Ihre CD „Back to Black“ brachte im Jahr 2006 den Pop zum Swingen. Nun ist die Sängerin Amy Winehouse an den Folgen gescheitert.
Stuttgart - Man kann es sich leichtmachen und einfach vom "doppelten Gesicht der Amy Winehouse" sprechen. Wird man jemals vergessen, mit welcher Wucht diese Stimme im Herbst 2006 in unsere Radios und auf unsere Kopfhörer kam? Nach wenigen Takten war klar, dass "Rehab", dieser erste Titel ihrer neuen CD "Back to Black", ein Stück Popgeschichte schreiben würde. Irgendwie hörte sich all das schwer nach fünfziger und sechziger Jahren an, nach Swing, großem Big-Band-Sound, nölendem Backgroundchor und schwarzen Topkünstlern, passte also wie angegossen in die grassierende Retroverliebtheit jener Zeit. Und doch klang es so absolut modern, up to date, im Sound, im Tonfall, im keck-coolen Schwung des immer noch jungen 21. Jahrhunderts.
Und dann diese Stimme! Wirklich nicht einfach nur schön, sondern kraftvoll, ausdrucksstark, selbstbewusst - und doch voller Abgründe, Unsicherheit, Verletzbarkeit. Soulig, swingend, aber doch auch wieder mit jener Härte und Lebendigkeit, mit jenem Drive, wie wir sie eigentlich von den harten Underdogs der internationalen Straßenmusik gewohnt waren. Und dazu diese Erscheinung der Amy Winehouse! Mit hochgestecktem Haar, mit langen Augenwimpern, mit Tattoos und knappen Klamotten, vor allem mit ihrem herausfordernden Blick. Amy Winehouse war auch deshalb ein Phänomen, weil sie vereinte, was eigentlich unvereinbar ist: die internationale und an sich in Glaubenskämpfen zerstrittene Pop- und Jazzkritik ebenso wie eine im Auto in den Urlaub und dabei Radio hörende deutsche Durchschnittsfamilie, bei der die Eltern ihre ersten Musikerlebnisse mit den Rolling Stones und die Kinder mit DJ Bobo gehabt hatten. "Ein ungeheures Talent" bescheinigte man Amy Winehouse zeit ihres Künstlerlebens. Ja, so lässt sich das wohl zusammenfassen.
Amy Winehouse wird jetzt zur Legende
Und das andere Gesicht der 1983 geborenen Londonerin? Das sind die Lebenskrisen und Skandale der Amy Winehouse, immer parallel zu ihren Veröffentlichungen und Konzerten. Ihre Eltern lebten getrennt, ihr Vater war Taxifahrer und sah in ihr von früh auf eine erfolgreiche Künstlerin. Aber warum genau sie offenbar von früh auf so exzessiv mit Alkohol und Drogen und den sonstigen Süchten des Popgeschäfts hantierte, das hätte wohl nur ein sehr guter Psychotherapeut mit ihr zusammen herausfinden können, dem sie aber offenbar trotz vielfacher Aufenthalte in Sanatorien nie begegnet ist.
Und wenn bei anderen Menschen Beziehungen und Kinder eine stabilisierende Wirkung haben, so ist Amy Winehouses Ehe mit dem ebenfalls drogensüchtigen Blake Fielder-Civic (2007 geschlossen, 2009 geschieden) kein Beispiel dafür. Amy Winehouse wurde zum Jagdobjekt der Boulevardpresse. Bilder der wieder mal irgendwie gescheiterten Amy verkauften sich bei den Leser noch besser als Amys neue Ideen und Titel. Seit Monaten lagerten die Sensationsfotografen vor ihrem Wohnhaus in London, um endlich jene Fotos schießen zu können, die jetzt auf dem Markt sind: Amy Winehouse, wie sie im Sarg in den Leichenwagen getragen wird. Finale.
Im Alter von 27 Jahren ist Amy Winehouse am Samstag tot aufgefunden worden. Die Todesursache soll eine Obduktion klären. Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain, Amy Winehouse - dass man als herausragender Popmusiker nicht älter als 27 werden kann, damit wollen wir uns eigentlich nicht abfinden. Amy Winehouse wird jetzt zur Legende. Wir hätten sie lieber unter den Lebenden.