Jörg Kachelmann und der Deutsche Wetterdienst streiten um die ARD-Aufträge. Zum Jahresende laufen die bestehenden Verträge aus.
Stuttgart - Schlappe Höhenwinde. Anhaltende Schauer. Gefahr von voll gelaufenen Kellern. Die Prognose zum Auftakt der Hundstage klang wenig ermutigend. Jörg Kachelmann präsentierte sie vor einigen Wochen im Juli gewohnt ungebügelt auf seinem eigenen Wetterkanal auf der Internetplattform Youtube, das Hemd offen, die Haare verstrubbelt. Seine Wetterkarte, das war mal wieder eine dahingekritzelte Skizze auf einem Blatt Papier.
So also sah er aus, der Sommer. Doch beinahe noch mehr als diese (ja offenbar keineswegs falsche) Vorhersage beunruhigte den Zuschauer der hier dargebotene Low-Budget-Clip: Wandert der Wetterbericht aus dem Fernsehen jetzt ins Internet? Und sieht so die Prognose der Zukunft aus?
Es braut sich was zusammen im Wetterfernsehen. Zum Jahresende läuft jener Vertrag aus, den der für die Hoch- und Tiefdruckgebiete im Ersten zuständige Westdeutsche Rundfunk über seine hundertprozentige Tochter WDR Mediagroup Group mit Jörg Kachelmanns Schweizer Firma geschlossen hat, der Meteomedia AG. Und schon jetzt steht eines fest: Der Moderator wird vorerst nicht auf den ARD-Bildschirm zurückkehren - trotz seines Freispruchs vom Vorwurf der Vergewaltigung.
Die Karten für das Wetter-TV werden neu gemischt
Und noch schlimmer: Wenn er Pech hat, darf seine Firma den ARD-"Tagesthemen" und dem "Wetter im Ersten" kurz vor der quotenträchtigen "Tagesschau" nicht einmal mehr die Wetterdaten zuliefern. Für die Schweizer Firma, die nach eigenen Angaben fünfzig Prozent ihres Umsatzes mit Wetterberichten für Medien erwirtschaftet, wäre der Verlust dieses Prestigeobjektes zweifellos ein schwerer Schlag.
Was vielleicht erklärt, warum sich Kachelmann ausgerechnet jetzt mit eigenproduzierten Clips im Internet wieder ins Gespräch bringt. Das Timing kann kein Zufall sein. In diesen Wochen werden die Karten für das Wetter-TV in den "Tagesthemen" neu gemischt, und diese Partie will die Meteomedia wieder für sich entscheiden.
Mitte Juli hatte ihr Gründer und Geschäftsführer Kachelmann auf einer Pressekonferenz in Zürich schon mal den ungeminderten Anspruch auf die Pole Position angemeldet. Er verkündete, ab Januar 2012 werde sein Unternehmen zusammen mit der Bavaria-Film-Gruppe "Wettersendungen für das Fernsehen und weitere Kunden" herstellen. Die Bavaria mit Sitz in München werde die Produktion und den Vertrieb übernehmen. Kachelmanns Firma liefere dafür die Daten und Prognosen, fernsehgerecht aufbereitet.
Ein geschickter Schachzug der ARD?
Mit den Sendungen wollen die Partner nach den Worten von Meteomedia-Sprecher Urs Knapp den gesamten europäischen Markt aufmischen. Dass das Erste auf der Liste der potenziellen Auftraggeber ganz oben steht, erklärt sich beinahe von allein. Die Bavaria-Gruppe ist eine hundertprozentige ARD-Tochter. Urs Knapp sagt: "Wir hoffen, dass die Bavaria den Auftrag weiterführt."
Wer diesen Deal eingefädelt hat, darüber schweigen sich alle Beteiligten aus. Nur hinter vorgehaltener Hand verlautet, dass das Ganze ein mehr oder weniger geschickter Schachzug der ARD sei, um Kachelmann als Moderator halbwegs elegant loszuwerden und sich größeren Einfluss auf den Inhalt der Sendung zu sichern. Produziert werden sollen die Wetternachrichten für die "Tagesthemen" und das "Wetter im Ersten" künftig in den Bavaria-Studios in München.
Bekommt die ARD-Tochter den Zuschlag, soll sie auch die Moderatoren auswählen. Zumindest die ebenso beliebte wie kompetent agierende Claudia Kleinert wird dem Ersten nach ihren eigenen Worten als Wetterfee verbunden bleiben - und zwar unabhängig davon, wer die Vorhersage dann produziert.
Die Wettervorhersage ist eine Interpretationssache
Im Rennen ist jedoch mindestens noch ein zweiter Kandidat, der eigentlich wesentlich bessere Voraussetzungen erfüllt als die Allianz zwischen der Bavaria und den Kachelmännern: die Wetterredaktion des Hessischen Rundfunks (HR) in Frankfurt am Main. Sie könnte die Lücke nicht nur kostengünstiger schließen, sie verfügt auch über mehr als fünfzig Jahre TV-Erfahrung.
Beim DWD wittert man Morgenluft
So lange produziert sie mit ihren dreißig Mitarbeitern nämlich schon sämtliche Wetternachrichten für die ARD - mit just zwei Ausnahmen, siehe "Tagesthemen" und "Das Wetter im Ersten". "Wir bemühen uns schon seit längerer Zeit um eine Vorhersage aus einer Hand", sagt HR-Sprecher Tobias Häuser.
Er deutet damit auf eine entscheidende Schwachstelle in dem bisherigen Konzept hin. Denn die Wettervorhersage ist bekanntlich Interpretationssache. Bei einer komplizierten Gemengelage kann ein- und dasselbe Satellitenbild von zwei Meteorologen ganz unterschiedlich bewertet werden. "Wer Recht hat, sieht man dann erst am nächsten Tag", erläutert Silke Hansen, die Leiterin der HR-Wetterredaktion.
Beim Orkan "Anna" lag der DWD daneben
Gerade bei Unwetterwarnungen sei es jedoch wichtig, den Zuschauer nicht durch verschiedene Interpretationen zu verunsichern, heißt es beim Deutschen Wetter-Dienst (DWD) in Offenbach. Mittelbar liefert die Behörde der Wetterredaktion die Daten für ihre Prognosen.
Und wie der Zufall so will, haben just beim Thema Unwetter der DWD und die Meteomedia AG, diese beiden Konkurrenten, noch eine Rechnung offen. Bis 2002 versorgte nämlich der DWD die "Tagesthemen" mit den Daten für den Wetterbericht. Doch dann kam ein Orkan namens "Anna". Der DWD hatte ihn nicht als Orkan angekündigt und daher auch auf entsprechende Warnungen verzichtet. Drei Menschen starben infolge des Unwetters.
Das Image des guten alten Wetterberichts war ramponiert. Das Erste übertrug ihn prompt einem cleveren Geschäftsmann aus der Schweiz: Jörg Kachelmann. Der kostete zwar mehr. Einen Teil der Kosten konnte das Erste aber durch Sponsoring wieder abdecken. Nur deswegen entstand die tägliche Reihe "Das Wetter im Ersten" vor der "Tagesschau" - gesponsert von der Ergo-Versicherungsgruppe.
Kachelmann muss sich auf heißen Herbst einstellen
Dieses Geschäftsmodell könnte jedoch schon bald ins Wanken geraten, sagen Insider. Schließlich plant die ARD nicht nur eine "Tagesshow" vor der "Tagesschau" - mit Thomas Gottschalk als Moderator. Ab 2013 wird das Programmsponsoring auch eingeschränkt. Schon wittert man beim DWD Morgenluft. Aus den Fehlern von 2002 habe man gelernt, heißt es in der Pressestelle. Mit einem feinmaschigeren Warnsystem und Online-Zugängen für Polizei und Feuerwehr habe man den Katastrophenschutz verbessert. Jetzt fehle nur noch der Zugang zu den "Tagesthemen".
Jörg Kachelmann kann und muss sich auf einen heißen Herbst einrichten. Und jetzt: das Wetter.