Der Deal kommt den Autobauer in den USA teuer zu stehen. Gemeinsam mit dem Rechtsdienstleister Myright wollen Juristen nun den Umstand umgehen, dass es in Deutschland nicht die Möglichkeit der Sammelklage gibt.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart/San Francisco - Erleichterung beim Wolfsburger Autobauer Volkswagen: Charles Breyer, der zuständige Richter am Bezirksgericht in San Francisco, hat einen Milliarden-Vergleich mit US-Klägern vorerst genehmigt. Breyer, bei dem Hunderte US-Zivilklagen gebündelt sind, gab am Dienstag seine „vorläufige Zustimmung“ („preliminary approval“) zu dem geplanten Kompromiss. Es handele sich um eine faire und angemessene Lösung, so Breyer bei einer Gerichtsanhörung in San Francisco. Auch VW bezeichnete das angestrebte Vergleichsprogramm als eine „verantwortungsbewusste und angemessene Lösung.“

 

Dabei kommt der Deal den Autobauer teuer zu stehen: VW muss bis zu 14,7 Milliarden Dollar (etwa 13,4 Milliarden Euro) für Wiedergutmachung ausgeben. 4,7 Milliarden Dollar fließen in einen Umweltfonds und die Förderung emissionsfreier Autos. Der größte Teil wird an Kunden gehen, die in den USA einen manipulierten VW oder Audi besitzen. Die reine Entschädigung für Autobesitzer soll zwischen 5100 und knapp 10 000 Dollar pro Fahrzeug liegen. Zusätzlich muss der Konzern den Kunden anbieten, ihre Fahrzeuge zurückzukaufen oder durch Reparatur in einen gesetzeskonformen Zustand zu bringen.

Nachdem Breyer seine Zustimmung gegeben hat, beginnt nun eine Frist von 45 Tagen, in der sich die klagenden Kunden in den USA überlegen können, ob sie das Vergleichsangebot annehmen, oder allein vor Gericht weiterklagen wollen. Bis zum 16. September müssen sich geschädigte VW-Dieselhalter entscheiden. Je mehr von ihnen sich dem Vergleich anschließen, desto übersichtlicher wird die Situation für VW in den USA.

Deutsche VW-Kunden sind frustriert

Die Kanzlei des US-Staranwalts Michael Hausfeld versucht allerdings, auch in Deutschland den Druck auf Volkswagen zu erhöhen. Bislang schließt der Autokonzern Entschädigungen für deutsche VW-Kunden aus. In einem Brief an den VW-Vorstand, der unserer Zeitung vorliegt, wirft Hausfeld VW-Chef Matthias Müller vor, diese Position sei nicht haltbar und darüber hinaus respektlos den Kunden gegenüber.

Gemeinsam mit dem Rechtsdienstleister Myright will die Kanzlei in Deutschland den Umstand umgehen, dass es hierzulande keine Sammelklagen gibt wie in den USA. Die Klagen von Anlegern auf Schadenersatz können immerhin in einem sogenannten Musterverfahren bearbeitet werden. Dabei werden bestimmte Streitpunkte in einem Musterverfahren durchgearbeitet. Die Entscheidungen, die das Gericht im Verfahren des Musterklägers trifft, sind in der Folge für allen weiteren Fälle bindend. Ein vergleichbares Verfahren gibt es jedoch nicht für geschädigte Pkw-Halter. Dementsprechend groß war der Frust bei vielen Fahrzeughaltern in Deutschland als sie Ende Juni zum ersten Mal von dem Milliardenentschädigungspaket gehört haben, das VW für amerikanische Kunden geschnürt hat.

Um seinem Ärger Luft zu machen, hat sich der 30-jährige Skoda-Fahrer Ralf Karasch aus Stuttgart bei Myright registriert. „Es geht mir vor allem darum, ein Zeichen zu setzen“, sagt er. „Das Entschädigungspaket hat Symbolwirkung“, meint auch Myright-Gründer Jan-Eike Andresen. Seit Ende Juni sei die Zahl der Kunden, die sich auf dem Portal registriert haben, deutlich gestiegen – als Zahl nennt Andresen lediglich: über 100 000. Abhängig von dem Fahrzeugtyp und dem Baujahr des Fahrzeugs dürfte der Schaden durchschnittlich zwischen 1000 und 5000 Euro liegen. Der Schaden ergibt sich etwa aus einem geringeren Wiederverkaufswert der betroffenen Fahrzeuge. Wie hoch die Schadensumme insgesamt ist, soll in den kommenden Monaten von Gutachtern festgestellt werden.

Burford Capital finanziert das Unterfangen

Der Rechtsdienstleister habe dabei eine ähnliche Funktion wie ein Inkassounternehmen, erläutert Christopher Rother, Leiter des deutschen Büros der Kanzlei Hausfeld. Die Kunden treten dabei ihre Schadenersatzansprüche an den Dienstleister ab.

Ziel ist es, VW zu einem Vergleich zu bewegen und notfalls beim Landgericht Braunschweig binnen Jahresfrist Klage einzureichen.

„Da für sie keine Entschädigung vorgesehen ist, ist die Lage für deutsche Volkswagen-Kunden derzeit unbefriedigend“, sagt eine Sprecherin der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen. Die Registrierung bei einem Rechtsdienstleister sei eine Möglichkeit. „Der Verbraucher muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass er seine Ansprüche dann abtritt und nicht mehr selbst verfolgen kann“, so die Sprecherin. „Außerdem werden im Erfolgsfall Provisionen fällig.“ Hat Myright vor Gericht Erfolg, behält der Dienstleister eine Provision von 35 Prozent der gezahlten Schadenssumme ein. Scheitert der Dienstleister,entstehen dem Verbraucher allerdings keine Kosten.

Unterstützt wird Hausfeld in der Sache von dem Prozessfinanzierer Burford Capital. Dieser habe für den Fall Volkswagen einen Betrag von zehn Millionen Euro bereitgestellt“, sagt Rother unserer Zeitung.

Bei all dem Frust gegen Volkswagen ist allerdings auch klar, dass es den Konzern in den Ruin treiben würde, wenn er die geschädigten Kunden in Europa und USA gleichbehandeln würde. „Das“, sagt VW-Kunde Karasch, „hätte sich das Unternehmen eventuell vorher überlegen müssen.“