Harte Worte in Richtung Deutschland: Nach der Wiederwahl von EU-Ratspräsident Tusk greift der polnische Außenminister Deutschland an.

Warschau/Brüssel - Nach der Wiederwahl von EU-Ratspräsident Donald Tusk übt Polen Kritik an Deutschland. „Wir wissen jetzt, dass es eine EU ist, in der Berlin den Ton angibt“, sagte Außenminister Witold Waszczykowski am Donnerstag dem polnischen Portal wPolityce.pl. Er bezeichnete es als undemokratisch, dass Polens Gegenkandidat nicht gehört und die Abstimmung nicht verschoben worden sei.

 

Im Streit um die Wiederwahl von EU-Ratspräsident Donald Tusk haben sich die EU-Chefs über den erbitterten Widerstand aus dessen Heimatland Polen hinweggesetzt: Nur die polnische Regierung stimmte am Donnerstag auf dem EU-Gipfel in Brüssel gegen Tusk, die Staats- und Regierungschefs der übrigen 27 EU-Staaten unterstützten ihn für eine weitere Amtszeit.

Aus Protest wollte Polen laut Diplomaten weitere Gipfelbeschlüsse durch sein Veto blockieren. Nach der Abstimmungsniederlage richtete Polens rechtsnationale Regierung schwere Vorwürfe an die EU-Partner.

Aus Diplomatenkreisen in Brüssel verlautete, Polen wolle in Reaktion auf Tusks Wiederwahl „alle Punkte“ der geplanten Abschlusserklärung des EU-Gipfels blockieren. Einen solchen Schritt hatte die Regierung in Warschau schon vor dem Votum angedroht. Sollten die EU-Partner Polen überstimmen, hätte dies eine „Destabilisierung“ der EU zur Folge, hatte Ministerpräsidetin Beata Szydlo in Brüssel gewarnt.

Beschlüsse in Sachfragen müssen im Einvernehmen getroffen werden

Laut der Diplomatin eines anderes Landes will der maltesische EU-Vorsitz angesichts des polnischen Vetos anstatt der Gipfelschlussfolgerungen aller Staats- und Regierungschefs lediglich eine eigene Schlusserklärung veröffentlichen. Für Tusks Bestätigung im Amt war keine Einstimmigkeit der EU-Mitgliedstaaten erforderlich, es reichte ein Beschluss mit qualifizierter Mehrheit.

Die geplanten Beschlüsse des Gipfels in Sachfragen müssen aber im Einvernehmen getroffen werden - deshalb könnte Polen sie blockieren. Geplant waren Gipfelschlussfolgerungen zur Flüchtlingskrise, Verteidigung, zum Westbalkan, zur Wirtschaftspolitik sowie ein klares Bekenntnis zum internationalen Handel vor dem Hintergrund der Abschottungstendenzen der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump. Es war das erste Mal, dass ein EU-Ratspräsident gegen den Willen seiner Heimatregierung gewählt wurde. Der Streit um die Personalie Tusk überschattete den Gipfel, mit dem die EU nach den Verwerfungen des Brexit-Votums eigentlich Einigkeit demonstrieren wollte.

Tusk will mit allen EU-Ländern zusammenarbeiten

Bei der Abstimmung über Tusk im Kreis der EU-Chefs stand Polen nach Angaben von Diplomaten mit seiner Ablehnung alleine, nicht einmal der enge Verbündete Ungarn ließ sich zu einer Ablehnung Tusks bewegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Morgen im Bundestag, sie sehe Tusks Wiederwahl „als Zeichen der Stabilität für die gesamte Europäische Union“.

Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault warf Warschau vor, sich „aus innenpolitischen Gründen“ querzustellen. Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite sagte, die EU dürfe sich nicht „zur Geisel der nationalen Politik in Polen“ machen lassen. Die Regierung in Warschau legt dem Ratschef zur Last, sich in die polnische Innenpolitik eingemischt zu haben. Tusk, der früher selbst polnischer Ministerpräsident war, kommt aus einem anderen politischen Lager als die gegenwärtige Regierung. Tusk bedankte sich nach seiner Wahl „für die große Unterstützung in diesen ungewöhnlichen Zeiten“.

Er wolle „ohne Ausnahme mit allen“ EU-Ländern zusammenarbeiten und sei „einem geeinten Europa wirklich verbunden“. Kanzlerin Merkel bot ihm „gute Zusammenarbeit in fordernden Zeiten“ an.