Nach Wahlrechtsreform Bloß kein XXL-Landtag im Südwesten!
Übergroße Parlamente schaden der Demokratie. Im Südwesten droht das bei der nächsten Wahl. Den Gegnern der Wahlrechtsreform ist Erfolg zu wünschen, meint Andreas Müller.
Übergroße Parlamente schaden der Demokratie. Im Südwesten droht das bei der nächsten Wahl. Den Gegnern der Wahlrechtsreform ist Erfolg zu wünschen, meint Andreas Müller.
Demokratie muss einem etwas wert sein – das ist das Standardargument, wenn es um die Kosten für Parlamente und Abgeordnete geht. Grundsätzlich stimmt es auch. Wie wertvoll die Demokratie ist, wird in Zeiten wie diesen, da sie immer mehr unter Druck steht, deutlicher denn je. Populistische Pfennigfuchserei verbietet sich da, prinzipiell verdienen Parlamentarier Respekt und nicht Geringschätzung. Doch die Politik wird nicht besser, je mehr Politiker sie machen; sonst könnte man nicht genug von ihnen haben. Für Parlamente gibt es Größen, bei denen die Akzeptanz schwindet und die Stätten der Demokratie selbst den Demokratieverdruss fördern. Beim Deutschen Bundestag war das seit Jahren so. Umso löblicher ist es, dass sich die Abgeordneten nach langem Ringen auf eine Reduzierung um 100 Mandate verständigt haben.
Und nun das: Bis zu 100 Abgeordnete mehr als die Sollgröße von 120 könnte der nächste baden-württembergische Landtag haben, also 220. Schon dieser Vergleich zeigt, dass mit der Reform des Wahlrechts samt Landeslisten und Zweitstimme etwas aus dem Ruder zu laufen droht. Gewiss, es handelt sich um Berechnungen, die auf Annahmen beruhen. Doch die Darlegungen von seriösen Wissenschaftlern wirken allemal überzeugender als die Beteuerungen der Reformbefürworter von Grünen, CDU und SPD, es werde schon nicht so schlimm kommen. Eher unbeeindruckt zeigen sie sich von den Bestrebungen der Kritiker – innerhalb und außerhalb des Parlaments –, einen „XXL-Landtag“ mit Hilfe der Bürger zu verhindern. Die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheid sind hoch, rechtlich und praktisch. Zudem ist fraglich, ob sich genügend Menschen für die Landespolitik interessieren. Insgesamt erscheint sie ihnen wenig relevant, und das zu Recht: Spielräume und Substanz haben immer mehr abgenommen.
Umso krasser erscheint da das Szenario, das der Landesrechnungshof in einer bisher unveröffentlichten Prüfung ausmalt. Die Kosten für den Landtag – derzeit gut 550 Millionen Euro pro Legislaturperiode – könnten um bis zu 200 Millionen steigen. Selbst im zweitschlimmsten Fall wären es immer noch fast 100 Millionen. Eine Erweiterung des Plenarsaals, der schon bei mehr als sechs Zusatz-Abgeordneten nicht mehr reichen würde, ist da noch gar nicht eingerechnet. Was die Prüfer über den Personalaufwuchs in den zurückliegenden Jahren berichten, lässt wenig Kostenbewusstsein vermuten: Überaus großzügig versorgten sich der Landtag, die Fraktionen und die Abgeordneten mit neuem, oft gut dotiertem und gerne verbeamtetem Personal. Binnen sechs Jahren, von 2016 bis 2022, stiegen die Zahl der Stellen um gut 44 Prozent, die Personalausgaben sogar um mehr als 56 Prozent. Der Bedarf wird jeweils wohlklingend begründet und mag in Teilen nachvollziehbar sein. Insgesamt aber scheinen in der Amtszeit von Präsidentin Muhterem Aras alle Hemmungen gefallen zu sein. Besonders die starke Zunahme von hoch dotierten Beamten riecht nach Selbstbedienung. Dass es bei der vom Landtag zu kontrollierenden Regierung kaum anders aussieht, macht die Sache nicht besser. Umso wichtiger ist es, dass der Weckruf des Rechnungshofs nun öffentlich wird. Warum die Prüfer ihre brisanten Befunde unter Verschluss halten, ist schwer verständlich. Die meisten Themen, die sie in ihre Denkschrift aufnehmen, sind für Bürger und Steuerzahler deutlich weniger relevant. Gleichwohl dürfte der Prüfbericht nun Rückenwind für jene Kräfte geben, die das Wahlrecht durch die Bürger korrigieren und das Parlament auf ein vernünftiges Maß begrenzen wollen. Man kann ihnen nur Erfolg wünschen.