Der Titel „Better Together“ im Palazzo-Zelt passt perfekt – auch nach dem Absturz eines Artisten halten alle zusammen. Eine bis zum Unglück herausragende Show wird abgebrochen.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

The show must go on? So dachte man früher vielleicht einmal. Als der Zauberer und Conférencier Thomas Otto am Dienstag gegen 22.30 Uhr bei der 19. Palazzo-Premiere auf dem Cannstatter Wasen im Spiegelpalast, stockend vor Aufregung und in Sorge um den verunglückten Kollegen Alberto Rabago, verkündet, man werde die Show nun vorzeitig abbrechen, gibt es Beifall des Publikums. Nein, niemand verlangt, dass die Artisten weitermachen – sie wären auch gar nicht mehr zu „Höchstleistungen“ fähig, wie der Magier sagt. Das Dessert wird noch serviert, aber viele der 350 Gäste lassen es stehen, ihnen ist nicht mehr zum Essen zumute, etliche gehen vorzeitig.

 

Alberto Rabago ist mit seinen Späßen einer der Publikumslieblinge

The show must go on? Heute zählen andere Tugenden! Keiner kann mehr genießen und Spaß haben, wenn ein Mensch verunglückt ist und man nicht weiß, wie es ihm geht. Dann gilt es, inne zu halten. Der Mexikaner Alberto Rabago, der als wahrer Entertainer mit Hang zur Komik an diesem Abend zum Publikumsliebling geworden ist, stürzt bei einer Nummer am Chinesischen Masten ab, die er schon hunderte Male aufgeführt hat. Er fällt kopfüber auf das Holzpodest, in das, leicht erhöht, die Stange senkrecht verankert ist.

Regungslos bleibt der 32-Jährige liegen. Etliche im Publikum denken, das sei einer seiner Späße, mit denen er den ganzen Abend schon begeistert hat. Nach einigen Schrecksekunden eilen Kollegen und der Arzt Cornelius Kübler, der unter den Premierengästen ist, herbei. Hinter der Bühne wird Alberto erstversorgt. Er kommt rasch ins Krankenhaus zu intensiven Untersuchungen. Am nächsten Morgen besteht „Anlass zu Optimismus“, wie Palazzo-Sprecher Bernd Zerbin sagt. Keine Knochenbrüche, keine Lähmungserscheinungen, der Verunglückte habe bereits mit dem Krankenhauspersonal gescherzt, berichtet er. Seine Freundin ist bei ihm. Weitere Untersuchungen des Kopfes stehen noch aus.

Im geschockten Publikum wird in der Premierennacht diskutiert, ob die Sicherheitsmaßnahmen bei dieser Nummer ausreichend gewesen seien. „Ein Seil mit Karabiner ist nicht möglich, weil sich der Artist so schnell um die Stange dreht“, sagt Bernd Zerbin. Aber warum war der Holzboden nicht mit Schaumstoff gepolstert? Zerbin: „Wir machen es so, wie es der Künstler will – er tritt ohne Matte auf.“

Der genaue Grund für den Absturz steht noch nicht fest. Hatte er zu feuchte Hände? War er kurz unaufmerksam? Im Publikum regten Gäste an, eine Spendenaktion für Alberto zu organisieren. Die Künstlerkrankenversicherung springt aber wohl ein für den möglichen Verdienstausfall, ist zu hören. Von Mittwoch an werden die Vorstellungen fortgeführt.

Alberto Rabago tritt an einer Stange, dem Chinesischen Masten, auf. Foto: Lichtgut / /Ferdinando Iannone

Bis zu dem Unglück erleben 350 Gäste eine herausragende Show, die auch mit dem Vier-Gänge-Menü von Harald Wohlfahrt für große Begeisterung sorgt. „Das beste Programm seit Jahren“, ist zu hören. Conférencier Thomas Otto verzichtet auf einen roten Faden, also auf irgendeine besondere Konstellation, eine besondere Kulisse, wie dies in der Vergangenheit oft üblich war und was mitunter erzwungen wirkte. Der Chinese Liu Wen Long ist als Meister der Balance ein Star des Abends. Er wäre der „perfekte Umzugshelfer“, wird im Publikum gescherzt.

Der Showtitel „Better together“ ist Programm: Besser miteinander – dies gilt auch für das Ensemble, das aus mehrere Nationen stammt. Jede Künstlerin und jeder Künstler kündigt ein Essensgang auf der jeweiligen Landessprache an – die Botschaft lautet: Wir sind eine Welt! Wir müssen zusammenhalten! Die Menschheit muss zusammenrücken!

Dieter Thomas Kuhn berichtet, warum die Band vorerst nicht auftritt

Ob Russe, Chinese, Mexikaner oder Deutsche – alle ziehen in der Show an einem Strang, helfen sich gegenseitig bei den Nummern der Kollegen. Das Konzept kommt beim Publikum, darunter sind etliche Stadtpromis, sehr gut an. Magdalena Brzeska, die 26-malige Deutsche Meisterin in der Rhythmischen Sportgymnastik, hat ihre Kollegin Evgeniya Cherkasenko zur Premiere eingeladen, mit der sie seit elf Jahren im Büro eng zusammenarbeitet. „Das Motto ,Better together’ berührt mich tief“, sagt sie, „weil das auch für mich und meine Kollegin gilt – eigentlich für alle Menschen.“ Der Unfall zeige, dass vieles, was in der Artistik und im Sport so leicht wirke, „sehr gefährlich“ sei.

So schnell kann etwas passieren und sich das Leben drehen! Davon berichtet der Schlagersänger Dieter Thomas Kuhn bei der Premiere. Sein Gitarrist und enger Freund Philipp „Howie“ Feldtkelle hat kürzlich eine schlimme Krebsdiagnose erhalten, worauf die Band alle geplante Konzerte in diesem und im nächsten Jahr abgesagt hat. Jetzt steht die Therapie von „Howie“ in Vordergrund, sagt Kuhn. Erst wenn es ihm wieder besser gehe, werde man auf die Bühne zurückkehren, aber auf keinen Fall mit einem „Ersatzgitarristen“, denn für einen wie „Howie“ gebe es keinen Ersatz.

Wenn man von Krankheiten oder Unfälle erfährt, die völlig überraschend kommen, denkt man auch über sein eigenes Leben nach, das rasch vorbei sein kann. Darüber reden wir mit Dieter Thomas Kuhn. „Gerade deshalb ist es so wichtig, schöne Momente wie im Palazzo zu genießen“, sagt der Sänger.

Das Palazzo feiert die Lust am Leben im stilvollen Ambiente eines Spiegelzeltes mit blank polierten Gläsern und romantisch flackernden Kerzenlichtern. Das Publikum in Stuttgart, findet der in Hamburg lebende Sprecher Bernd Zerbin, ist „herrlich unaufgeregt“. Hier habe man Spaß an dem Schönen, hier wolle nicht jeder beweisen, dass er besser als der andere ist.

Der 69-jährige Harald Wohlfahrt hat seinen Vertrag mit Palazzo „unbefristet“ verlängert. Foto: Lichtgut / /Ferdinando Iannone

Für Understatement steht auch Spitzenkoch Harald Wohlfahrt, der trotz seiner vielen Erfolge – 25-mal wurde er mit drei Sternen ausgezeichnet - bescheiden geblieben ist. Der 69-Jährige bezieht zwar Rente, aber denkt noch lange nicht ans Aufhören. So viel Spaß hat er daran, Menüs mit möglichst neuen Geschmackserlebnissen zu kreieren. „Meinen Vertrag mit Palazzo haben wir unbefristet verlängert“, sagt er. Auch ohne festen und täglichen Platz in der Küche habe er „so viel zu tun wie früher“. Der Trend gehe zu „leichter Küche, mit immer mehr Gemüse“, verrät er.

Wohlfahrts Experimentierküche befindet sich in Achern

Fest unter Vertrag ist Wohlfahrt als Genussbotschafter der 13 Scheck-in-Center zwischen Achern und Frankfurt. Schwerpunkte der Kooperation sind Kundenabende und Schlemmerevents in der Kochfabrik des 73-jährigen Adolf Scheck in Achern, der über viele Jahre Aufsichtsratsvorsitzender bei Edeka war und heute in seinen Märkten 2000 Mitarbeitern beschäftigt. In Achern, berichtet Wohlfahrt, befindet sich seine Experimentierküche, wo er an neuen Aromen und Speisen für seine zwei Palazzo-Standorte in Stuttgart und Mannheim tüftelt.

Bei der Premiere zum 20. Palazzo-Geburtstag (2004 fing’s auf dem Pariser Platz an, es ist aber wegen Corona-Pause erst die 19. Show) sind etliche Stadtpromis gekommen. Fußballlegende wie Hansi Müller, Karlheinz Förster und Guido Buchwald etwa, die frühere Spitzenfechterin Monika Sozanska (ohne ihren Freund Hans Sarpei, den früheren Fußballprofi, der in Berlin zu tun hat), der Magier Thorsten Strotmann oder der nach seinem Autounfall genesene Entertainer Michael Gaedt. Man könnte von ihnen Geschichten erzählen, auch die einzelnen Shownummern der Reihe nach rühmen – doch viel wichtiger ist, dass Alberto Rabago ganz bald wieder gesund wird und aus dem Krankenhaus ohne bleibende Schäden darf.

Die besten Genesungswünsche mögen ihn erreichen! Better together – wenn alle zusammenhalten, ist in harten Zeiten viel gewonnen!

Karten

Vorverkauf
Weiterhin gibt es Karten für unter 100 Euro. Mit 99 Euro geht es los – der höchste Preis beträgt 163 Euro in der Manege. Im Preis inbegriffen ist das Vier-Gänge-Menü. Karten im Netz auf der Palazzo-Homepage.