Die Musikwelt trauert um Dina Ugorskaja. Die Ausnahmepianistin wurde nur 46 Jahre alt.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

München - Was war das für ein denkwürdiger Abend im November 2018 in Stetten im Remstal: Dina Ugorskaja spielte, von ihrer schweren Krebskrankheit gezeichnet, die drei letzten Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven. Es hatte schon etwas von einem Vermächtnis, wie sie den alten Bechstein („Er erinnert mich an Russland“) in den langsamen Sätzen zum Singen brachte. Und wie sie – eine intellektuelle Glanzleistung – im sperrigen Kopfsatz der op. 111 die innere Logik des Werks herausarbeitete. Dieses künstlerische Vermögen, diese existenzielle Wahrhaftigkeit hob sie von vielen Kollegen ab – mögen diese auch beim breiten Publikum deutlich bekannter sein.

 

Von Faschisten bedroht

Dina Ugorskaja wurde 1973 im damaligen Leningrad als Tochter des Pianisten Anatol Ugorski und der Musikwissenschaftlerin Maja Elik geboren. Von russischen Faschisten bedroht, emigrierte die jüdische Familie 1990 nach Deutschland. Nach dem Studium in Berlin unterrichtete Dina Ugorskaja einige Jahre an der Detmolder Akademie, 2016 ereilte sie ein Ruf als Professorin an die Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien.

Kleine, aber sehr feine Diskografie

Bereits zu diesem Zeitpunkt litt sie schon jahrelang an Krebs, gegen den sie tapfer ankämpfte. Ungeachtet ihrer Krankheit hat sie eine kleine, aber sehr feine Diskografie vorgelegt, fast alles Referenzaufnahmen. So setzte sie mit ihrem Schumann („Gesänge der Frühe“, „Geistervariationen“) Maßstäbe, ihr später Beethoven wurde von Publikum und Fachpresse bejubelt und ihr Wohltemperiertes Klavier gehört zu den gelungensten, originellsten Deutungen aller Zeiten – beispielhaft sei hier nur das altbekannte C-Dur-Präludium genannt, dem sie völlig neues Leben einhauchte.

Im September, so mailte sie noch vor ein paar Wochen, werde ihre Einspielung der späten B-Dur-Sonate von Franz Schubert herauskommen. Sie hatte sich schon sehr darauf gefreut. Nun ist es ihr Schwanengesang geworden.

Dina Ugorskaja starb am 17. September im München. Sie hinterlässt ihren Mann, ihre Tochter und ihren Vater. Die Musikwelt trauert um eine große, um eine ganz große Künstlerin.