Müllberge, Stromschlucker, Rußfresser: Filmproduktionen mutieren oft zur fahrenden Katastrophe für die Umwelt. „Green Consultants“ sollen deshalb jetzt dafür sorgen, dass die Blockbuster von morgen nachhaltig gedreht werden.

Stuttgart - Hach, was ist das romantisch: Zwei Menschen turteln im strömenden Regen, er streicht ihr das nasse Haar zurück, sie schmachtet ihn verliebt an. Doch Moment mal. Ganz so versunken sind die beiden dann doch nicht. Denn während sie fröhlich vor sich hin kuscheln, werden ihre Gesichter von riesigen Scheinwerfern ausgeleuchtet, im Hintergrund summen Generatoren. Und auch der Regenguss ist nur das Ergebnis künstlich installierter Wasserleitungen. Willkommen in der schönen Scheinwelt eines Filmsets.

 

Und das ist nicht immer nur eine fahrende Illusion, sondern in vielen Fällen auch eine waschechte Umweltsünde: „Die ganze Filmbranche hat ein riesiges Umweltproblem“, beteuert der Regisseur und Producer Philip Gassmann, der sich in den vergangenen Jahren auf das Thema „Green Shooting“, also umweltfreundiche Filmproduktion, spezialisiert hat.

„Ein Filmset ist ein fahrender Campingplatz. Da hängt fast überall ein Umweltthema dran“, erklärt Gassmann seinen Tätigkeitsbereich. Vor allem in Bereichen wie Transport, Reisen, Catering und Strom sieht er Nachholbedarf.

Selbst für LKW-Kolonnen gibt es Alternativen

Truckkolonnen, die Ausrüstung, Kulissen und Technik über die Autobahnen an Drehorte fahren, Crewmitglieder, die immer wieder große Strecken mit dem Flugzeug zurücklegen, Scheinwerfer, die viel zu viel Strom fressen: „Dafür gibt es Alternativen“, ist sich Gassmann sicher. Anstelle von normalen LKW könne man zum Beispiel Fahrzeuge anmieten, die mit Erdgas betrieben werden und so kaum CO2 ausstießen, schlägt er vor. Scheinwerfer will er zudem mit LED-Leuchten ausstatten, und das Catering solle in Zukunft am liebsten komplett plastikfrei sein.

Doch viele der Vorschläge scheitern bisher an der Realität. Die hochgelobten Erdgas-Fahrzeuge etwa bieten die meisten Autoverleiher gar nicht erst an, LED-Leuchten haben zudem oft nicht genügend Power, um ein Filmset gut auszuleuchten. „Das alles liegt auch an der Nachfrage der Branche: Da bewegt sich nichts, wenn wir nicht selbst anfragen“, so Gassmann.

Zumindest langsam ändert sich jedoch das Bewusstsein. Der jüngste „Tatort“ aus Ludwigshafen machte ökologische Nachhaltigkeit nicht nur zum Thema, sondern zur Verhaltensregel für die Crew: Es gab Porzellan und Glas statt Pappe und Plastik. Einige Sender, wie zum Beispiel Sky, verlangen inzwischen, dass Produktionen komplett grün gedreht werden. Produktionsfirmen bekommen dann eine Liste mit Richtlinien vorgesetzt, die sie einzuhalten haben – von Ökostrom bis zur Plastikvermeidung. Doch es fehlt an Fachleuten, die sich mit der Realisierung der Vorgaben auskennen. Deshalb bildet Gassmann gemeinsam mit der MFG nun „Green Consultants“ aus – Filmschaffende, die sich speziell um Umweltthemen kümmern. „Man muss die Leute in allen Bereichen sensibilisieren. Für viele ist das Thema noch gar nicht präsent.“

In der Filmbranche stehen Effizienz und Geschwindigkeit im Vordergrund

Diese Erfahrung hat auch Grit Belitz gemacht, die schon für Produktionen wie den Netflix-Hit „Dark“ in Sachen Nachhaltigkeit unterwegs war. Die Sky-Serie „8 Tage“ setzte sie sogar komplett grün um. Ihre Hauptaufgabe dabei: alteingesessene Kollegen auf ihr Umweltbewusstsein trimmen. „In der Filmbranche stehen Geschwindigkeit und Effizienz immer auf Platz eins. Da fallen andere Sachen gerne mal unter den Tisch.“

Wenn es zu schlimm wurde, machte sie am Set deshalb immer wieder Fotos von Müllbergen und Umweltsünden und schickte sie den zuständigen Mitarbeitern mit der süffisanten Frage: „Green Shooting?“ Heute schüttelt sie den Kopf über die Trägheit ihrer Branche in Sachen Nachhaltigkeit: „Wenn man mich fragt, dann müsste man die Produktionen dazu zwingen. Mit Richtlinien, Förderungen und außerdem mit Bonuszahlungen.“