Der Turn-Bundestrainer Andreas Hirsch gastiert bei den deutschen Jugend-Meisterschaften in Fellbach – und macht sich Sorgen um den Nachwuchs.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)
Felbbach – - Andreas Hirsch fungiert seit 2002 als Turn-Bundestrainer und ist maßgeblich am Aufschwung der Sportart in der jüngeren Vergangenheit beteiligt. Seit gestern ist der 55-jährige Berliner zu Gast in Fellbach, wo noch bis Sonntag die deutschen Jugendmeisterschaften mit 90 Talenten in vier Altersklassen stattfinden. Austragungsort ist die Schmidener Sporthalle, Wettkampfbeginn am Samtag und Sonntag jeweils um 10 Uhr.
Herr Hirsch, wenn Sie sich hier in der Schmidener Sporthalle so umschauen: wie steht es um den Turnnachwuchs in Deutschland?
Wenn ich die Teilnehmerzahlen sehe, so ist eine rückläufige Tendenz zu verzeichnen. Ich sehe ein Problem innerhalb von Deutschland, was die Nachwuchsgewinnung angeht. Wir bewegen uns sicher in geburtenschwachen Jahrgängen. Die Frage lautet aber vielmehr: Wie steht es um die Anerkennung des Sports in der Gesellschaft allgemein, besonders des Spitzensports, etwa in der Schule? Es herrscht wie in der Wirtschaft ein großer Wettbewerb.
Machen Sie sich vor dem Hintergrund Sorgen um die Zukunft des deutschen Turnens?
Sicher machen wir uns Sorgen, zumal es im Turnen keine Quereinsteiger gibt. Sport hat mehr Wert, als nur die körperliche Ausbildung. Es werden Persönlichkeiten geformt, Charaktere herausgebildet. Die finanziellen Mittel, die in Deutschland dafür ausgegeben werden, sind aber begrenzt. Die Frage lautet: was ist uns der Leistungssport wert? Wir brauchen uns doch nichts vorzumachen, in der öffentlichen Erwartung sind es die Medaillen, die zählen und die propagiert werden. Wenn ich die a) haben will, muss ich da auch b) sagen.
Damit wären wir bei Marcel Nguyen. Der Stuttgarter hat 2012 in London Olympiasilber im Mehrkampf und am Barren geholt. Seitdem vermarktet er seine neue Popularität und hat nicht mehr an seine Olympiaform anknüpfen können. Haben Sie Befürchtungen, dass er dieses Level nicht mehr erreicht?
Wir sitzen in einem Boot und mühen uns darum, solche Ergebnisse wieder hinzukriegen. Es kann nicht immer nur bergauf gehen. Nehmen Sie die Fußball-WM: alle sind der Überzeugung, dass Philipp Lahm ein wichtiger Mann ist. Dann macht er ein schlechtes Spiel und alle rufen danach, dass er nicht mehr im Mittelfeld aufgestellt wird. Mit dieser kurzsichtigen Art muss man umgehen. Marcel Nguyen kann turnen. Die Frage ist vielmehr: wo ist die Konkurrenz für ihn? Marcel Nguyen ist nicht das Problem, über das wir sprechen sollten. Wir sollten lieber darüber reden, wie wir andere auf sein Niveau bekommen – womit auch die Spitzenleute stimuliert werden.