Was andere wegwerfen, macht er wieder nutzbar: Christoph Preussler arbeitet alte Fahrräder wieder auf und verkauft sie weiter. Dafür benutzt er Teile, die heute gar nicht mehr erhältlich sind. Der Experte hält alte Räder für viel nachhaltiger und kämpft mit seiner Werkstatt gegen den hohen Verschleiß heutzutage.

Volontäre: Julika Wolf (jwo)

Stuttgart - Christoph Preussler hockt auf einem Hocker und dreht am Rad. Wortwörtlich, denn er überprüft, ob es sich gleichmäßig dreht oder nicht. Tut es nicht. „Das ist jetzt ein halber Millimeter, der muss noch weg“, schlussfolgert er. Max Girke lacht: „Christoph ist halt ein Perfektionist.“ Girke ist Stammkunde, Kollege, Mitbastler – einfach ein Fahrradfreund, so wie Christoph Preussler.

 

Seit drei Jahren hat der gelernte Diplom-Grafikdesigner seine Werkstatt Zweileben Bikes in Bad Cannstatt nun, in der er alte Fahrräder wieder aufmöbelt. Zweileben steht für obsolete Fahrräder, die einen neuen Einsatz finden sollen. „Und für einen obsoleten Grafikdesigner, der ein neues Betätigungsfeld findet“, fügt er hinzu. Der Berufswechsel habe sich einfach so ergeben. Er habe anfangs ungefähr zehn Fahrräder erhalten, die er wieder herrichten sollte. Dann wurden es immer mehr. Der Rest ist Geschichte. In seinem ursprünglichen Beruf arbeitet er heute nur noch selten. „Ich muss schrauben“, erklärt er.

Die Werkstatt steht voll mit losen Reifen, bunten Rahmen, und überall liegen Schrauben. Modern sind die meisten Teile nicht – viele haben schon über siebzig Jahre auf dem Buckel. Trotzdem sind viele davon noch ungenutzt und sehen aus wie neu. Genau das ist es, was Preusslers Arbeit einzigartig macht: Es gibt kein einziges „neues“ Fahrrad. Er macht aus alten Fahrrädern wieder nutzbare Gefährte. Upcycling nennt man das heute. Die Menge an Ersatzteilen gibt er ebenfalls als Alleinstellungsmerkmal an. „Viele Teile bekommt man heutzutage gar nicht mehr“, sagt er.

4000 Schutzbleche von 1950 bis 1970 auf Lager

An die anderen gelangt er per Zufall, über Internetforen, Bekannte oder karitative Vereinigungen, die noch immer Fahrräder für Flüchtlinge bekommen und oft keine Verwendung mehr dafür haben. Einmal habe er ein Angebot für Schutzbleche bekommen und sei dafür an die Ruhr gefahren. „Ich hab mit ein paar Blechen gerechnet, aber da stand der ganze Raum voll mit neuen, noch ungenutzten Schutzblechen!“, erzählt er. Also lud er ein, was in sein Auto passte, und kam kurz darauf mit einem Anhänger wieder. Gut 4000 originalverpackte Schutzbleche, hergestellt zwischen 1950 und 1970, hatte er da auf einmal in seiner Werkstatt.

Ob Transportfahrräder, Rennräder, historische Räder oder auch Mitleidsräder, wie Preussler jüngere Gefährte nennt, die zu schade zum Wegwerfen sind: Sie alle werden in den Neuzustand versetzt und weiterverkauft. Zuerst bringt er sie zum Sandstrahlen zu einer Firma, die sie anschließend mit Kunststoff beschichtet. Im Anschluss arbeitet Christoph Preussler alte Teile wieder auf oder ersetzt kaputte mit neuen – oder eben mit alten aus seiner Sammlung. Darüber hinaus macht er auch Fahrradzubehör wieder brauchbar. „Vor einer Weile kam ein Kunde mit einem alten Fahrradschloss, da hab ich ihm einen Schlüssel gefeilt“, erzählt er.

Nachhaltigkeit und Nostalgie

Angetrieben wird Preussler vom Aspekt der Nachhaltigkeit. Er findet es schade, dass viele Leute ihre abgenutzten Fahrräder einfach wegwerfen und sich neue kaufen, die qualitativ viel weniger hochwertig seien. Die Leute wollen ihre Räder heutzutage hauptsächlich komfortabel, erklärt er. Deshalb werden viel mehr Teile verbaut als früher, was die Räder anfälliger mache. „Doppelte Menge an Teilen heißt halbe Qualität“, fasst er zusammen. Auch Fahrradrahmen seien heute schneller verkratzt und bekämen eher Risse als die früheren Modelle aus Aluminium. Preussler setzt lieber auf langlebige Materialien. „Es ist doch mein Fahrrad, damit will ich ja weiterfahren und nicht einfach ein neues kaufen“, meint er.

Ein bisschen Nostalgie ist bei seinem Handwerk eben auch im Spiel. Arbeit genug hat er wohl für den Rest seines Lebens – im Lager ein paar Häuser weiter stehen noch gut 250 Räder, die auf ihre Reparatur warten. Über weitere Neuankömmlinge freut sich Christoph Preussler aber trotzdem jederzeit.