Zwei Bürohäuser an der Charlottenstraße 29 und 31 gelten als geglückte Nachkriegsbauten, weshalb sie seit langem unter Denkmalschutz stehen. Jetzt sollen sie saniert und neu genutzt werden. Auch andere vermeintliche Architektursünden werden heute als Kulturdenkmäler geschützt.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Fast jeder kennt die beiden Gebäude in der Nähe des Charlottenplatzes: Man fährt direkt auf sie zu, wenn man die Hohenheimer Straße herabkommt. Die meisten beachten die grauen Betongebäude zwischen Alexander- und Blumenstraße nicht, und jene, die es tun, sagen oft: „Wie hässlich!“ Aber weit gefehlt – die Bauten an der Charlottenstraße 29 und 31 stehen seit Langem unter Denkmalschutz. Niemand Geringerer als Rolf Gutbrod (Architekt der Liederhalle) und Paul Stohrer (Architekt des Rathauses) haben sie zwischen 1949 und 1955 gebaut. Derzeit fällt vor allem auf, dass die Häuser fast ganz leer stehen; auch der Antiquitätenhändler im Erdgeschoss ist ausgezogen. Tatsächlich steht eine neue Ära der Gebäude bevor.

 

Die älteren Stuttgarter wissen noch, dass in dem sogenannten Loba-Haus lange Zeit die Süddeutsche Holzberufsgenossenschaft ihre Geschäftsräume hatte. Die Genossenschaft hatte Gutbrod 1949 beauftragt, das linke Gebäude zu errichten. Es sei eines der ersten Bürogebäude in der Innenstadt gewesen, sagt Ellen Pietrus, die Leiterin der Stuttgarter Denkmalbehörde, und Gutbrod habe sich damit ganz von der Vorkriegsarchitektur abgewandt: „Es wirkt leicht und modern – und die Stuttgarter damals empfanden das Haus als Knaller.“

Elf Gebäude in der City aus der Nachkriegszeit sind geschützt

Vier Jahre später erweiterte die Berufsgenossenschaft, nun erhielt Paul Stohrer den Auftrag. Dieses zweite Gebäude, das einen gemeinsamen Eingang mit dem ersten besitzt, sei als Kulturdenkmal nicht ganz so wertvoll, sagt Pietrus, aber als kaum veränderter früher Nachkriegsbau sei er schützenswert. Ralf Schoch, der einer der letzten Mieter im Haus und selbst Architekt ist, spricht davon, dass das Gutbrod-Gebäude zum Prototyp für die Nachkriegsarchitektur in Stuttgart geworden sei.

Weitere Kriterien für die Denkmalwürdigkeit waren 1987 bei der Aufnahme in die Stuttgarter Liste: die Häuser sind mit Stahlskelettbeton errichtet worden, sie haben Vorhangfassaden, die Fenster können außen mit Stoffmarkisen abgeschattet werden, und die Brüstungen sind mit Welleternit verkleidet – all das war damals neuartig.

Ein Denkmal? Die Meinungen gehen oft auseinander

Ob die zwei Gebäudeteile aber wirklich zusammenpassen, darüber sind sich auch die Architekturhistoriker nicht einig. Und ob die Gebäude überhaupt des Denkmalschutzes würdig sind, darüber dürften in der Bevölkerung die Meinungen sowieso weit auseinandergehen. Insgesamt finden sich jedoch für die Innenstadt (Bezirk S-Mitte) nur elf Gebäude aus der Zeit zwischen 1945 und 1960 in der Denkmalliste. Neben diesen zwei Gebäuden handelt es sich um fünf weitere Bürohäuser (Dorotheenstraße 2, Jägerstraße 26, Königstraße 34, Urbanstraße 28 sowie der Königin-Olga-Bau an der Königstraße 9), zudem die Liederhalle, der Landtag, das Kleine Haus und das ehemalige Generalkonsulat der USA an der Urbanstraße.

Unterm Strich kann man also nicht davon reden, dass immens viele Häuser aus der damaligen Zeit geschützt worden seien. Den Denkmalschützern geht es grundsätzlich darum, die typische oder herausragende Architektur einer Epoche für die Nachwelt zu erhalten – ob die Gebäude schön sind, ein sowieso kaum zu definierender und immer vom Zeitgeist abhängiger Wert, spielt eine nachrangige Rolle. Für die 1960er und 1970er Jahre laufen die Prüfungen gerade. Bisher sind vier außergewöhnliche Wohnquartiere zum Kulturdenkmal erklärt worden.

Entscheidung über die neue Nutzung steht wohl kurz bevor

Aber nun zur Zukunft der Häuser an der Charlottenstraße: sie waren im Besitz des Investmentfonds Tyler mit Sitz in Luxemburg und wurden jüngst an einen großen Projektentwickler verkauft, der auch eine Niederlassung in Stuttgart hat. Dort will man sich derzeit zu den Plänen nicht äußern; wie man hört, laufen aber intensive Gespräche. Es herrscht aber Einverständnis darin, dass die Gebäude saniert werden und dass mit großer Rücksicht auf den Denkmalschutz saniert werden soll.

Ellen Pietrus äußert sich überaus positiv über den Besitzer: Es sei eine große Offenheit da, selbst bei schwierigen Fragen. So müsse auf eine moderne Wärmedämmung weitgehend verzichtet werden, weil sonst die Fassade ihren historischen Charakter verlöre. Und auch der Grundriss mit den teils kleinen Zimmern und den niedrigen Decken sollte erhalten bleiben, was die Möglichkeiten einer künftigen Nutzung verringert. Anscheinend verspricht man sich dennoch genügend wirtschaftliches Potenzial – und das ist durchaus nicht der Regelfall, wie man an der früheren IBM-Zentrale in Vaihingen sieht, die der Investor am liebsten abreißen würde. Von Dritten hört man immer wieder, ein Studentenwohnheim könnte für die Charlottenstraße eine interessante Option sein.

Der Projektentwickler braucht nun aber zunächst einen künftigen Nutzer, der die Gebäude auch kaufen will. Erst dann werden endgültige Entscheidungen fallen.