Seine Fangemeinde war groß – und die Sätze des Fußballfreunds lasen sich wie gute Pässe von Netzer: der Krimi-Autor Jakob Arjouni ist mit nur 48 Jahren an Krebs gestorben.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Auf der ersten Seite von „Ein Mann, ein Mord“, dem dritten der Kayankaya-Romane vom Anfang der neunziger Jahre, notiert der Privatdetektiv – Vorname Kemal, gleichwohl keinerlei Türkischkenntnisse, da bei deutschen Stiefeltern aufgewachsen – unter dem Rubrum „Borussia im Himmel“ folgende Mannschaftsaufstellung: Kleff, Hannes, Vogts, Frontzeck, Stielike, Bonhof, Netzer, Simonsen, Heynckes, Jensen, Laumen. Sie sollten für Gladbach „im Jenseits“ spielen. Fand Kayankaya. Fand Arjouni. Wer möchte da widersprechen? Und außerdem: Kann ein Buch besser anfangen?

 

Kayankaya, vier Jahre zuvor mit „Happy birthday, Türke!“ eingeführt, hatte eine Menge von Raymond Chandlers Philipp Marlowe, der wiederum Arjounis Held war, als er von der mittlerweile berüchtigten Odenwaldschule aus ins Frankfurter Bahnhofsviertel fuhr, um das Milieu zu erkunden. Arjouni, geboren als Jakob Michelsen und Sohn eines Nachkriegsdramatikers, konstruierte den latent alkoholisierten, aber zähen Chefmelancholiker Kayankaya, als er dann Anfang zwanzig war und nichts anderes als Schreiben wollte. Damals lebte er in Montpellier, konnte aber die Sprache nicht. Deswegen brauchte er einen Freund im Geiste – und nicht von ungefähr hieß sein letzter Kayankaya-Roman „Bruder Kemal“ und zeigte einen geläuterten Mann: Familienvater, maßvoller Weinkonsument und immer noch im Geschäft.

Unter die Deutschen gekommen war der Detektiv in einem Idiom, das so gekonnt vor sich hinschnodderte, wie das sonst nur amerikanische Originale hinbekamen. Arjouni legte seine Figuren und ihr Chichi unters Mikroskop. Dann schrieb er komisch-lakonisch auf, was er sah. Das war meistens nicht schön. Aber sehr gut.

Dass Arjouni weitaus mehr als ein Genreschriftsteller war, bewies er mit „Magic Hoffmann“, einem Berliner Wenderoman, erzählt aus der Loser-Perspektive eines Kleinganoven. Diese Blickrichtung behielt er bei, um die Schieflagen der Gesellschaft zu erkennen. Fortan lieferte Arjouni oft genug die besten Geschichten der Saison („Chez Max“, „Der heilige Eddy“). Seine Sätze waren wie gute Pässe von Netzer. Unter Hunderten konnte man sie heraussehen. Jakob Arjouni lebte in Südfrankreich und in Berlin. Er hatte Frau und Kinder, war hundsbegabt und mochte das Leben, wie es ist, wenn es richtig gut ist. Gestern ist Jakob Arjouni, 48 Jahre alt, an einer Krebserkrankung gestorben.