Stuttgarts Burlesque-Königin Caterina Maria Ghiani beendet ihre Karriere, um sich neuen Tanzstilen zu widmen. Viele kennen die junge Frau besser unter ihrem Künstlernamen Zouzou la Vey.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Nur einmal kam es ihr komisch vor, sich auf der Bühne fast komplett auszuziehen. Da saß Oberbürgermeister Fritz Kuhn vor ihr im Publikum. „Er sah nicht so aus, als ob er etwas damit anfangen könnte“, erzählt Caterina Maria Ghiani alias Zouzou la Vey. Ihre Eltern sind da lockerer. Die Mutter ist ihr größter Fans und fast bei jedem Auftritt dabei. Burlesque habe nichts mit Striptease zu tun, betont die 25-Jährige. Es geht um Kokettieren mit Erotik, um ein Spiel mit dem eigenen Körper. Es sei eine Show mit Gesang, Tanz und ausgefallenen Kostümen; die Show sei immer auch humorvoll. „Das Ausziehen an sich ist gar nicht vorrangig, sondern der Weg dahin“, ergänzt Ghiani. In den originalen Burlesque-Shows im Amerika der 1920er Jahre war das Abstreifen eines Handschuhs ja schon eine hocherotische Geste.

 

Allerdings war dies bei den Schwaben vor fast zehn Jahren nicht arg viel anders. „Das schwäbische Publikum war anfangs schwierig“, sagt sie, „die klatschten kaum und zeigten wenig Emotionen. Manch eine Tänzerin hätte sich für den Beginn einer Burlesque-Karriere vielleicht nicht gerade Stuttgart ausgesucht. Caterina Maria Ghiani, der Name geht auf ihren italienischen Vater zurück, ist nun aber mit ihren Eltern im schwäbischen Heumaden aufgewachsen. Stuttgart ist ihre Heimat. Außerdem hatte die Stadt für die damals 18-Jährige einen anderen Vorteil: Niemand sonst hatte sich dort bereits dieser erotischen Unterhaltungsshow verschrieben. Zouzou la Vey stand deshalb mehrere Jahre allein für Burlesque.

Der Künstlername stellt einen Kontrast dar

Zouzou ist eine französisches Koseform für kleines Mädchen. Als Kontrast dazu hat Ghiani für den zweiten Teil ihres Künstlernamens „La Vey“ gewählt, in Anlehnung an Anton Szandor La Vey, den Begründer und Hohepriester der Church of Satan. Süß und niedlich kombiniert mit böse und verrucht. „Ich wollte etwas Mysteriöses und Geheimnisvolles vermitteln“, sagt Ghiani. Einen starken Kontrast ausdrücken. „Zur satanischen Kirche habe ich aber natürlich keine Verbindung“, betont sie.

Dafür umso mehr zum Tanzen. Seit ihrer frühen Kindheit hatte die zierliche Halbitalienerin mit den dichten schwarzen Haaren Tanzunterricht. Ballett war ihr Metier. Zeitweise war sie an der John-Cranko-Schule. Aus körperlichen Gründen musste sie jedoch aufhören. Hauptberuflich ist Ghiani nun Tätowiererin in Ehningen.

Das Tanzen wollte sie aber nicht missen. Zum Burlesque kam sie dann eher per Zufall. Im Kellerklub, wo sie damals arbeitete, war eine Tänzerin aus Berlin zu Gast. Ghianis Gedanke damals: „Das kann ich auch. Vielleicht sogar besser.“ Gepaart mit ihrem Faible für die Musik und Kleidung der 20er Jahre war Burlesque genau ihr Ding. „Ich habe mehr Möglichkeiten, meine Persönlichkeit einzubringen, als beim Ballett“, sagt sie. Sie könne nun ihrer Tanzleidenschaft nachgehen, aber sich mehr ausdrücken über die kleinen Geschichten, die sie in ihr Programm einbaue, ebenso wie über die ausgefallenen Kostüme. Die ersten Jahre hat sie die sogar alle komplett selbst hergestellt. „Die haben dann ungefähr einen Auftritt lange gehalten“, erzählt sie. Seit drei Jahren kümmert sich darum nun eine befreundete Designerin.

Erster Auftritt im Kellerklub

Bis zu ihrem ersten Auftritt im Kellerklub übte sie daheim oder vor Freunden. „Die Aufregung davor war trotzdem die Hölle, aber die Show dann der Hammer“, sagt sie heute. Es habe ihr wahnsinnig viel Spaß gemacht. Fast sechs Jahre blieb Burlesque dann in Stuttgart quasi ihr Alleinstellungsmerkmal. Auch auf der Bühne tanzte sie am liebsten alleine.

In Städten wie Hamburg, Berlin oder München gab es bereits seit längerem eine größere Burlesque-Szene. In Stuttgart machte Ghiani die Gattung mit ihrer eigenen Reihe bekannt. Mit dem Kätzchenball schloss sie eine Lücke in der Stadt. Mit Sängerin Lilli Wagner und Moderator Ralf Groher veranstaltete sie eine regelmäßige Variete-Show, anfangs im Kellerklub, zuletzt im Bixx Jazzclub.

Durch Filme wie „Moulin Rouge“ oder „The Great Gatsby“ sind die 1920er inzwischen en vogue, die Amerikanerin Dita von Teese machte Burlesque wieder salonfähig. Vor circa zwei Jahren sei der Hype dann in Stuttgart angekommen, sagt Ghiani. Neue Reihen sprießten aus dem Boden wie zum Beispiel „Raunchy Rita’s Rasperry Club“ oder das Corso Cabaret. Am morgigen Sonntag startet im Kellerklub die „Manege Rustique“. Inzwischen bieten viele Einrichtungen Burlesque-Workshops an, gerne unter dem Titel „Fit für den Liebsten“. Zouzou la Vey ist damit nicht mehr die einzige in Stuttgart. „Das Positive daran ist: es wird bekannter“, sagt sie. Es gehe beim Burlesque ja auch darum, sich als Frau wohl zu fühlen, egal ob man dick oder dünn sei. Und dieses Selbstbewusstsein dann auf die Bühne zu leben, sei für jede Frauen gut.

Der Nachteil: Burlesque lebt für Ghiani vom Glanzhaften, Mysteriösen. Das geht aus ihrer Sicht verloren, wenn es zum Massenphänomen wird. Es verliere den Status der Einzigartigkeit. Auch deshalb hört die Stuttgarter Burlesque-Königin auf. Am Sonntag tanzt sie ihre letzte Show im Café Galao. Kurz vor 20 Uhr steigt sie zum letzten Mal in ein ausgefallenes Kostüm, streift ihre Handschuhe über und nimmt die Federboa in die Hand, um sich von ihren Freunden und Fans zu verabschieden.

Dann widmet sie sich neuen Tänzen: Tango und Flamenco. „Das kann ich am besten dort lernen, wo es herkommt“, sagt sie. Für ein Jahr reist sie nun durch Andalusien und Südamerika. Alleine natürlich.