"Barbarei", "Verbrechen" - das uruguayische Team schimpfte nach dem WM-Aus wüst über die Verbannung von Luis Suárez. Der Stürmer ist sich keinerlei Schuld bewusst und hinterlässt in der nahen Zukunft eine große Lücke.

"Barbarei", "Verbrechen" - das uruguayische Team schimpfte nach dem WM-Aus wüst über die Verbannung von Luis Suárez. Der Stürmer ist sich keinerlei Schuld bewusst und hinterlässt in der nahen Zukunft eine große Lücke.

 

Rio de Janeiro - Die unbändige Wut über die Verbannung von Beißer Luis Suárez steigerte sich nach dem kläglichen WM-Aus Uruguays ins Unermessliche. Gefrustet über das 0:2 im Achtelfinale gegen Kolumbien attackierten seine Mitspieler wüst den Weltverband und verteidigten den zur Tatenlosigkeit verdammten Stürmer, der sich zeitgleich von mehr als 1000 Fans in der Heimat feiern ließ. „Dass sie sein Leben zerschnitten haben, ist eine Barbarei, ein Verstoß gegen die Menschenrechte“, zürnte der verletzt fehlende Kapitän Diego Lugano. „Es ist viel heikler als ein Spiel zu verlieren. Das heute war Sport, das andere war ein Verbrechen.“

Aus Trotz hatte die Celeste das Trikot mit der Nummer Neun in der Kabine aufgehängt, aber auch die moralische Unterstützung konnte das Turnierende des WM-Vierten von 2010 nicht verhindern. „Uruguay spielte gegen ein großes Team und gegen die FIFA“, klagte die Zeitung „El País“.

Durch seine Sperre von neun Pflicht-Länderspielen wird Suárez mit dem Titelverteidiger nun nicht nur die komplette Südamerikameisterschaft 2015, sondern auch die ersten Qualifikationspartien für das kommende Weltturnier in Russland verpassen. Die Niederlage schmerze sehr, gestand Lugano. „Aber was in den letzten Stunden passiert ist, ist viel heikler, weil sie das Leben und die Karriere eines Sportlers, Teamkollegen und Freundes schwer gemacht haben.“

Obwohl Suárez mit der unbedachten Beißattacke gegen Italiens Giorgio Chiellini seine Auswahl aller WM-Chancen beraubt hatte, wächst die Verehrung des Volkshelden noch weiter an. Rund um das Estadio do Maracanã trugen zahlreiche Anhänger Masken mit dem Konterfei des 27-Jährigen. Mehr als 2000 Kilometer weiter südlich jubelten Fanscharen, als Suárez Medienberichten zufolge nach dem Spiel mit seinen Kindern Benjamín und Delfina vom heimischen Balkon winkte.

Die Zukunft des Trainers ist noch offen

Doch auch vier Tage nach seinem Ausraster äußerte der Profi des FC Liverpool kein Wort des Bedauern, keine Silbe der Reue - stattdessen wurde am Wochenende seine abenteuerliche Argumentation in der Verteidigung vor der FIFA-Disziplinarkommission publik. Es sei „in keinster Weise wie beschrieben passiert, als Biss oder Absicht, zu beißen“, schrieb Suárez übereinstimmenden Medienberichten zufolge auf spanisch an das Gremium.

„Im Moment des Aufpralls habe ich die Kontrolle verloren, wurde instabil und bin auf meinen Gegner gefallen“, argumentierte er. „Als mein Gesicht den Spieler traf, bekam ich eine kleine Prellung an der Wange und spürte starken Schmerz an meinen Zähnen.“

Nicht nur, weil sich Suárez zum wiederholten Male ins Abseits gestellt hat und seinem Nationalteam mehr als ein Jahr in Pflichtspielen fehlen wird, steht der zweimalige Weltmeister vor einer schwierigen Zukunft. Anführer Lugano ist im Alter von 33 Jahren über seinen Zenit hinaus. Auch Diego Godin wirkte in der Innenverteidigung mehrfach überfordert, der vermeintliche Topstürmer Edinson Cavani konnte bei der WM nie glänzen. Und für Diego Forlán, immerhin bester Spieler der WM vor vier Jahren, naht mit 35 das Ende seiner Karriere im Nationalteam.

Zudem ist die Zukunft von Coach Oscar Tabárez ungeklärt, es gebe nur „ein vages Angebot“ des Verbandes für die Verlängerung seines auslaufenden Vertrages. Nachdem er vor der Partie in einem Monolog 15 Minuten lang mit der FIFA und der Weltpresse abgerechnet hatte, wollte sich der 67-Jährige eigentlich nicht mehr groß zum Fall Suárez äußern, sagte dann aber: „Die Fußball-WM zeigt, dass solche Spieler gebraucht werden.“ Besonders sein Team wird das Enfant terrible demnächst schmerzlich vermissen.