Nach UN-Ozeankonferenz Auch Nord- und Ostsee sind unter Druck

Heringsfang in der Ostsee: die Bestände des Fisches sind erheblich reduziert. Foto: dpa/Jens Büttner

Nicht nur den globalen Meeren geht es schlecht, auch unsere hiesigen Meere leiden unter Klimawandel, Überfischung und zu geringem Umweltschutz.

Dem Meeresbiologen Christopher Zimmermann aus Rostock ist der Februar 2020 noch in unliebsamer Erinnerung. „Die Wassertemperatur an den Küsten in der westlichen Ostsee lag damals vier Grad höher als über dem Mittel der 30 Jahre zuvor.“ Ein kühler Laichgrund aber ist Voraussetzung für das gleichzeitige Auftreten von Plankton und Krebslarven – weil das jungen Heringen als Nahrung fehlte, sind nach ihrem Schlüpfen im März viele Millionen von Heringslarven „einfach verhungert“, sagt Zimmermann, der das Thünen-Institut für Ostseefischerei leitet und deutscher Vertreter im Internationalen Rat für Meeresforschung ist. „Klimawandel und menschlicher Druck üben eine unheilige Allianz auf die Nord- und Ostsee aus.“

 

Die Erderwärmung schlägt auf die Meere durch, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat kürzlich festgestellt, dass in diesem Frühjahr (März bis Mai) die Temperatur der Nordsee auf durchschnittlich 8,7 Grad Celsius angestiegen ist – das liege im Durchschnitt 0,9 Grad über dem Mittel von 1997 bis 2021. Auch die Ostsee ist betroffen, erreichte im Frühjahr einen Durchschnitt von fünf Grad – ein Grad über dem langjährigen Mittel. Das Thünen-Institut ist eine Bundesforschungsanstalt, es misst mit drei eigenen Schiffen die Fischbestände und gibt Empfehlungen für Fangquoten heraus. Die sind in den letzten Jahren ständig nach unten angepasst worden. Gerade in der Ostsee ist die deutsche Fischerei nur noch ein Schatten ihrer selbst. „Wir hatten hier mal Fischfangvolumen von über 100 000 Tonnen im Jahr, jetzt sind es noch weniger als 2000 Tonnen“, berichtet Zimmermann. Allenfalls der Fang von Sprotten in der östlichen Ostsee spiele noch eine gewisse Rolle.

Zu viel Stickstoff und Phosphor

Unter Druck gerät die Ostsee vor allem durch die Überdüngung – zum einen Teil wird zu viel Stickstoff und Phosphor über die Flüsse eingetragen, was das Algenwachstum fördert und zu sauerstoffarmen „Todeszonen“ am Meeresgrund führt. Aber neueste Forschungen hätten gezeigt, dass die Landwirtschaft nur zu 60 Prozent an der Überdüngung der See schuld sei, sagt Christopher Zimmermann, der Rest geschehe zum Beispiel über den Eintrag der Rückstände von fossilen Verbrennungen auf dem Luftwege. In der Nordsee sind die Fischfangquoten noch etwas einträglicher – mit einer Fangquote von 55 000 Tonnen im Jahr 2024 spielt der Hering für die deutschen Fischer die größte Rolle, gefolgt von Seelachs (4400 Tonnen) und Scholle (800 Tonnen). Der auf dem Speiseplan der Deutschen beliebte Kabeljau hingegen, der kühleres Wasser mag, ist wegen einem komplexen Wechselspiel von Nahrungsangebot und gestiegener Wassertemperatur zum Teil nach Norden abgezogen – seine Fangquote ist stark limitiert.

In einer Zustandsbewertung der Bundesregierung von Nord- und Ostsee von vergangenem Jahr werden weitere Belastungen genannt: Noch immer sei Meeresmüll weit verbreitet, „jedoch inzwischen mit gegensätzlichen Trend: während die Müllfunde an Stränden und in den Mägen von Eissturmvögeln abnahmen, nahmen die Müllfunde am Meeresboden deutlich zu“. Auch der Unterwasserlärm – ein Graus für den Schweinswal und andere Tiere – sei bedingt durch den Ausbau von Offshore-Windergie angestiegen. Beim Umweltverband Greenpeace sieht man die Lage daher kritisch. Greenpeace ist im Einsatz für den Schutz der Meere groß geworden, 1971 ging es los mit einem Fischkutter in Kanada, der gegen US-Atomtests im Pazifik vor Alaska protestierte, 1980 folgten deutsche Greenpeace-Aktivisten in Nordenham, die sich gegen die Verklappung von giftiger Dünnsäure in der Nordsee wandten.

Bestände von Dorsch und Hering sind erheblich reduziert

Und der Meeresschutz ist immer noch ein brennendes Thema. Franziska Saalmann, Meeresbiologin bei Greenpeace Deutschland, war auf der UN-Ozean-Konferenz in Nizza und zieht eine gemischte Bilanz des deutschen Beitrags. Auch sie sieht die Nord- und Ostsee stark unter Druck – und wenn der neue Umweltminister Carsten Schneider (SPD) darauf hinweist, dass „unsere Hausmeere“ in keinem guten Zustand seien und die Bestände von Dorsch und Hering erheblich reduziert seien, aber immerhin 46 Prozent unserer Meeresfläche bereits als Schutzgebiete ausgewiesen seien, dann stimmt sie da zu und sieht es gleichermaßen skeptisch. „Nord- und Ostsee sind völlig übernützt. Diese genannten Schutzgebiete existieren nur auf dem Papier“, sagt Saalmann.

Denn in der Praxis finde in diesen Schutzgebieten weitreichend industrielle Nutzung wie Öl- und Gasförderung, Fischerei und Sand- und Kiesabbau statt. Zudem sei auch der weitere Bau von Windkraftanlagen möglich – wie bereits im Schutzgebiet Östliche Deutsche Bucht geschehen. Vom Ziel der EU, zehn Prozent der Meeresfläche unter „strengen“ Schutz zu stellen, sei man noch weit entfernt. Positiv sei immerhin, dass der Bundesumweltminister nach Nizza gereist sei und die Termine von seiner Vorgängerin Steffi Lemke (Grüne) übernommen habe.

Wenig positive Bilanz aus Nizza

Sehr positiv sei auch, dass die Bundesregierung 100 Millionen Euro bereitstellen werde, um mit einer eigens gebauten schwimmenden Plattform 1,3 Millionen Tonnen Altmunition aus der Nordsee und 300 000 Tonnen aus der Ostsee herauszuholen. Dieser Munitionsschrott war nach dem Krieg zum Teil einfach im Meer entsorgt worden. Eine Studie des Geomar-Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel hat kürzlich nachgewiesen, dass in der südwestlichen Ostsee bereits 3000 Kilogramm an giftigen und löslichen Chemikalien frei gesetzt worden sind.

Auch, dass sich die schwarz-rote Regierung global für das Hochseeschutzabkommen, den Schutz der Tiefsee vor Bergbau und ein starkes Plastikabkommen einsetze, sei ja zu begrüßen, sagt Saalmann. Damit aber hört die positive Bilanz schon auf. „In Nizza ging es viel um die Selbstverpflichtung von Ländern“, sagt sie. Deutschland hätte beispielsweise längst dem Beispiel Griechenland und Schwedens folgen können und das Fischen mit Grundschleppnetzen zumindest in Schutzgebieten verbieten können, das sei „schweres Gerät“, mit dem „unselektiv“ gefangen werde und am Meeresgrund gespeichertes Kohlendioxid freigesetzt werde – ein Schub für die Arten- und Klimakrise. Auch, dass die Bundesregierung den Posten des von der Ampel-Regierung eingesetzten Meeresbeauftragten einfach gestrichen habe sieht die Umweltschützerin kritisch.

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