Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Rosalie hatte Germanistik und Kunstgeschichte, später Malerei, Grafik und Plastisches Arbeiten in Stuttgart an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste studiert; geboren war sie in Gemmrigheim am Neckar. Später wechselte sie in die Bühnenbildklasse von Jürgen Rose. Rosalie, das „Mädchen mit den Zöpfen“, wie der Komponist Hans-Werner Henze, dem sie für die Münchner Biennale preiswürdig seinen „Pollicino“ ausstattete, anfangs sagte, trat schon ein wenig in Roses Spuren, hatte aber sofort etwas Eigenes, immer Gewinnendes: Wo sie war, fingen die Dinge eindeutig zu leuchten an, das war, weil sie die Sachen des Alltags auf den Boden zurückholte in der oft Richtung Überbau und Eklektizismus fliehenden Kunstwelt. Noch im gewöhnlichsten Gegenstand, in Pylonen zum Beispiel, sah Rosalie einen poetisches Verwendungszweck. Und was den Ägyptern viel wert gewesen war, konnte ja wohl nicht ganz schlecht sein, wenn es galt, germanischen Göttern, in Bayreuth also, ihr Allerheiligstes absperren zu helfen.

 

Rosalie adelte den Alltag, ging einkaufen, vorzugsweise in den Baumarkt, und die Mythenwege überhaupt anders ab: „Höllenweib“, nannte sie, allerhöchstes Lob, Wolfgang Wagner. Tatsächlich war sie nicht nur die erste Frau in fast Totalverantwortung – was sie aber hundert Nächte lang in der Schneiderei oder Schreinerei hocken ließ. Darüber hinaus verkörperte sie grandios, was man sich unter einer Gesamtkunstwerkerin vorzustellen hat: Ein ästhetisches und handwerkliches Detail griff ins andere. Die Wand aus tausend Aluminiumplättchen, der Riesenregenbogen aus Granulat, die Lochbleche, Isomatten, Dichtungsringe . . . Wer zählt die Materialien, wer die Arbeitszeit, wer die Liebe für die kleinste Kleinigkeit? Alles stimmte.

Die Erfahrungen in Bayreuth und überhaupt die Zeit mit Alfred Kirchner, mit dem sie „Faust“ und „Idomeneo“ anging, hatten Rosalie geprägt, und der autonome Rang den ihre Installationen und Kostüme hatten, die Stück für Stück Skulpturen waren, machten es nach einer „Frau ohne Schatten“ in Dresden unumgänglich, dass sie nun auch selber die Regie übernahm. Und natürlich ließ sich Rosalie auf das ziemlich Allerschwerste ein: „Tristan und Isolde“ in Basel, wo sie einmal alles in der Hand hatte. Aber ein wenig zitterte die dann auch.

Rosalie – eine Seele von einer menschlichen Künstlerin

Obwohl sehr selbstverfasst und im besten Sinne des Wortes: eigen, war Rosalie auf künstlerische Kommunikation angewiesen. Sie brauchte eher ein Gegenüber als noch mehr Verantwortung. Auch insofern war es gut, vor allem für ihre Studenten, dass sie als Professorin für Bühnenbild an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach zu lehren begann; eine Berufung, die sie nie als Job verstand, aber auch eine Arbeit, die sie auffraß, wie fast alles, was sie anfing: Wenn die Flossis die Hauswände hochkletterten, oder Sitz- und Flitzhase auf irgendwelchen Dächern starteten; wenn die Autowaschbürsten sich kunstvoll drehten wie ein Mobile; wenn Ballett war in Düsseldorf (mit Martin Schläpfer), Oper in Tokio, Musiktage in Donaueschingen oder einfach (einfach?) das ZKM in Karlsruhe eine Fassade aus 3200 weißen Putzeimern bekam, in deren Innerem computergesteuerte LED-Lämpchen auf den Einsatz warteten: dann war das zwar immer sehr schön für alle anderen, aber auch immer sehr anstrengend für die Protagonistin, die auch übers Berufliche hinaus beständig als Alleskümmerin unterwegs war: bemüht um die Mutter, den Freund, die Tochter – und um Freunde sonder Zahl. Wer da manchmal zaghaft zu mindestens ein wenig mehr Ruhe riet, erfuhr nur vermittels herzlichstem Rosalie-Lachen, dass dafür jetzt gerade keine Zeit sei, aber bald . . . Bald. Und nun ist Rosalie, eine Seele von einer menschlichen Künstlerin, nach schwerer Krankheit in Stuttgart im Alter von 64 Jahren gestorben.

Auf der Bühne hat sie den Moment vorausgesehen, als sie im Basler „Tristan“ die Isolde nicht sterben ließ, sondern, halb japanische Judoka, halb griechische Tempelfrau, über ganz normale Paletten himmelwärts hob, federleicht, wie von selbst: „Wir werden nicht fallen, wir werden steigen“, heißt es im Gedicht. Rosalie – ade!

Rosalie kümmerte sich um alle – manchmal zu viel

Rosalie hatte Germanistik und Kunstgeschichte, später Malerei, Grafik und Plastisches Arbeiten in Stuttgart an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste studiert; geboren war sie in Gemmrigheim am Neckar. Später wechselte sie in die Bühnenbildklasse von Jürgen Rose. Rosalie, das „Mädchen mit den Zöpfen“, wie der Komponist Hans-Werner Henze, dem sie für die Münchner Biennale preiswürdig seinen „Pollicino“ ausstattete, anfangs sagte, trat schon ein wenig in Roses Spuren, hatte aber sofort etwas Eigenes, immer Gewinnendes: Wo sie war, fingen die Dinge eindeutig zu leuchten an, das war, weil sie die Sachen des Alltags auf den Boden zurückholte in der oft Richtung Überbau und Eklektizismus fliehenden Kunstwelt. Noch im gewöhnlichsten Gegenstand, in Pylonen zum Beispiel, sah Rosalie einen poetisches Verwendungszweck. Und was den Ägyptern viel wert gewesen war, konnte ja wohl nicht ganz schlecht sein, wenn es galt, germanischen Göttern, in Bayreuth also, ihr Allerheiligstes absperren zu helfen.

Rosalie adelte den Alltag, ging einkaufen, vorzugsweise in den Baumarkt, und die Mythenwege überhaupt anders ab: „Höllenweib“, nannte sie, allerhöchstes Lob, Wolfgang Wagner. Tatsächlich war sie nicht nur die erste Frau in fast Totalverantwortung – was sie aber hundert Nächte lang in der Schneiderei oder Schreinerei hocken ließ. Darüber hinaus verkörperte sie grandios, was man sich unter einer Gesamtkunstwerkerin vorzustellen hat: Ein ästhetisches und handwerkliches Detail griff ins andere. Die Wand aus tausend Aluminiumplättchen, der Riesenregenbogen aus Granulat, die Lochbleche, Isomatten, Dichtungsringe . . . Wer zählt die Materialien, wer die Arbeitszeit, wer die Liebe für die kleinste Kleinigkeit? Alles stimmte.

Die Erfahrungen in Bayreuth und überhaupt die Zeit mit Alfred Kirchner, mit dem sie „Faust“ und „Idomeneo“ anging, hatten Rosalie geprägt, und der autonome Rang den ihre Installationen und Kostüme hatten, die Stück für Stück Skulpturen waren, machten es nach einer „Frau ohne Schatten“ in Dresden unumgänglich, dass sie nun auch selber die Regie übernahm. Und natürlich ließ sich Rosalie auf das ziemlich Allerschwerste ein: „Tristan und Isolde“ in Basel, wo sie einmal alles in der Hand hatte. Aber ein wenig zitterte die dann auch.

Rosalie – eine Seele von einer menschlichen Künstlerin

Obwohl sehr selbstverfasst und im besten Sinne des Wortes: eigen, war Rosalie auf künstlerische Kommunikation angewiesen. Sie brauchte eher ein Gegenüber als noch mehr Verantwortung. Auch insofern war es gut, vor allem für ihre Studenten, dass sie als Professorin für Bühnenbild an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach zu lehren begann; eine Berufung, die sie nie als Job verstand, aber auch eine Arbeit, die sie auffraß, wie fast alles, was sie anfing: Wenn die Flossis die Hauswände hochkletterten, oder Sitz- und Flitzhase auf irgendwelchen Dächern starteten; wenn die Autowaschbürsten sich kunstvoll drehten wie ein Mobile; wenn Ballett war in Düsseldorf (mit Martin Schläpfer), Oper in Tokio, Musiktage in Donaueschingen oder einfach (einfach?) das ZKM in Karlsruhe eine Fassade aus 3200 weißen Putzeimern bekam, in deren Innerem computergesteuerte LED-Lämpchen auf den Einsatz warteten: dann war das zwar immer sehr schön für alle anderen, aber auch immer sehr anstrengend für die Protagonistin, die auch übers Berufliche hinaus beständig als Alleskümmerin unterwegs war: bemüht um die Mutter, den Freund, die Tochter – und um Freunde sonder Zahl. Wer da manchmal zaghaft zu mindestens ein wenig mehr Ruhe riet, erfuhr nur vermittels herzlichstem Rosalie-Lachen, dass dafür jetzt gerade keine Zeit sei, aber bald . . . Bald. Und nun ist Rosalie, eine Seele von einer menschlichen Künstlerin, nach schwerer Krankheit in Stuttgart im Alter von 64 Jahren gestorben.

Auf der Bühne hat sie den Moment vorausgesehen, als sie im Basler „Tristan“ die Isolde nicht sterben ließ, sondern, halb japanische Judoka, halb griechische Tempelfrau, über ganz normale Paletten himmelwärts hob, federleicht, wie von selbst: „Wir werden nicht fallen, wir werden steigen“, heißt es im Gedicht. Rosalie – ade!