In einer Nachtsitzung haben sich die Fischereiminister der EU-Mitgliedsländer auf eine Kürzung der Fangquoten für den westlichen Dorsch um 56 Prozent entschieden. Zunächst war sogar eine Reduzierung um 87,5 Prozent im Gespräch.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Die schleswig-holsteinischen Ostseefischer dürfen im nächsten Jahr 56 Prozent weniger Dorsch fangen als 2016. Im laufenden Jahr erlauben die Fischfangquoten der EU der deutschen Berufsfischerei 2715 Tonnen Dorsch, 2017 sollen nur noch rund 1200 Tonnen der Fischart vor den deutschen Küsten gefangen werden. Darauf verständigten sich die Fischereiminister der 28 EU-Mitgliedstaaten in der Nacht zu Dienstag. Ursprünglich hatte die EU-Kommission eine Kürzung der Fangquoten für den westlichen Dorsch um 87,5 Prozent gefordert. Dann hätten die deutschen Fischer nur noch gut 320 Tonnen des Fisches fangen dürfen. Wissenschaftler stehen vor einem Rätsel: Während sich die Bestände von Lachs, Hering und Scholle in der Ostsee merklich erholen, sind die laichfähigen Bestände des Dorschs massiv eingebrochen.

 

Mit der drastischen Kürzung der Fangquoten zeichnet sich ab, dass viele Berufsfischer vor dem wirtschaftlichen Aus stehen. Der Dorsch ist der sogenannte Brotfisch der Berufsfischer in Schleswig-Holstein. In Mecklenburg-Vorpommern wird außer dem Dorsch auch noch der Hering in größeren Mengen gefangen. Es ist geplant, dass die von der Dorschkrise betroffenen Fischer finanzielle Unterstützung aus Landes-, Bundes- und EU-Mitteln bekommen. Ende 2015 waren für die Berufsfischerei in Schleswig-Holstein 442 Fischerboote im Einsatz – 269 davon im Nebenerwerb.

Höchstens fünf Fische pro Tag

Erstmals beschlossen die EU-Fischereiminister auch Beschränkungen für Freizeitangler. Jeder Hobbyangler darf 2017 nur noch fünf Dorsche am Tag fangen – in der Laichschonzeit im Februar und März sogar nur drei. Nach Berechnungen des Rostocker Von-Thünen-Instituts für Ostseefischerei bringen diese Beschränkungen allein eine Ersparnis von 900 Tonnen beim Dorsch. In der Vergangenheit waren die Dorsch-Fangquoten in der Berufsfischerei kontinuierlich reduziert worden. Den Freizeitanglern waren dagegen nie Beschränkungen auferlegt worden. Dies hatte dazu geführt, dass zuletzt ebenso viele Dorsche von Freizeitanglern wie von Berufsfischern gefangen wurden. Die Beschränkungen der Hobbyangler gelten ab Januar. Dann ist damit zu rechnen, dass die Behörden stichprobenartig die Fänge von Freizeitanglern prüfen.

Die Expertin für Fischerei im Europaparlament, Ulrike Rodust (SPD), kann mit dem Kompromiss auf Ministerebene leben: Wegen der flankierenden Maßnahmen sei die Quote „vertretbar“. „Jetzt bleibt zu hoffen, dass die Kombination der beiden Maßnahmen ausreicht, um die Dorschbestände zügig wieder aufzubauen.“ Für die Berufsfischer sei die Dorschkrise „eine Katastrophe“. Mit dem Ostseemanagementplan für eine nachhaltige Fischerei, auf den sich EU-Mitgliedsländer, Parlament und die Kommission im Sommer geeinigt haben, sei es nun möglich, die betroffenen Fischer finanziell zu unterstützen.

Im Schnitt isst jeder EU-Bürger 23,1 Kilogramm Fisch im Jahr. 62 Prozent davon gehen auf das Konto von 13 Fischarten. 2,14 Kilogramm Thunfisch verzehrt durchschnittlich jeder EU-Bürger im Jahr, 1,96 Kilogramm Dorsch und 1,72 Kilogramm Lachs. Viele Verbraucher fragen sich, welchen Fisch sie essen sollen, wenn sie eine Überfischung der Meere verhindern wollen. Beim Ostseefisch ist die Lage klar: Die Quoten sind nach den Kriterien der Nachhaltigkeit festgelegt. Der Verbraucher kann mit ruhigem Gewissen zugreifen. Ohnehin entwickeln sich die meisten Bestände beim Ostseefisch gut: Die Quoten für Lachs, Hering und Scholle steigen, sie sinken nur beim westlichen Dorsch.