Mit seiner satirischen Buffa „Die englische Katze“ kehrte Henze Anfang der achtziger Jahre zu traditionelleren Formen zurück. Als er damals zu einem Komponistengespräch in die Stuttgarter Musikhochschule kam, warf ihm sein Kollege Helmut Lachenmann affirmatives Streben nach gefälligem Schönklang vor. Henze hat in einem wenig später veröffentlichten Tagebuch seiner Verärgerung über diesen etwas penetrant geäußerten Einwand eine Fußnote gewidmet und damit ungewollt eine Lawine losgetreten. Ein Schlagabtausch offener Briefe von Anhängern beider Parteien etablierte Lachenmann letztlich als Haupt einer konträren ästhetischen Schule.

 

Wer erlebt hat, wie Henze noch fast fünfzehn Jahre danach in gemütlicher Runde bei teurem Wein wie von der Tarantel gestochen hochfuhr, als ein Ahnungsloser es wagte, auch nur den Namen Lachenmann zu erwähnen, wie er den verdutzten „Übeltäter“ cholerisch aufbrausend des Tisches verwies, konnte ermessen, wie sehr ihm jener Vorfall und die folgende Kontroverse zugesetzt haben musste. Im Mai 2010 kam es in London bei einer Ehrung beider zu einer Begegnung von Henze und Lachenmann und zu einer Versöhnungsgeste.

Als Henze 1988 die Münchner Biennale für neues Musiktheater ins Leben rief, war er längst als einer der erfolgreichsten Komponisten seiner Generation etabliert. Stimmen, die ihm eine überholte Opernästhetik vorwarfen, mehrten sich in letzter Zeit, was Henze nicht vom Komponieren abhielt: „Phaedra“ kam 2007 in Berlin heraus, „Gisela! oder: Die merk- und denkwürdigen Wege des Glücks“ 2010 in Gladbeck. Auch ältere Werke werden immer wieder aufgeführt. Sie scheinen trotz oder gerade wegen ihrer Orientierung an Puccini, Strawinsky, Berg und Britten, aber auch an Altmeistern wie Monteverdi oder Donizetti lebensfähiger zu sein, als es Vertreter eines anti-narrativen Musiktheaters wahrhaben wollen.

Auch als Sinfoniker in der Tradition von Mahler, Schostakowitsch und Hartmann, dem er viel verdankte, hat sich Henze mit einer Instrumentalmusik behauptet, die dem Bekenntnishaften verpflichtet ist, sprachliche Inhalte nonverbal transportieren möchte. Die Idee absoluter Musik war ihm immer suspekt, wenn sie auf bloße „Anfertigung von Ornamenten“ hinauslief. Beharrlich hielt Henze, dem sein Librettist Hans Ulrich Treichel ein „dezidiert literarisches Verständnis von Musik“ attestierte, an seiner Theorie vom Sprachcharakter der Tonkunst fest. Seine Werke bezeichnete er als „gestisch, gestenreich“ und „rezitatorisch eben auch dort, wo keine Wörter sind“. Wenn er wegen der Verwendung von Fremdmaterial des Eklektizismus geziehen wurde, entgegnete Henze, er benutze Zitate und Stilkopien wie ein Dichter.

Als Paradebeispiel für sein „Wunschdenken von der Austauschbarkeit von Vokal- und Instrumentalmusik“ galt ihm sein textloses „Requiem“ (1992) – ein Werk der „Sehnsucht nach Menschen, die uns verlassen haben und denen wir gern folgen würden in das unbekannte Andere, das es halt aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht gibt“, wie Henze 1995 in seiner Autobiografie schrieb. Jetzt ist der Komponist am Samstag in Dresden nach langen Jahren der Krankheit gestorben.

Schlagabtausch mit Helmut Lachenmann

Mit seiner satirischen Buffa „Die englische Katze“ kehrte Henze Anfang der achtziger Jahre zu traditionelleren Formen zurück. Als er damals zu einem Komponistengespräch in die Stuttgarter Musikhochschule kam, warf ihm sein Kollege Helmut Lachenmann affirmatives Streben nach gefälligem Schönklang vor. Henze hat in einem wenig später veröffentlichten Tagebuch seiner Verärgerung über diesen etwas penetrant geäußerten Einwand eine Fußnote gewidmet und damit ungewollt eine Lawine losgetreten. Ein Schlagabtausch offener Briefe von Anhängern beider Parteien etablierte Lachenmann letztlich als Haupt einer konträren ästhetischen Schule.

Wer erlebt hat, wie Henze noch fast fünfzehn Jahre danach in gemütlicher Runde bei teurem Wein wie von der Tarantel gestochen hochfuhr, als ein Ahnungsloser es wagte, auch nur den Namen Lachenmann zu erwähnen, wie er den verdutzten „Übeltäter“ cholerisch aufbrausend des Tisches verwies, konnte ermessen, wie sehr ihm jener Vorfall und die folgende Kontroverse zugesetzt haben musste. Im Mai 2010 kam es in London bei einer Ehrung beider zu einer Begegnung von Henze und Lachenmann und zu einer Versöhnungsgeste.

Als Henze 1988 die Münchner Biennale für neues Musiktheater ins Leben rief, war er längst als einer der erfolgreichsten Komponisten seiner Generation etabliert. Stimmen, die ihm eine überholte Opernästhetik vorwarfen, mehrten sich in letzter Zeit, was Henze nicht vom Komponieren abhielt: „Phaedra“ kam 2007 in Berlin heraus, „Gisela! oder: Die merk- und denkwürdigen Wege des Glücks“ 2010 in Gladbeck. Auch ältere Werke werden immer wieder aufgeführt. Sie scheinen trotz oder gerade wegen ihrer Orientierung an Puccini, Strawinsky, Berg und Britten, aber auch an Altmeistern wie Monteverdi oder Donizetti lebensfähiger zu sein, als es Vertreter eines anti-narrativen Musiktheaters wahrhaben wollen.

Auch als Sinfoniker in der Tradition von Mahler, Schostakowitsch und Hartmann, dem er viel verdankte, hat sich Henze mit einer Instrumentalmusik behauptet, die dem Bekenntnishaften verpflichtet ist, sprachliche Inhalte nonverbal transportieren möchte. Die Idee absoluter Musik war ihm immer suspekt, wenn sie auf bloße „Anfertigung von Ornamenten“ hinauslief. Beharrlich hielt Henze, dem sein Librettist Hans Ulrich Treichel ein „dezidiert literarisches Verständnis von Musik“ attestierte, an seiner Theorie vom Sprachcharakter der Tonkunst fest. Seine Werke bezeichnete er als „gestisch, gestenreich“ und „rezitatorisch eben auch dort, wo keine Wörter sind“. Wenn er wegen der Verwendung von Fremdmaterial des Eklektizismus geziehen wurde, entgegnete Henze, er benutze Zitate und Stilkopien wie ein Dichter.

Als Paradebeispiel für sein „Wunschdenken von der Austauschbarkeit von Vokal- und Instrumentalmusik“ galt ihm sein textloses „Requiem“ (1992) – ein Werk der „Sehnsucht nach Menschen, die uns verlassen haben und denen wir gern folgen würden in das unbekannte Andere, das es halt aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht gibt“, wie Henze 1995 in seiner Autobiografie schrieb. Jetzt ist der Komponist am Samstag in Dresden nach langen Jahren der Krankheit gestorben.