David (links) und Patrick Layer haben den Baumarkt-Fachhandel ihres Vaters übernommen. In den Märkten (hier in Biberach) finden Handwerker auch modische Accessoires und manchmal auch eine Kaffeeecke. Foto: Daniel Gräfe
Zehntausende Familienunternehmer suchen derzeit eine Nachfolge, am liebsten in der eigenen Familie. Bei einem Brüderpaar aus Tettnang und einer Waiblinger Handwerkerin hat es geklappt. Was steckt hinter dem Erfolg – und warum scheitern andernorts so viele?
Die Entscheidung, mit seinem Bruder das Unternehmen des Vaters zu übernehmen, fiel für Patrick Layer vor eineinhalb Jahren auf einer Autofahrt von München nach Tettnang. Der heute 32-Jährige hatte als Berater und Banker in den USA und China und später in einem Amsterdamer Start-up gearbeitet. Beim weihnachtlichen Familienbesuch überzeugte ihn Bruder David (30), dass er ihn unbedingt brauche, um den väterlichen Baumarkt-Fachhandel weiterzuführen. „Er hat mich komplett überfallen, danach konnte ich die ganze Nacht nicht schlafen“, erzählt Patrick Layer.
Seitdem führt ein ungewöhnliches Brüderpaar die Geschäfte des Unternehmens am Bodensee. Der Weltenbummler Patrick ist für Marketing, E-Commerce, IT und Vertrieb verantwortlich, der bodenständige David, der vor Ort bei der Volksbank in die Lehre ging, für den Einkauf, Logistik, Finanzen und die 330 Beschäftigten. Gemeinsam wollen sie das Lebenswerk des Vaters in einem hart umkämpften Markt zukunftssicher machen. Jürgen Layer hat sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. An die Beschäftigten gab er das klare Signal, dass nun seine Söhne die Ansprechpartner seien.
Ein Bilderbuchszenario, das sich Tausende andere Unternehmer im Land derzeit für sich wünschen. Denn viele Übernahmen scheitern schon daran, dass Unternehmer nicht von ihrem Lebenswerk lassen können und damit die eigenen Kinder vergraulen. Ohnehin ist es ein Wettlauf mit der Zeit: Jeder dritte Mittelständler in Deutschland ist laut einer Studie der staatlichen Förderbank KfW über 60 Jahre alt – noch vor 20 Jahren war es nur jeder achte. Allein bis Jahresende planen rund 224 000 Inhaber mittelständischer Firmen ihren Rückzug. Das entspricht sechs Prozent der 3,81 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen mit einem Jahresumsatz von maximal 500 Millionen Euro.
Bei einer KfW-Befragung unter mehr als 11 000 kleineren und mittleren Firmen in Deutschland spielten der Kaufpreis, Bürokratieaufwand und rechtliche Komplexität (je 30 Prozent) oder Finanzierungsfragen (16 Prozent) eine vergleichsweise geringe Rolle, Mehrfachnennungen waren möglich. Für drei Viertel der Befragten war das größte Problem, überhaupt eine Nachfolge zu finden – selbst wenn sie den Verkauf der Firma an Externe oder an Beschäftigte in Betracht zogen. Weil die Babyboomer wiederum im Schnitt selbst weniger Kinder zeugten, steht für die favorisierte familieninterne Nachfolge oft kein Nachwuchs bereit.
Der Waiblinger Schreinermeister Uwe Luithardt übergibt an seine Tochter
Beim Waiblinger Schreinermeister Uwe Luithardt (60) zeigte die Tochter Interesse an seinem kleinen Betrieb, der sich auf Raumplanung und Möbel-Maßanfertigungen spezialisiert hat. Während der Sohn inzwischen in einem KI-Start-up arbeitet, erprobte sich Cathrin Luithardt (33) während ihres Architekturstudiums als Minijobberin und stieg später als Angestellte ein. Vor allem in der Coronazeit habe sie sich immer wieder überlegt, ob das Unternehmertum nicht zu schwierig und anstrengend sei, meint sie. „Ich habe mich aber für die Freiheit entschieden, den Betrieb nach meinen Vorstellungen gestalten zu können.“
Cathrin Luithardt mit Vater Uwe. Foto: privat
Vor gut einem Jahr informierten sich Vater und Tochter bei einem Vortrag der Handwerkskammer. Es folgte ein persönliches Gespräch mit einem der zwei Moderatoren, die die Handwerkskammer Region Stuttgart Unternehmern und potenziellen Nachfolgern kostenlos zur Seite stellt. Zuerst habe man ihn gefragt, wann genau er aufhören und was er danach machen wolle, sagt Uwe Luithardt. „Das hat mich kalt erwischt. So genau hatte ich mir das noch gar nicht überlegt.“ Der Mann, der die Frage stellte, war Thomas Schmitt und hat als Moderator in den vergangenen 13 Jahren mit rund 1000 Unternehmern ein Erstgespräch geführt, dem oft weitere folgten. Einer der größten Fehler sei es, Übernahmen zu spät oder zu vage zu planen. „Idealerweise sollte man sich mit 55 die ersten Gedanken machen – dann hat man noch die Möglichkeit, die eine oder andere Weiche zu stellen.“ Wichtig sei, erst einmal eine genaue Bestandsaufnahme zu machen: Betrieb, Eigentumsverhältnisse, Standort, Produkte, Organisation.
Danach könne die Suche nach einem Nachfolger beginnen, die im Falle externer Lösungen bis zu zwei Jahre dauern könne, so Schmitt. Nur vier von zehn Betrieben schafften eine Übergabe innerhalb der eigenen Familie. Noch bevor es um Steuerangelegenheiten oder Verträge gehe, spielten emotionale Aspekte eine entscheidende Rolle. „Es geht um die Weitergabe eines Lebenswerks. Die Werteinschätzungen des Unternehmers kommen eher aus der Vergangenheit. Wer übernimmt, beurteilt mit Blick auf die Zukunft.“
Cathrin und Uwe Luithardt haben sich bereits überlegt, wie das Geschäftsmodell künftig funktionieren könnte und dabei auch Unterstützung bei der Uni Siegen gefunden. Ende 2026 soll es mit der Übergabe klappen, dann will Uwe Luithardt mehr mit dem Wohnmobil unterwegs sein und sich um Landwirtschaft kümmern. Bisher seien sie ein Drittel des Weges gegangen, sagt Cathrin Luithardt. Andere Betriebe kümmerten sich viel zu spät um die Nachfolge – „vielleicht aus Hilflosigkeit, wenn es keine Nachfolge in der Familie gibt. Man denkt ungern über ein unschönes Thema nach.“
Manchmal können Vater oder Mutter auch nicht loslassen
Auch die Layer-Brüder beobachten in ihrem Bekanntenkreis, welche Probleme Übergaben bereiten. „Oft gibt es auch kein konkretes Datum, weil Vater oder Mutter nicht loslassen können und den Kindern keine Fehler oder eigene Konzepte zugestehen“, sagt David Layer. Auf der anderen Seite wollten viele ihrer Generation kein Risiko eingehen und Verantwortung übernehmen und suchten lieber nach einem Angestelltenjob.
Was sie erwarten würde, wussten die Brüder vorab. 24 Stunden, sieben Tage die Woche war das Unternehmen in der Familie präsent. Als Kinder spielten sie im Geschäft, später besserten sie mit Hilfsjobs das Taschengeld auf. Auch wegen der gemeinsamen Erfahrungen seien sie sicher, dass sie als Team funktionieren würden, meint David Layer: „Es gibt ein Grundvertrauen, außerdem wollen wir die gleiche Unternehmenskultur.“
Schwierige Nachfolgersuche
Familiensache Unternehmensnachfolgen innerhalb der Familie stehen laut einer Umfrage der KfW bei der Mehrheit der Altinhaber (57 Prozent) hoch im Kurs. Weniger beliebt ist der Verkauf der Firma an Externe (43 Prozent), die Nachfolge durch Beschäftigte des Unternehmens (28 Prozent) oder einen Miteigentümer (21 Prozent). Mehrfachnennungen waren möglich.
Übergabe Familieninterne Nachfolgen sind in aller Regel um ein Vielfaches besser vorbereitet als externe Nachfolgewünsche: Etwa fünfmal häufiger ist die Nachfolge laut KfW dann bereits geregelt oder kurz davor. Zudem sind die Transaktionskosten geringer und die Kenntnis des Unternehmens größer.
Handwerk Nach Berechnungen des Baden-Württembergischen Handwerkstag (Handwerk BW) suchen allein in den kommenden fünf Jahren 23 000 Handwerksbetriebe eine Nachfolge. Selbst wirtschaftlich kerngesunde Betriebe blieben ohne klare Nachfolgeperspektive.