Auf einer Tagung in Stuttgart dreht sich alles um die Bioökonomie: also um Wege, die Natur vielfältiger zu nutzen als bisher. Dabei geht es um mehr als nur darum, aus Biomasse Energie zu erzeugen.

Stuttgart - Der Dübel wird grün – und das nicht nur farblich: Nicht ohne Stolz präsentiert die Firma Fischer auf dem ersten Bioökonomiekongress Baden-Württemberg im Stuttgarter Haus der Wirtschaft ihre umweltfreundliche Dübelreihe „Greenline“. Die Dübel aus dem Kunststoff Polyamid basieren zu mehr als der Hälfte auf dem nachwachsenden Rohstoff Rizinusöl. Und das stamme, so betont das Unternehmen, aus den Samen des Wunderbaumes und stehe damit nicht in Konkurrenz zu Nahrungs- und Futtermitteln sowie den entsprechenden Anbauflächen.

 

Grüne Dübel sind ein Paradebeispiel für neue Nutzungsmöglichkeiten nachwachsender Rohstoffe. Doch es gibt noch viel mehr Bioökonomie-Gebiete, auf denen derzeit intensiv geforscht wird. So könnte künftig Naturkautschuk aus Löwenzahnmilch gewonnen und zur Reifenproduktion eingesetzt werden. Und Kleider aus Milch – genauer aus Caseinfasern, die aus Milch gewonnen werden – gibt es auch schon.

Bisher geht es bei der Nutzung von Biomasse allerdings häufig um Energiegewinnung. Auf der Stuttgarter Tagung wurde aber deutlich, dass der Begriff Bioökonomie viel weiter zu fassen ist: Es sei „absolut illusionär“, den weltweiten Energiebedarf auch nur annähernd durch Biomasse ersetzen zu wollen, mahnte Joachim von Braun, der Vorsitzende des Bioökonomierats, der die Bundesregierung berät.

Das Land fördert die Projekte mit 13 Millionen Euro

Von Braun macht auch klar, dass Bioökonomie nicht einfach eine neue Strategie zur Substitution fossiler – und damit knapper werdender – Rohstoffe sein kann. Vielmehr müsse man auch die Intelligenz der Natur für neue bioökonomische Strategien nutzen. Dazu zählt er ausdrücklich auch die Bionik, die sich die Natur als Vorbild für umweltfreundlichere Produkte – etwa spritsparende Schiffsrümpfe – nimmt.

Nach von Brauns Einschätzung hat sich die Bioökonomie in den vergangenen fünf Jahren „wie ein Lauffeuer ausgebreitet“, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Deutschland habe auf diesem Gebiet zwar noch die Nase vorn, müsse sich aber anstrengen, dass dies so bleibt. Auch Baden-Württemberg sieht sich auf diesem Gebiet gut aufgestellt – und will auch in Zukunft ganz vorn mitmischen. Deshalb hat die Landesregierung ein entsprechendes Forschungsprogramm auf den Weg gebracht, das mit 13 Millionen Euro Fördergelder ausgestattet ist.

Auf dem Stuttgarter Kongress betonte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) allerdings, dass es ihr dabei nicht nur um einzelne Projekte, sondern vor allem um den ganzheitlich systematischen Ansatz gehe. So sei es wichtig, neue Forschungsstrukturen zu bilden und über Standorte und Disziplinen hinweg gemeinsam an der Entwicklung neuer bioökonomischer Konzepte zu arbeiten. Ausdrücklich begrüßte sie dabei den Mut der Uni Hohenheim, den Masterstudiengang „Bioökonomie“ ins Leben gerufen zu haben.

Thomas Hirth, der Chef des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts IGB und Vorsitzender des von der Landesregierung einberufenen Strategiekreises Bioökonomie, stellte auf der Tagung die drei Schwerpunkte des Programms vor: Wertschöpfungsketten für Biogas, Lignozellulose – also die ganzheitliche Nutzung holzartiger Biomasse wie Holz und Stroh – sowie Mikroalgen als Beitrag zur Ernährung. Hinzu kommt das Kompetenznetz Modellierungen in der Bioökonomie. Zunächst werden 45 Projekte gefördert, flankiert von einem Graduiertenprogramm für bis zu 60 Promovierende.