offiziell noch nicht vor. Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen sprachen sich 51,3 Prozent der Teilnehmer für ein Präsidialsystem aus, 48,7 Prozent dagegen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Als die ersten Ergebnisse eintrafen, hatte das Ja-Lager noch bei um die 60 Prozent gelegen. Dieser Vorsprung schrumpfte im Laufe der Auszählung immer weiter.

Tödlicher Zwischenfall vor Wahllokal

Bei einem Streit vor einem Wahllokal in der Provinz Diyarbakir wurden drei Menschen getötet. Zunächst war unklar, ob es sich um einen Streit zwischen Familien handelte oder um eine politische Auseinandersetzung.

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Sollte das Ergebnis offiziell bestätigt werden, bekäme Erdogan deutlich mehr Macht. Unter anderem würde das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft. Erdogan und seine Anhänger versprechen den Wählern für diesen Fall Stabilität und Wohlstand. Kritiker fürchten eine autoritäre Ein-Mann-Herrschaft Erdogans bis 2029.

Erdogan nannte die Entscheidung bereits historisch und dankte allen Wählern, egal wie sie sich entschieden hätten. Niemand solle versuchen, seinen Erfolg klein zu reden. Er werde jetzt die Wiedereinführung der Todesstrafe auf die Tagesordnung setzen. Möglicherweise werde es auch darüber eine Volksabstimmung geben.

Opposition kritisiert Wahlbehörde

Ministerpräsident Binali Yildirim sprach von einer neuen Seite in „unserer demokratischen Geschichte“. Die Regierung werde das Ergebnis für Frieden und Wohlstand nutzen. „Wir sind Brüder. Wir sind ein Leib, eine Nation“, sagte Yildirim vor Tausenden Regierungsanhängern, die Feuerwerkskörper zündeten.

Der Führer der nationalistischen MHP-Partei, Devlet Bahceli, sagte, die Türkei sei von der ganzen Welt erpresst, bedroht und unter Druck gesetzt worden, mit Nein zu stimmen. Deswegen sei das Ergebnis so bedeutend.

Die Oppositionspartei CHP kritisierte die Entscheidung der Obersten Wahlbehörde, auch Stimmzettel ohne offizielles Siegel zu zählen. Mit diesem Schritt habe die Behörde die Abstimmungsregeln geändert, sagte CHP-Vize Bülent Tezcan. Damit stehe die Legitimität des ganzen Referendums infrage. Sein Kollege Erdal Aksünger sprach von mindestens 2,5 Millionen „problematischen Stimmen“. Die CHP werde 37 Prozent der Wahlurnen anfechten. Es könnten aber bis zu 60 Prozent werden.

Zwei Drittel der Stimmzettel sollen angefochten werden

Die Wahlkommission hatte mit ihrer Entscheidung auf Klagen von Wählern reagiert, die berichtet hatten, ihre Stimmzettel hätten kein Siegel. Bei früheren Wahlen wurden solche Wahlzettel nicht gewertet. Jetzt sollen sie dagegen gelten, sofern nicht nachgewiesen wird, dass sie mit der Absicht abgegeben wurden, das Abstimmungsergebnis zu fälschen.

Die pro-kurdische Partei HDP erklärte, sie wolle sogar zwei Drittel der Stimmzettel anfechten. „Unsere Daten weisen auf Manipulationen zwischen drei bis vier Prozent hin“, schrieb die Partei auf Twitter.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel mahnte zur Besonnenheit. Das Ergebnis sei knapp. „Wir sind gut beraten, jetzt kühlen Kopf zu bewahren“, sagte er. Auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier sagte, die Volksabstimmung sei knapper ausgegangen, als mancher erwartet habe.