Bei den Christdemokraten zeichnet sich eine Zerreißprobe ab. Peter Hauk und Tanja Gönner wollen beide das Erbe von Stefan Mappus antreten.

Stuttgart - Am Tag eins nach der Niederlage bei der Landtagswahl ist in der Südwest-CDU ein offener Machtkampf entbrannt. Für den Montagabend hatte der scheidende Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Stefan Mappus die Führungsgremien seiner Partei einberufen. Nach Beginn der Präsidiumssitzung ließ er eine Pressemitteilung verbreiten, in der er seinen Verzicht auf den Parteivorsitz erklärte. Der für Herbst geplante Landesparteitag soll auf den 7. Mai vorgezogen werden. Schon zuvor hatte Mappus gesagt, er wolle Vorschläge für einen inhaltlichen und personellen Neuanfang unterbreiten. Diese Ankündigung löste in der Partei umgehend Gegenreaktionen aus. So sagte Steffen Bilger, der Landesvorsitzende der Jungen Union: „Wir sollten uns Zeit lassen, damit nicht an der Basis vorbei Fakten geschaffen werden.“

 

Ähnlich äußerte sich der stellvertretende CDU-Landeschef Thorsten Frei: „Es ist nötig, die Wahlniederlage in Ruhe zu analysieren.“ Christian Bäumler, der Landeschef der Sozialausschüsse, schlug einen Mitgliederentscheid über den künftigen Landesvorsitzenden vor. Voraussetzung dafür sei, dass es mehrere Kandidaten gebe. Die bisherige Umwelt- und Verkehrsministerin Tanja Gönner (41) kündigte bei dem Treffen von Parteipräsidium und Parteivorstand an, sie werde am Deinstag bei der Wahl des CDU-Fraktionsvorsitzenden gegen Amtsinhaber Peter Hauk kandidieren. Im Fall eines Erfolgs werde sie sich auch um den Parteivorsitz bemühen. Hauk sagte, auch er könne sich eine Bewerbung um den Landesvorsitz vorstellen. Weitere Bewerbungen um die Nachfolge von Stefan Mappus an der Parteispitze sind noch möglich. Nach Einschätzung in Parteikreisen werden Hauk in der Fraktion die größeren Chancen zugetraut, in der Frage des Parteivorsitzes verhalte es sich umgekehrt. Viele in der CDU fühlen sich an den Herbst 2009 erinnert, als der damalige Fraktionsvorsitzende Stefan Mappus – kaum hatte Regierungschef Günther Oettinger seinen Wechsel nach Brüssel angekündigt – binnen weniger Stunden Fakten schuf und sich zu Oettingers Erbe ausrief. Schon am Wahlabend wurde im Landtag die Vermutung kolportiert, Mappus wolle erneut den Durchmarsch wagen und seine politische Weggefährtin Tanja Gönner an die Spitze von Partei und Fraktion hieven.

Mappus: Fraktions- und Landesvorsitz in einer Person vreiningen

Dem trat stellvertretend für den CDU-Fraktionsvorstand der parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Helmut Rüeck, entgegen. Er stellte für Dienstag die Wiederwahl des amtierenden Fraktionschefs Peter Hauk in Aussicht. Am Montagmorgen war Mappus nach Berlin geflogen, um an den Beratungen der CDU-Bundesspitze teilzunehmen. In Stuttgarter CDU-Kreisen machte anschließend die Nachricht die Runde, Mappus habe in Berlin dafür plädiert, Fraktions- und Landesvorsitz in einer Person zu vereinigen. „Damit hat er wohl kaum Peter Hauk gemeint“, sagte ein CDU-Vorstandsmitglied. Dieser Vorschlag laufe auf Tanja Gönner hinaus. Damit tue er der amtierenden Umwelt- und Verkehrsministerin jedoch keinen Gefallen. Gönner habe zwar gute Chancen auf den Landesvorsitz, allerdings nicht, wenn Mappus versuche, sie auf diese Weise durchzudrücken. „Mappus macht auf dieselbe Art weiter, mit der er uns ins Verderben gestürzt hat“, rügte das Vorstandsmitglied.

Einer aus der Parteiführung sagte: „Tanja Gönner ist durchsetzungsstark und kompetent, stößt aber auf persönliche Vorbehalte.“ Außerdem habe sie bei Stuttgart 21 und bei der Laufzeitverlängerung für die Atommeiler die Politik von Stefan Mappus ganz und gar mitgetragen. Hauk habe hingegen nicht nur keine Fehler gemacht, sondern auch manchen Scherbenhaufen zusammengekehrt, etwa in der Frage der Mehrarbeit für die Beamten des Landes. Tanja Gönner war nicht der einzige Name, der neben dem von Fraktionschef Peter Hauk gehandelt wurde. Der Karlsruher Bundestagsabgeordnete Ingo Wellenreuther schlug seinen Kollegen Thomas Strobl, den Generalsekretär der Landes-CDU, als künftigen Parteichef vor. „Er hat bundespolitische Erfahrung, ist gut vernetzt, und er polarisiert nicht“, sagte Wellenreuther der dpa. Ein Mitglied der Parteiführung stöhnte am Montag: „Ich habe die Partei in all den Jahren noch nie so chaotisch erlebt.“