Der Stuttgarter Unternehmer Helmut Nanz stand für ein breites gesellschaftliches Engagement – nun ist er mit 76 Jahren gestorben.

Stuttgart - Ein wichtiges Konzert oder eine Opernpremiere in Stuttgart? Helmut Nanz war meist dabei mit seiner Frau Tini. Unübersehbar, etwa im Foyer der Liederhalle, der hochgewachsene Unternehmer und Mäzen überragte viele. Gut gelaunt, mit jedem, den er kannte, tauschte er ein paar Worte. Zuletzt sah man ihn so bei der „Winterreisen“-Premiere am 1. März in Stuttgarts Opernhaus, gab hier eine Hand und winkte dort quer durchs Parkett Bekannten zu. Schnell, bevor es losging, ein paar Takte geplaudert mit Veronika Kienzle, die im Herbst Oberbürgermeisterin von Stuttgart werden will. Kontakte herstellen und pflegen, man weiß ja nie, wozu es dereinst gut sein kann – das war eine Devise von Helmut Nanz. Berührungsängste hatte er keine.

 

Ein sympathischer Zug, der in diesen Tagen tragische Folgen haben kann. Zehn Tage nach diesem Schubert-Abend waren alle Museen und Musentempel, auch die Staatsoper geschlossen wegen des sich ausbreitenden Coronavirus. Am Mittwoch ist Helmut Nanz, der langjährige Vorstandsvorsitzende der Nanz-Gruppe und große Förderer der Künste, gestorben. Das bestätigte die Familie des 76-Jährigen. Der Vater von vier Kindern verstarb an den Folgen einer Coronavirus-Infektion.

Der Name Nanz gehörte in Stuttgart zum alltäglichen Sprachgebrauch

Nanz war ein Mann, der viele Fäden in die Hand nahm, um seinen Beziehungsteppich zu weben, er wollte sie aber auch in der Hand behalten, das war so als Unternehmer und später bei seinem kulturellen Engagement. Helmut Nanz war eine große Unternehmerpersönlichkeit. Anders als bei anderen Firmenbossen gehörte der Name Nanz zum alltäglichen Sprachgebrauch in den meisten Haushalten in Stuttgart und darüber hinaus. Man ging bis in die 90er Jahre zum Einkaufen zum Nanz – Supermärkte, über denen dieser Name als Firmenlogo prangte. 1969 übernahm Helmut Nanz das von seinem Vater Paul Nanz gegründete und von seiner Mutter Lydia Drexler-Nanz weitergeführte Unternehmen. „Zunächst traute ich es Helmut noch nicht zu, den Betrieb zu übernehmen, er war noch jung und ohne große Berufserfahrung, gerade 26 Jahre alt“, bekennt Lydia Drexler-Nanz, die im Dezember 2019 ihren 100. Geburtstag feierte, in ihren Lebenserinnerungen.

Die Bedenken der Mutter waren unbegründet: Helmut Nanz kaufte Firmen wie die Hartwig Bronner KG, Gaissmaier und Benz-Weine dazu und baute das Unternehmen zu einem Supermarkt-Imperium mit 400 Filialen, 11 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von drei Milliarden D-Mark aus. Seit 1996 ist der Name Nanz in der Öffentlichkeit verschwunden. Helmut Nanz hatte auf den wachsenden Konkurrenzdruck durch das Aufkommen der Discounter mit dem Verkauf des Unternehmens an Edeka reagiert. Eine Entscheidung von kluger Weitsicht.

Die Persönlichkeit von Helmut Nanz hatte viele Facetten

Sein Leben begann in einer Bombennacht: Helmut Nanz kam am 20. Juni 1943 auf die Welt und musste schon wenige Stunden später in einen Luftschutzbunker, weil die ersten Bombenangriffe auf Stuttgart geflogen wurden. Als heiß ersehnter Stammhalter wurde er von der Familie und der ganzen Belegschaft gefeiert, erinnert sich die Mutter. Für Helmut Nanz stand immer fest, das Firmenerbe anzutreten. Nach dem Abitur im Internat im bayerischen Neubeuern studierte er in Nürnberg und München Betriebswirtschaftslehre und volontierte bei einem großen kanadischen Supermarktkonzern.

Aber Helmut Nanz war viel mehr als ein Kaufmann, seine Persönlichkeit hatte viele Facetten, seine Interessen gingen weit über Bilanzen hinaus. „Musik und Medizin waren seine großen Themen“, berichtet Sohn Florian. Das Interesse an Medizin war es auch, das Nanz auf neue unternehmerische Wege führte: 1996 gründete er die Holding Nanz-Medico, Zentren für ambulante Rehabilitation. Die ersten beiden Häuser entstanden in Stuttgart, 23 weitere kamen in ganz Deutschland dazu. Das Unternehmen, sowohl Nanz-Medico wie die Immobilienverwaltung, firmiert in der Helmut-Nanz-Stiftung. „Er hatte sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und die Aufgaben meinem Bruder Helmut Cornelius und mir übertragen“, erklärt Florian Nanz.

Seine Leidenschaft gehörte der Kultur, vor allem der Musik

Die Leidenschaft von Helmut Nanz gehörte der Kultur, vor allem der Musik. Nicht nur als Zuhörer und Förderer, er selbst wurde auch als virtuoser Pianist gerühmt. Er war Vorsitzender des Stuttgarter Kammerorchesters, Kuratoriumsmitglied der Ludwigsburger Schlossfestspiele, Nachfolger von Berthold Leibinger als Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung Internationale Bachakademie Stuttgart und Vorstandsvorsitzender der Olaf Gulbransson Gesellschaft e. V. am Tegernsee, seiner zweiten Heimat. In diesem Museum, das dem norwegischen Künstler gewidmet ist, wollte er die Werke von Victor von Bülow und Tomi Ungerer präsentieren. Denn auch im kulturellen Bereich bezeichnete er sein Engagement als „unternehmerische Aufgabe“. Er war ein Sammler, nicht nur bedeutender Musikautografen. Wer ihn in seinem Firmengebäude in der Augsburger Straße erleben konnte, konnte eine beeindruckende Kollektion von Kunst an den Wänden bewundern.

2019 bestieg er mit Sohn und Freunden noch den Kilimandscharo

Helmut Nanz war von 1983 bis 1999 Honorarkonsul von Indien und blieb der Aufgabe als Schatzmeister der Deutsch-Indischen Gesellschaft treu. Schier unzählig sind seine weiteren Vereins- und Stiftungsämter. Der Hobbypilot war Ehrenpräsident der DRF Luftrettung, als letztes Vorstandsamt hat er sich beim Palliativverein am Marienhospital eingebracht. Für sein weitreichendes ehrenamtliches Engagement im kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich wurde er 2006 mit dem Bundesverdienst am Bande ausgezeichnet. „Diese gemeinnützigen Dinge waren ganz allein seine Sache, da hat er nie große Worte darüber gemacht“, sagt seine Frau Tini. Für sie, ihre zwei Söhne, zwei Töchter und die ganze Familie ist dieser Verlust nicht nur ein großer Schmerz, sondern auch kaum zu fassen. „Er war sportlich, fit und gesund“, sagt Sohn Florian, der im vergangenen Jahr mit dem Vater und Freunden noch den Kilimandscharo bestieg: „In der Rekordzeit von vier Tagen bis zum Gipfel, immerhin fast 6000 Meter hoch, und in zwei Tagen wieder runter. Das war sein großer Traum, das wollte er unbedingt machen.“

Bergsteigen war neben Skifahren seine sportliche Passion, der er vor allem am Tegernsee frönte. Der Riederstein, der direkt hinter dem Anwesen der Familie, „sozusagen hinter der Haustür“, aufragt, war sein Hausberg und „oft das Ziel meiner morgendlichen Wanderungen“, wie er einmal in einem Interview verriet. Das Refugium Nummer zwei, so Florian Nanz, war die Jagd im österreichischen Lechtal, schon seit Jahrzehnten im Besitz der Familie. Zu den Hinterbliebenen dieser großen schwäbischen Unternehmerpersönlichkeit gehören elf Enkel: „Sie waren sein ganzes Glück“, sagt Tini Nanz. Da war er nur noch ein verwöhnender Großvater.